Konferenztage
, 2014
26SepFr
Sexualität im 20. Jahrhundert. Beiträge zur deutschen Geschichte9:15 - 13:00 Ort: ZHG 008Sektionsleitung: Christina Benninghaus
Event Details
EDWARD ROSS DICKINSON (Davis) Sexual Modernities in Imperial and Weimar Germany
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Christina Benninghaus
26SepFr
Institutionalisierung von Konkurrenz im archaischen Griechenland9:15 - 13:00 Ort: ZHG 101Sektionsleitung: Jan B. Meister / Gunnar Seelentag
Event Details
GUNNAR SEELENTAG (Frankfurt am Main) Gewinn und Verlust im „Spiel” [...]
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Jan B. Meister / Gunnar Seelentag
26SepFr
Beherrschen und Modernisieren. Der europäische Kolonialismus in populären Wissensmedien seit dem 19. Jahrhundert9:15 - 13:00 Ort: ZHG 105Sektionsleitung: Susanne Grindel / Christoph Marx
Event Details
UTE SCHNEIDER (Duisburg-Essen) Die Kartierung Afrikas und die Geopolitik des Wissens
Event Details
UTE SCHNEIDER (Duisburg-Essen)
Die Kartierung Afrikas und die Geopolitik des Wissens
THORSTEN HEESE (Osnabrück)
Szenografie des Kolonialismus. Kolonialgeschichte als museales Narrativ
Abstract:
Die Meistererzählungen des europäischen Kolonialismus sind geradezu klassische Beispiele von Gewinner- und Verlierernarrativen. In der Überzeugung von der Überlegenheit ihrer industriellen und technischen Entwicklung versprachen die Europäer der außereuropäischen Welt Fortschritt und Zivilisation durch koloniale Herrschaft und Modernisierung. Die vermeintlichen Verlierer der Geschichte sollten unter Anleitung der Sieger ebenfalls auf den Weg des Erfolgs und der Annäherung an Europa gebracht werden. Der Kolonialismus wurde dabei zum Werkzeug, das die Differenz zwischen Gewinnern und Verlierern verringern, wenn auch nicht aufheben sollte.
Damit die Erzählung von Beherrschen und Modernisieren als Fortschritt durch Kolonialismus, an deren Ende schließlich beide Seiten als Gewinner stehen würden, wirksam werden konnte, musste allerdings die Differenz von Siegern und Verlierern zunächst erst einmal etabliert und in der Folgezeit immer wieder neu gefestigt werden. Mit der Dekolonisierung verschob sich die Blickrichtung schließlich. Der Kolonialismus konnte nun nicht mehr als Erfolgsgeschichte zu beiderseitigem Nutzen präsentiert werden, sondern man musste sich auch seinen Folgen zuwenden und der Tatsache, dass die bislang zu Verlierern Erklärten sich nun offensiv als solche verstanden und die Übernahme von Verantwortung sowie Kompensation von den ehemaligen Kolonialstaaten verlangten.
Wie diese binären Erzählungen von Gewinnern und Verlierern etabliert und epistemisch festgeschrieben wurden, untersuchen die Beiträge der Sektion anhand von Medien im Spannungsfeld von gelehrtem und populärem Wissen. Der Blick auf Karten und Schulbücher, Massenpresse und Sport, Ausstellungen und Denkmäler zeigt, dass die Suggestionskraft derartiger Dichotomien vielfach bis heute ungebrochen fortbesteht – und das ungeachtet, ob es sich um affirmative oder kritische Darstellungen des Kolonialismus handelt.
English Version:
Ruling and Modernizing: European Colonialism in Popular Knowledge Media since the 19th Century
The master narratives of European colonialism are classic examples of tales of winners and losers. Firmly convinced of their industrial and technical superiority, Europeans promised progress and civilization to the non-European world through colonial rule and modernization; this promise suggested that, as the self-appointed winners of history, they would guide the supposed losers on the path to a similar success, a path bringing them closer to Europe. In this vein, colonialism came to be regarded as a tool for the reduction, albeit not the elimination, of the gap between the winners and the losers.
This gap needed to first be established and then repeatedly reinforced in order for the narrative of ruling and modernizing to take effect as a story of progress through colonization which would result in winners on all sides. This was a process that continued until decolonization required a change of perspective, overturning the previously valid presentation of colonialism as a success story for the benefit of both parties to the colonial relationship and confronting the “winners” of colonial narratives with the consequences of colonialism and the fact that those labelled “losers”, giving voice to their losses, were now calling for the former colonial states to assume responsibility and make amends.
The papers included in this panel investigate these binary narratives of winners and losers and how they were established and inscribed epistemically by exploring media promoting popular and scientific knowledge. Maps and textbooks, newspapers and sports, exhibitions and monuments all exemplify the power of suggestion exerted by these dichotomies of winners and losers and their persistence to this day, regardless of whether they emerge from a supportive or a critical stance toward colonialism.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Susanne Grindel / Christoph Marx
26SepFr
Individuelle Verlierer – kollektive Gewinner? Das Los als Entscheidungsmedium bei Amtswahlen in Mittelalter und Früher Neuzeit9:15 - 13:00 Ort: ZHG 102Sektionsleitung: Barbara Stollberg-Rilinger / Wolfgang Eric Wagner
Event Details
BARBARA STOLLBERG-RILINGER (Münster) Einleitung: Zur Logik des Losens in vormodernen Allokationsverfahren
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THOMAS WELLER (Mainz)
Kommentar
Abstract:
Über Gewinn und Verlust entscheidet mitunter der Zufall – so (zumindest auf den ersten Blick) im Falle von Losverfahren. Eine Entscheidung auszulosen heißt, sie dem blinden Zufall oder einem transzendenten Willen anheimzustellen und auf rationales Abwägen der Handlungsoptionen zu verzichten. Das Los entlastet von der Zumutung, die das Entscheiden unter komplexen Bedingungen darstellt, indem es die Entscheidung externalisiert, d.h. auf einer den Akteuren nicht verfügbaren Ebene ansiedelt. Doch das Los ist „organisierter Zufall“ (Barbara Goodwin). Es befreit von der Last komplexer Umstände und der rationalen Abwägung von Gründen immer nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, auf den man sich zuvor geeinigt hat. Bevor gelost werden kann, muss die Frage präzise formuliert werden, auf die das Los antworten soll, und es müssen sich die Beteiligten der Entscheidung im Voraus unterwerfen. Das Los setzt vollkommene Gleichheit der Optionen voraus bzw. führt sie selbst herbei. Durch die Unabhängigkeit der Entscheidung von jedweder Deliberation wird die Kontingenz des Entscheidens dramatisch betont und die Entscheidung selbst als Ereignis inszeniert.
In Mittelalter und Früher Neuzeit war die Losentscheidung Gegenstand gelehrter Kontroversen, die um die Frage kreisten, inwiefern es sich um eine Delegation der Entscheidung an Gott handelte oder um eine pragmatische Vereinbarung der Beteiligten, sich dem Zufall zu unterwerfen. Die Zulässigkeit des Losens war umstritten, obwohl oder vielmehr gerade weil es in der christlichen Tradition als Mittel galt, den göttlichen Willen – womöglich mit teuflischer Hilfe – in Erfahrung zu bringen. Dennoch wurde das Los auf vielfache Weise in Entscheidungsverfahren eingesetzt, nicht zuletzt bei der Besetzung von Ämtern in Kirche und Stadtgemeinde. Obwohl die sortitio hinsichtlich der Kleriker- und Bischofswahlen laut Decretum Gratiani (1140) als unerlaubte Divination galt, wurden im hohen und späten Mittelalter tatsächlich durchaus immer wieder Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe durch das Los bestimmt (in der koptischen Kirche übrigens bis heute). In den Amtswahlverfahren vor allem italienischer Stadtkommunen gehörte das Los seit dem Hochmittelalter zum politischen Alltag; Venedig und Florenz sind die bekanntesten Beispiele dafür. In vielen transalpinen Städten wurde es vor allem zwischen der zweiten Hälfte des 17. und dem Ende des 18. Jahrhunderts im Rahmen von Ratswahlreformen eingeführt, um Legitimationskrisen der Ratsoligarchie entgegenzuwirken, so in Hamburg, Bremen, Frankfurt am Main, Münster und Bern.
Die Sektionsteilnehmer wollen die Logik des Losens anhand exemplarischer Fälle in Stadtgemeinde und Kirche untersuchen. Dabei sind vier Fragenkomplexe zu unterscheiden.
Erstens fragt sich, wann, von wem und aus welchen Motiven Ämterallokation überhaupt zum Gegenstand von Losentscheidungen gemacht wurde. Auf welche Konflikt- oder Krisensituationen wurde damit möglicherweise geantwortet?
Zweitens ist nach dem verfahrenstechnischen Ort und dem genauen Modus des Losentscheids zu fragen. Das Los wurde in der Regel in bestehende Verfahren zur Ämterallokation eingebettet. Dabei galt es eine Balance herzustellen zwischen Steuerung und Kontrolle einerseits und dem Einsatz des unkontrollierbaren Zufalls andererseits. Dazu diente die spezifische Rahmung des Losens: die Formulierung der Optionen, zwischen denen gelost und damit Chancengleichheit hergestellt wurde, die Bestimmung des Zeitpunkts im Verfahrensverlauf usw., wodurch die Kontingenz des Losverfahrens insgesamt beherrschbar blieb. Es ist zu untersuchen, wie diese Verfahrensmodi im Detail beschaffen waren, welchen historischen Veränderungen sie unterlagen, welche Ordnungs- und Stabilisierungsleistungen man sich davon versprach und welche tatsächlichen instrumentellen Effekte festzustellen sind.
Drittens ist die symbolisch-expressive Dimension von Losentscheidungen zu berücksichtigen. Die Zufallsentscheidung in Form von Würfelwurf, Ziehen von Kugeln, Bohnen, Stäbchen, Knochen, beschrifteten Zetteln oder dergleichen machte das Entscheiden als solches in seinem Ereignischarakter wahrnehmbar – mehr vermutlich als jede andere Verfahrensform. Zu fragen ist, inwiefern das Losen als blinder Zufall oder als Gottesurteil inszeniert wurde, an welches Publikum es sich richtete (oder vor wem es verborgen wurde), welcher ästhetischen Mittel man sich dabei bediente usw. Vor allem fragt sich, welche symbolischen Funktionen die Inszenierung des Losens erfüllte – etwa im Falle der bizarr vervielfachten Loselemente in städtischen Ratswahlverfahren, die sich instrumentell schwer erklären lassen.
Viertens soll schließlich die Reflexion des Losens durch die Beteiligten und durch externe Beobachter in die Untersuchung einbezogen werden: Welche Rolle spielte das Losverfahren im Rahmen theologischer, juristischer und politischer Diskurse, und inwiefern unterlag seine Beurteilung historischem Wandel? Hatte das Sprechen über das Los eine spezifische eigene Funktion?
Insgesamt versprechen wir uns von der Analyse dieser zentralen Allokationsverfahren geistlicher und weltlicher Amtsträger einen Zugang zu der vormodernen Kultur des Entscheidens ganz allgemein. Inwiefern diente der kontrollierte Einsatz des Losentscheids der Kontingenzbewältigung? Inwiefern hatte er tatsächlich die politisch stabilisierenden Effekte, die ihm von den Zeitgenossen zugeschrieben wurden? Im Hinblick auf das Rahmenthema des Historikertags lässt sich die versuchsweise formulieren, dass das Losen zwar immer individuelle Verlierer produzierte, aufs Ganze gesehen aber das jeweilige Kollektiv zum Gewinner machte.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Barbara Stollberg-Rilinger / Wolfgang Eric Wagner
26SepFr
Wikipedia und Geschichtswissenschaft. Eine Zwischenbilanz 9:15 - 11:00 Ort: Theologicum T02Sektionsleitung: Thomas Wozniak / Uwe Rohwedder
Event Details
TEIL 1: MAREN LORENZ (Toronto) Wikipedia. Ein Spiegel der Gesellschaft. Zum schwierigen [...]
Event Details
TEIL 1:
JAN HODEL (Aarau)
Wikipedia. Geschichtsfragmente auf Abruf
PETER HOERES (Würzburg)
Diskussion und Moderation
TEIL 2:
THOMAS WOZNIAK (Marburg)
Wikipedia in Forschung und Lehre. Eine Übersicht
GEORG VOGELER (Graz)
Diskussion und Moderation
Abstract:
Das populäre Geschichtsbild wird zunehmend durch das Internet geprägt. Dort wiederum belegt die Online-Enzyklopädie Wikipedia Platz sechs aller weltweit aufgerufenen Webseiten. Durch ihre enorme Reichweite hat die Wikipedia innerhalb weniger Jahre einen erheblichen Einfluss auf das Geschichtsbild breiterer gesellschaftlicher Schichten erlangt. Mit der wachsenden Rezeption wird die Auseinandersetzung mit diesem Medium von außen an die Geschichtswissenschaft herangetragen. Diese hat zwar eigene digitale Arbeitstechniken entwickelt, aber bisher noch kaum Umgangsformen mit dem seit über zehn Jahren gewachsenen Phänomen „Wikipedia“. Die Versuche der Geschichtswissenschaft damit umzugehen, schwanken bisher zwischen institutionalisiertem Verbot, vorbehaltlicher sowie oft geheimer Nutzung und interessierter aktiver, bisweilen anonymer Mitarbeit.
Trotz aller Probleme mit der Qualität stellt die Wikipedia-Datenbank mittlerweile eine quantitativ sehr große Sammlung von Einzeldaten dar, die bei entsprechend kritischen Methoden auch für die Geschichtswissenschaft ertragreich sein kann. Dafür ist zunächst zu fragen, was bei der Wikipedia im Vergleich zur geschichtswissenschaftlichen Arbeit anders gehandhabt wird und wo Gemeinsamkeiten liegen. Das Verfassen von enzyklopädischen Artikeln ist eine besondere Textgattung, die wenig mit „Wissen schaffen“ und mehr mit „Wissen kompilieren“ zu tun hat. Allerdings ist die freie kollaborative Autorenschar noch auf der Suche nach einem eindeutigen Konzept bzw. Profil. Das Spektrum reicht vom an antiken Enzyklopädisten orientierten Wissenskompilator, über die an den neuzeitlichen Konversationslexika orientierten Bereitsteller von Konversationsgrundlagen bis zu den Nationalenzyklopädien, die halfen, die Identität von Nationalstaaten zu konstruieren. Dies macht es für die Geschichtswissenschaft nicht einfacher, mit der Online-Enzyklopädie umzugehen.
In jedem Fall ist die Wikipedia als Projekt damit kein Wissensproduzent sondern eher ein Wissenssammler, der aufgrund des hohen öffentlichen Rezeptionsgrades über eine starke konstruierende Funktion in Bezug auf populäre Geschichtsbilder verfügt. Der Geschichtswissenschaft fehlt bis heute ein auch nur grobes Konzept zum Umgang mit dem Phänomen. Große Lexikonverlage wie Brockhaus und Wahrig sind unter dem Druck der neuen Medien zusammengebrochen, weil sie sich einer Auseinandersetzung zu lange verweigert hatten. Diese Gefahr besteht für die hoch spezialisierten Geschichtswissenschaften nicht, auch weil sie mittlerweile einige erfolgversprechende Initiativen ausprobiert haben. Die Sektion soll zunächst die Wikipedia als von außen an die Geschichtswissenschaft herangetragene Herausforderung analysieren. Im zweiten Schritt werden dann die möglichen Schnittstellen für eine Zusammenarbeit in Forschung und Lehre ausgelotet und dabei die bisherigen Erfahrungen der akademischen Arbeit mit der Wikipedia zusammengefasst.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 11:00
Sektionsleitung
Thomas Wozniak / Uwe Rohwedder
26SepFr
Von der Literaturversorgung zum Informationsservice. Fachinformationsdienst(e) für die Geschichtswissenschaft9:15 - 11:00 Ort: Theologicum T01Sektionsleitung: Gregor Horstkemper
Event Details
GREGOR HORSTKEMPER (München) Moderation DANIEL SCHLÖGL (München) KAROLINE DÖRING (München) ANNE LIPP (Bonn) KEVIN RICK (Marburg) MARTIN SCHULZE WESSEL (München) WILFRIED ENDERLE (Göttingen) Abstract:
Event Details
GREGOR HORSTKEMPER (München)
Moderation
MARTIN SCHULZE WESSEL (München)
Abstract:
Angesichts des tiefgreifenden Wandels der wissenschaftlichen Informations-, Kommunikations- und Publikationsstrukturen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft beschlossen, das bisherige System der Sondersammelgebiete und der darauf aufbauenden überregionalen Literaturversorgung in ein Netz von Fachinformationsdiensten (FID) zu überführen. Da über die entsprechende Etablierung von Informationsservices für die Geschichtswissenschaft im Lauf des Jahres 2015 entschieden werden wird, können und sollen die Interessen und Bedürfnisse des Fachs artikuliert werden, um Zuschnitt und Ausgestaltung der entstehenden Dienste entsprechend justieren zu können. Ausgehend von einer kurzen Bestandsaufnahme der Ausgangssituation und der Zielsetzungen der Reform sollen insbesondere drei Themenkomplexe im Mittelpunkt stehen. Zum Ersten steht die Frage im Raum, ob aus Sicht der Geschichtswissenschaft neben einem grundsätzlich fachlich definierten FID “Geschichte” auch regional – und damit transdisziplinär – definierte Fachinformationsdienste (z. B. FID “Osteuropa”) als notwendig betrachet werden. Zum Zweiten wird darüber diskutiert werden, welchem Wandlungsprozess wissenschaftliche Informationsbedürfnisse gegenwärtig und in naher Zukunft unterworfen sind, und welche Folgen das für die Wahl und Gestaltung geeigneter Instrumente zur Abdeckung dieser Bedürfnisse hat. Zum Dritten soll abschließend die Frage gestellt werden, auf welche Weise das für die Fachinformationsdienste geforderte besonders hohe Maß der Ausrichtung am konkreten Bedarf der Wissenschaft sichergestellt werden kann.
Strukturierung der Diskussion:
1. Sondersammelgebiete wandeln sich zu Fachinformationdiensten
2. Fachprinzip und Regionalprinzip
3. Wandel der Informationsbedürnisse angesichts sich dynamisch entwickelnder Informations- und Kommunikationskanäle
4. Enger Wissenschaftsbezug der Fachinformationsdienste
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 11:00
Sektionsleitung
Gregor Horstkemper
26SepFr
Im Gespräch mit den DFG-Fachkollegiaten9:15 - 11:00 Ort: ZHG 005Sektionsleitung: VHD
Event Details
AXEL SCHILDT (Hamburg) GUIDO LAMMERS (Bonn) BETTINA WAHRIG (Braunschweig) BIRGIT EMICH (Erlangen-Nürnberg) SIMONE LÄSSIG (Braunschweig) ANDREAS RANFT (Halle-Wittenberg) Abstract: Das Fachkollegium 102 (Geschichtswissenschaften) der [...]
Event Details
BIRGIT EMICH (Erlangen-Nürnberg)
ANDREAS RANFT (Halle-Wittenberg)
Abstract:
Das Fachkollegium 102 (Geschichtswissenschaften) der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist ein von allen Historikerinnen und Historikern an Universitäten und außeruniversitären Instituten für jeweils vier Jahre gewähltes Gremium mit zwölf Mitgliedern, die auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Das Fachkollegium tritt mehrmals jährlich zusammen, um über Anträge auf Förderung in der Mittelalterlichen Geschichte, der Geschichte der Frühen Neuzeit, der Neueren und Neuesten sowie der Wissenschaftsgeschichte (die Alte Geschichte, aber auch die Wirtschaftsgeschichte sind anderen Fachkollegien zugeordnet) zu beraten, die zuvor bereits von Gutachterinnen und Gutachtern bewertet wurden – die endgültige Entscheidung trifft der Hauptausschuss der DFG. Dem Fachkollegium ist eine Geschäftsstelle zugeordnet, die auch der Beratung von Antragstellern dient. Die Sektion soll die Transparenz des Verfahrens erhöhen und die Kommunikation zwischen Fachkollegium und Historiker-Community intensivieren. Es besteht die Gelegenheit, mit Mitgliedern des Fachkollegiums sowohl über systemische und strategische Fragen der Förderung als auch über praktische Probleme des gesamten Verfahrens zu diskutieren.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 11:00
Sektionsleitung
VHD
26SepFr
Gewinner und Verlierer. Das Jahr 1914 im Geschichtsunterricht und Geschichtsbewusstsein aus Internationaler Perspektive9:15 - 13:00 Ort: ZHG 009Sektionsleitung: Peter Johannes Droste / Frank Schweppenstette
Event Details
PETER JOHANNES DROSTE (Aachen) Vom Augusterlebnis zum Frustergebnis. Der Erste Weltkrieg in deutschen Schulbüchern
Event Details
FRANK SCHWEPPENSTETTE (Köln)
La prima guerra mondiale im italienischen Geschichtsunterricht
HENNING HUES (Bonn)
Apartheid und Erster Weltkrieg im Geschichtsunterricht in Südafrika
Abstract:
Obwohl der Erste Weltkrieg zu den Klassikern im internationalen Geschichtsunterricht gehört, unterscheiden sich der Unterricht und die Narrationen in den Perspektiven der „Gewinner und Verlierer“ beträchtlich. Nicht nur die Bezeichnung und die Dauer, sondern auch der Blick auf Ziele, Verlauf, Schuld und Ende ergeben ein heterogenes Bild. Das Jubiläumsjahr hat die internationale Forschung stimuliert und neue Perspektiven kreiert. Diese schwanken zwischen einem Weg vom Bismarckschen „Cauchemar des coalitions“ zum „Schlafwandeln“ der europäischen Politiker und mehr oder weniger gezielter Kriegsvorbereitung am Vorabend der Katastrophe. Die Problemfragen des Geschichtsunterrichtes sind aber immer noch von der jeweiligen nationalen Narration geprägt. In der Sektion werden daher ausgewiesene Kenner den Geschichtsunterricht ihrer Nation vor- und in einer zweiten Runde zur Diskussion stellen. Diese Sektion soll helfen, festgefahrene Narrationen zu hinterfragen und das Geschichtsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler zu ergründen. Im Fokus sollen auch die nationalen Erinnerungskulturen stehen.
Bereits die Auswahl der Nationen greift über die gewohnten Perspektiven des Geschichtsunterrichts hinaus. Die Sektion versteht sich als interkulturell. In unserer modernen Migrationsgesellschaft sollte z.B. die Chance ergriffen werden, das Verhältnis des Kaiserreiches zur Türkei im Geschichtsunterricht zu thematisieren. Der deutsch-polnische Streit um den Erinnerungsort der Schlachten Grunwaldska/Tannenberg (1410 und 1914) ist in Deutschland nahezu vergessen, gleichwohl kennt jedes Schulkind in Polen Ort und Datum. Der Blick im deutschen Geschichtsunterricht richtet sich (noch immer) auf das Augusterlebnis und den erstarrenden Stellungskrieg sowie auf das zerbröckelnde Bündnissystem der Bismarck-Ära, den Zweibund und das Attentat von Sarajewo. Die Behandlung des Ersten Weltkrieges im Unterricht erfolgt in Frankreich und Deutschland nach unterschiedlichen Lehrplanvorgaben und ist mentalitätsgeschichtlich anders verankert. Anhand von Beispielseiten aus Schulbüchern und unterrichtspraktischen Erfahrungen werden diese Unterschiede illustriert und bewertet. Afrika und die Kolonien werden häufig nur unter dem Thema Imperialismus als Spannungsfelder der Vorgeschichte zum Ersten Welt-krieg gesehen. Der südafrikanische Geschichtsunterricht wird, anders als in Deutschland, z.B. stark geprägt durch die Biographie des Lehrenden. Wie in vielen, sog. Post-Conflict-Gesellschaften ist der Blick zurück in der nationalen Geschichte immer auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Im Unterrichten über die politischen Konstellationen und die Gründe des Kriegsausbruches 1914 etwa findet nicht selten eine Analogisierung zu Macht- und Widerstand der Apartheidzeit statt. In Italien sind die Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg lokal sehr unterschiedlich. In Norditalien ist er z.B. in Straßenamen präsent. Des Kriegsendes wird in Italien durchaus noch gedacht, allerdings ohne die Festlegung von Gewinnern und Verlierern. Dort gilt dieses Datum heute als „Tag der Streitkräfte“. Von höchstem Interesse ist die Sichtweise der damaligen Weltmacht Großbritannien, die den Handel und die See dominierte. Der Blick auf Belgien versteht sich von selbst und bedarf keiner Legitimation. Dass der Erste Weltkrieg in Belgien noch immer als Bedrohung und als Genozid gesehen und unterrichtet wird, dürfte hingegen nur Wenigen bekannt sein.
Um dem Vorwurf zu entgehen, dass es sich hier lediglich um ein Anhäufen von nationalen Perspektiven handele, wird bewusst auf den Anspruch „globaler“ Geschichtsbetrachtung verzichtet. Alle Referent/innen werden in ihrem Beitrag (max. 20 Min.) die Narrative „ihrer“ Nation darstellen, einen Blick auf das kollektive Geschichtsbewusstsein und die jeweilige Erinnerungskultur werfen und abschließend kritisch miteinander diskutieren. Die Diskussion könnte konkrete Auswirkungen auf den Unterricht in den Ländern, die binationale Schulbucharbeit und die Lehrerausbildung haben.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Peter Johannes Droste / Frank Schweppenstette
26SepFr
Kasinokapitalismus und Kommerzkick. Konvergenzen von Wirtschaft und Spiel im 20. Jahrhundert9:15 - 13:00 Ort: ZHG 103Sektionsleitung: Alexander Engel / Juliane Czierpka
Event Details
HARTMUT BERGHOFF (Washington, D.C.) Moderation JAKOB TANNER (Zürich) Kritik des Kasinokapitalismus ALEXANDER [...]
Event Details
HARTMUT BERGHOFF (Washington, D.C.)
Moderation
JAKOB TANNER (Zürich)
Kritik des Kasinokapitalismus
SASCHA MÜNNICH (Göttingen) und ROMAN ROSSFELD (Zürich)
Kommentar
Abstract:
Traditionell ist die Sphäre der Ökonomie mit Ernst, Mühseligkeit und Zweckgerichtetheit assoziiert, die Sphäre des Spiels hingegen mit Zweckbefreitheit, Mühelosigkeit und Spaß. Für das 18. und 19. Jahrhundert lässt sich eine explizite Gegenüberstellung beider Sphären beobachten, und im Kern wirkt diese Kontrastierung von Homo faber und Homo ludens bis heute fort. Zugleich zeigt sich aber – so die zu diskutierende Grundthese dieser Sektion – eine Auflösung der Dichotomie.
Jakob Tanner stellt den „Kasinokapitalismus“ in den Mittelpunkt seines Vortrags und analysiert, nach einer kritischen Würdigung des Begriffs, die historische Entwicklung der Deregulierungseuphorie, die im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts die globale Dynamik digitalisierter Finanzmärkte ausgelöst hat. Auch Alexander Engel stellt das Vordringen spielerischer Elemente in ökonomische Sphären im Vordergrund. Indem er das Börsenparkett als Wettkampfarena und die Börsenspekulation als Spiel diskutiert, arbeitet er, anhand der sich wandelnden Diskurse bezüglich der ökonomischen Folgen und Funktion des Börsenspiels, die veränderte Auffassung des Ökonomischen im Allgemein heraus. Rolf Nohr beschäftigt sich mit der bewussten Einführung spielerischer Elemente, in Form von Unternehmensplanspielen, in die Unternehmen. In den „Serious Games“ der 50er Jahre wurden Handlungssteuerung, Wissenstransformation sowie die Adaption an das neue Medium Computer und einen veränderten Rationalitätsbegriff „gespielt“. Juliane Czierpka und Peter Römer stellen das ökonomisierte Spiel in den Vordergrund und bemühen sich um eine historische Einordnung des häufig kritisierten Prozesses der Verwirtschaftlichung des Fußballs in Deutschland und untersuchen dessen Folgen für die Anhänger. Tobias Werron analysiert abschließend aus einer soziologischen Perspektive heraus, gestützt auf die Abgrenzung des modernen Wettkampfsports gegenüber dem Spiel, ob sich auch Formen der Unterhaltung in Sport und Wirtschaft genauer analysieren lassen.
English Version:
Traditionally, the economic sphere is characterized by its earnestness, its arduousness, and by following purposes. Playing, on the other hand, is seen as an effortless, purposeless amusement. In the 18th and 19th century, homo faber and homo ludens were distinctly separated from each other, a dichotomy that still exists today, even though the boundaries between the two spheres became blurred. The section deals with different areas where the lines between the economic and playing vanished during the 20th century.
Jakob Tanner looks at conceptual problems and semantic pitfalls of the term ‘casino capitalism’, before developing a critique of the euphoria of deregulation that has triggered the global dynamics of digitized financial markets in the last quarter of the 20th century. Alexander Engel shows how the economic sphere displays several characteristics of playful behavior. He examines how the stock market’s trading floors became an arena and compares speculation to a game in order to discuss changes in the perception of economics in general. Rolf Nohr deals with the deliberate introduction of games into businesses. The serious games of the 1950s enacted fundamental changes in (economic) controlling, the transformation of knowledge as well as the adaptation to a new media and a renewed concept of rationality. Juliane Czierpka and Peter Römer address the issue of the commercialization of professional football in Germany. In a first step, they seek to form a theoretical and empirical basis for the fierce criticism about this process, which is mainly expressed by the supporters, whose role will be analyzed in a second step. Tobias Werron looks at the distinction between modern competitive sports and other games to discuss how this sociological perspective can help to analyze forms of entertainment in modern sports and the economy.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Alexander Engel / Juliane Czierpka
26SepFr
Beyond Hybridity? Members of Minorities as Brokers in Global Cultural Encounters in the Late Ottoman Empire 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 003Sektionsleitung: Julia Hauser / Christian Saßmannshausen
Event Details
GUDRUN KRÄMER (Berlin) Chair and Comment CHRISTINE LINDNER [...]
Event Details
GUDRUN KRÄMER (Berlin)
Chair and Comment
UTA ZEUGE (Berlin/Wien)
Identities in Conflict? Syrian Protestant Lives
Abstract:
Seit dem Aufkommen der new imperial historyhaben Historiker das epistemologische Potential erkannt, das in der Untersuchung transnationaler Lebensläufe liegt. Bisweilen allerdings werden biographische Studien miteinander in Bezug gesetzt, ohne dabei ihre geographischen Kontexte zu berücksichtigen. In diesem Panel hingegen wird argumentiert, dass transnationale Biographien nur dann sinnvoll analysiert werden können, wenn man Akteure in einem gemeinsamen Kontext vergleicht. Einerseits handelten diese meist in bestimmten imperialen Konstellationen, deren rechtliche und politische Strukturen nicht außer Acht gelassen werden können. Andererseits machten sich westliche Kolonialfantasien an bestimmten Räumen fest. Beide Parameter waren konstitutiv für die Bedingungen, unter denen culturalbrokers agierten.
Im Osmanischen Reich spielten Angehörige religiöser Minderheiten eine zentrale Rolle im Kontakt mit Europa und zunehmend auch den USA. Ihre multiplen Identitäten, ihr besonderer Status in der osmanischen Gesellschaft und vielfach auch ihr Wohlstand begünstigten diese Funktion. Gleichzeitig erscheint ihr sozialer Status auf den ersten Blick als widersprüchlich, da viele von ihnen die Protektion europäischer Staaten genossen und doch kulturell, ökonomisch und sozial in lokale Kontexte integriert waren.
Eine wachsende Forschung untersucht die Rolle nicht-muslimischer Minderheiten im “langen” 19. Jahrhundert. Einige Thesen der bisherigen Forschung bedürfen jedoch einer kritischen Überprüfung. So sind Angehörige nichtmuslimischer Minderheiten oft aufgrund ihrer vermeintlichen Nähe zu Europa als Modernisierer dargestellt worden. Auch wurden sie häufig als Wegbereiter von Säkularismus und Nationalismus gesehen, die die osmanische Herrschaft in Frage stellten.
Schließlich wurden sie meist isoliert anstatt in ihren lokalen kulturellen Verflechtungen betrachtet. Angesichts neuerer Forschungen zur spätosmanischen Gesellschaft, die den Aspekt religiöser Koexistenz und gegenseitigen Austauschs betonen, erscheint es angebracht, bisherige Forschungsmeinungen zur Rolle nichtmuslimischer Minderheiten auf den Prüfstand zu stellen.
Darüber hinaus eröffnen sich neue Perspektiven, wenn man über die üblichen dramatis personae hinausgeht. Denn kulturelle Übersetzung beschränkte sich nicht nur auf Handel und Diplomatie. Die literarische Öffentlichkeit und das Bildungswesen waren wichtige Felder, auf denen Angehörige von Minderheiten mit Europäern und Amerikanern interagierten. Zweitens sollten auch Geschlecht und sozialer Status als Faktoren in die Analyse stärker eingeblendetwerden. Weibliche Angehörige von Minderheiten übernahmen, etwa als Lehrerinnen, wesentliche kulturelle Übersetzungsleistungen, agierten dabei jedoch unter ganz anderen Vorzeichen als ihre männlichen Pendants. Oft von niederer sozialer Herkunft, genossen sie seltener das Privileg der Extraterritorialität. Sowohl sozialer Status als auch Geschlechtbeeinflussten daher die Handlungsspielräume kultureller Mittler: Differenzen, die es zu untersuchen gilt.
Dieses Panel verfolgt daher eine Reihe von Fragen. Welche Rolle spielten culturalbrokers in Kontakten zwischen dem Osmanischen Reich, Europa und den USA?Wann erschienen sie als ambigue Figuren, wann artikulierte sich ihre Identität auf scheinbar eindeutige Art? Und mehr noch: ist das so oft gebrauchte Konzept der Hybridität überhaupt geeignet, um jene “jeuxd’identité” (Smyrnelis) zu beschreiben, die sich im Handeln kultureller Mittler im späten Osmanischen Reich beobachten lassen? Denn während der Begriff des Hybriden in der Lage ist, ihre oft multiplen Bindungen zu erfassen, suggeriert er doch, dass diese Bindungen stets im selben Maß präsent gewesen seien − eine Annahme, zu der die oft wechselnden Strategien dieser Akteure im Widerspruch stehen. Letztlich soll es in diesem Panel also darum gehen, eine Terminologie zu finden, die der erstaunlichen Flexibilität im Umgang mit Loyalitäten, die sich bei Angehörigen von Minderheiten in kultureller Mittlerfunktion beobachten lässt, besser gerecht wird – sich also auch begrifflich jenseits des Hybriden zu bewegen, ohne dabei den Aspekt der Grenzüberschreitung aus dem Blick zu verlieren.
Nicht nur culturalbrokers im späten Osmanischen Reich waren Grenzgänger. Grenzen müssen auch Forschende überwinden, die sich ihrer Untersuchung widmen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass osmanische Geschichte bislang kaum zum Kanon der Geschichtswissenschaft in Deutschland gehört. Anders als etwa in den USA hat der enge Zusammenhang von entstehender Geschichtswissenschaft und nationbuilding lang die Arbeitsweise der Geschichtswissenschaft geprägt, während transnationale und Globalgeschichte erst neuere Entwicklungen sind. Die Geschichte des Osmanischen Reichs wird daher immer noch vorwiegend in der Islamwissenschaft, Turkologieoder Arabistik untersucht. Historiker und Historikerinnen sollten daher weiter, wie dies bereits verstärkt seit dem letzten Jahrzehnt geschehen ist,den Dialog mit den areastudies intensivieren. In diesem Sinne ist das geplante Panel in seiner Zusammensetzung sowohl interdisziplinär als auch international.
Aus dem Blickwinkel der interkulturellen Theologie fragt Uta Zeuge in ihrem Vortrag danach, welchen Einfluss kulturelle Mittlertätigkeit auf das self-fashioning männlicher christlicher Angehörige der neuen Mittelschicht hatten. Christine Lindner, Historikerin, untersucht die Handlungsspielräume weiblicher Angehöriger religiöser Minderheiten. Julia Hauser, ebenfalls Historikerin,untersucht die Unterstützerkreise zweier ausländischer Mädchenschulen im spätosmanischen Beirut, wobei sie zeigt, dass kulturelle Vermittlung nicht ausschließlich von wohlhabenden christlichen und jüdischen Familien geleistet wurde.Christian Saßmannshausen, Islamwissenschaftler und Nahosthistoriker,beleuchtet am Beispiel einer griechisch-orthodoxen Familie mit extraterritorialem Status aus Tripoli das Navigieren privilegierter Akteure zwischen widerstreitenden Loyalitäten. Nora Lafi, ebenfalls auf die Geschichte des Osmanischen Reichs spezialisiert, untersucht die Frage, wie Juden im spätosmanischen Tunis ihre Identität zwischen lokalen Wurzeln und globalem Wandel verhandelten. Das Panel beginnt mit einer Einführung durch die Organisatoren. Es folgen fünfVorträge à 20 Minuten, unterbrochen durch eine halbstündige Pause nach den ersten drei Vorträgen, nach denen jeweils 10 Minuten Diskussion vorgesehen sind. Ein Abschlusskommentar führt in die allgemeine Diskussion. Da diese Sprache einigen Teilnehmern des Panels näher liegt, finden die Vorträge nach einer deutschsprachigen Einführung in die Thematik des Panels in englischer Sprache statt. Diskussionssprachen sind Deutsch und Englisch.
English Version:
Beyond Hybridity? Members of Minorities as Brokers in Global Cultural Encounters in the late Ottoman Empire
With the emergence of a new imperial history, scholars have become aware of the epistemological potential offered by the exploration of transnational biographies. Often, however, studies of relevant characters are presented irrespective of their geographical fields of action, as if these were interchangeable sceneries on the transnational stage. This panel, by contrast, argues that transnational biographies can only be examined fruitfully by comparing actors within a given geographical context. On the one hand, cultural brokers acted within [or between] imperial frameworks whose legal and political structures cannot be disregarded in historical analysis. On the other, Western colonial fantasies tended to attach themselves to definite areas. These parameters shaped the conditions under which cultural intermediaries were able to act.
In the Ottoman Empire, certain members of religious minorities were crucial to various kinds of interactions with Europe as well as, increasingly, with the United States of America. Their multiple identities, their liminalstatus in Ottoman society and, in many cases, their affluence, disposed them for this function. At the same time, their status was often an ambivalent one, since many of them enjoyed a status of extraterritoriality while at the same time being embedded culturally, economically and socially into local contexts. A growing literature continues to examine the crucial (and often ambiguous) role of non-Muslim minorities in cultural exchange during the late Ottoman Empire., Certain arguments to be found in research, however, are in need of revision, as they reproduce a myth of sectarianism at odds with recent historical research on Ottoman society. First, non-Muslim members of minorities, on account of their alleged proximity to Europe, have been cast in the role of modernizers. They have also been referred to pathbreakers of secularization and of nationalism who challenged Ottoman rule. Finally, they have been regarded in isolation rather than in their local contexts. Beyond these general critical interventions, it seems worthwhile to expand the usual cast of characters. Cultural brokership, after all, was not just restricted to trade and diplomacy. The literary public as well as education were important fields where members of minorities interacted with Europeans and Americans. Secondly, and in this very context, social status and gender must be brought within the fold. Female members of religious minorities, some of whom taught in missionary and other schools, were important cultural intermediaries, yet acted under conditions significantly different from those of their male peers. Often of lower social status than male cultural intermediaries with a minority background, they were less likely to enjoy the costly privilege of extraterritoriality. Both class and gender, therefore, made for differences impacting the agency of cultural intermediaries: differences in need of investigating.
This panel, therefore, addresses a number of questions. Which role(s) did members of minorities play in cultural contacts between Europe, America, and the Middle East?How did they avail themselves of the “jeuxd’identité”Marie-Carmen Smyrnelis observed in her study of nineteenth-century Izmir in these contacts? On which occasions did they assert hybrid identities? When, on the other hand, did they play the card of fixed identities? A closer look the biographies of members of minorities who acted as cultural intermediaries opens up the chance of rewriting the story of imperial encounters from its very foundations.More particularly, it invites scholars to rethink the oft-employed concept of hybridity. While this term is able to accommodate the multiple allegiances characterizing transcultural subjects in the Ottoman Empire, it suggests a degree of continuous intermixedness belied by the often shifting strategies employed by cultural intermediaries. Ultimately, this panel hopes to arrive at a more satisfying terminology apt to characterize the striking playfulness resorted to by members of minorities in cultural exchange; to develop a terminology beyond the comfortable vagueness of the hybrid without losing sight of the transgression of boundaries central to cultural brokership.
Crossing boundaries is not just the raison d’être of cultural intermediaries. It is also a necessity for historians analyzing their biographies. Other than in the US, the notion of historiography as the handmaiden of nation building has long shaped academic historiography, with transnational and global history being but recent developments. In Germany, as a consequence, Ottoman history has long been the subject of Arabic and Islamic studies exclusively. In an age of growing global entanglements, German historians ought to enter dialogue with area studies and other disciplines (and vice versa) dedicated to the study of the world beyond Europe, while area studies ought to intensify their dialogue with historians.
This panel, therefore, is both interdisciplinary and international in composition. From the vantage point of intercultural theology, Uta Zeuge (Berlin / Wien) investigates the influence of cultural brokership on the self-fashioning of male Christian members of the emerging middle stratum in Ottoman society. Christine Lindner (Beirut), historian by training, examines the agency of female members of religious minorities in interactions with Protestant missions in Mount Lebanon and Beirut. Julia Hauser (Göttingen), trained in history as well, takes a closer look at the local supporters of two foreign schools in late Ottoman Beirut, emphasizing the heterogeneity of cultural brokers’ social and religious profile.Christian Saßmannshausen, on the other hand, whose background is in Islamic studies/Ottoman history, sheds light on how privileged extraterritorial actors navigated between conflicting identities by drawing on the example of a Greek Orthodox notable family from Tripoli. While deeply embedded into local society, they acted as cultural brokers with transregional ties and mobile lifestyles. Nora Lafi, likewise an Ottomanist, examines how Jews in late Ottoman Tunis negotiated their identity between local roots and global changes. The panel starts with an introduction by the organizers. It is followed by five 20-minute presentations and 10-minute intervals for discussion. A concluding comment by Gudrun Krämer leads into the final discussion. The panel is scheduled for four hours.Since some panelists are less familiar with German, papers will be presented in English, while both English and German contributions are welcome in the ensuing discussion.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Julia Hauser / Christian Saßmannshausen
26SepFr
Gewinner und Verlierer in Medien der Selbstdarstellung. Bilder, Bauten, Inschriften, Leichenpredigten, Münzen, Medaillen und öffentliche Bekenntnisschriften im 16., 17. und frühen 18. Jahrhundert9:15 - 13:00 Ort: ZHG 004Sektionsleitung: Jörg Lampe
Event Details
JÖRG LAMPE (Göttingen) Einführung RUTH SLENCZKA (Berlin) Verlierer als Gewinner: Porträts als Medien der dynastischen Selbstdarstellung
Event Details
JÖRG LAMPE (Göttingen)
Einführung
SEBASTIAN SCHOLZ (Zürich)
Gewinner und Verlierer in öffentlichen Bekenntnisschriften
THOMAS KAUFMANN (Göttingen)
Moderation
Abstract:
Die Debatten um „Medialität“ und „Materialität“ von Schrift haben auf den besonderen Charakter von Quellen aufmerksam gemacht, die nicht aus dem Schriftgut von Verwaltungen oder Privatpersonen entstanden sind. Als „Medien der Selbstdarstellung“ ermöglichen es die in der Sektion behandelten Quellen, die Präsentation, Verarbeitung und Umdeutung von Erfolg und Niederlage in der Frühen Neuzeit aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick zu nehmen.
Wenn der Fortbestand, die politische oder ökonomische Bedeutung einer fürstlichen Familie gefährdet waren, stieg ihr Legitimations- und damit der Repräsentationsbedarf. Die Analyse von Ahnenporträts des 16. Jahrhunderts zeigt, wie in solchen Situationen das Verhältnis zwischen Gewinn und Verlust neu ausgelotet und umgedeutet wurde. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen ließ 1587 und 1590 in den Schlosskirchen von Schmalkalden bzw. Rotenburg an der Fulda längere Texte anbringen, mit denen er seine Vorstellung von der Überlegenheit der Reformation über den katholischen Glauben präsentierte. Politische Konflikte des 16. Jahrhunderts, in denen sich Fürsten und Adelige als Söldnerführer oder Finanziers betätigten, hatten Auswirkungen auf den Bau von Schlössern in Niedersachsen und dem Weserraum. Konflikte innerhalb dieser Gruppen wurden gleichzeitig auf symbolischer Ebene ausgetragen, was Spuren in repräsentativen Raumausstattungen oder in wehrhaften Elementen des Schlossbaus hinterließ. Münzen und Medaillen, die in Schweden und Dänemark im 17. Jahrhundert zum Schlachtengedenken geprägt wurden, zeigen, wie das Geschehen durch Überhöhung oder Umdeutung der Ereignisse intellektuell und künstlerisch verarbeitet wurde.
Zeitgenössische Maßstäbe dafür, was „Gewinner“ im Adel und Bürgertum ausmachte, lassen sich aus zwischen 1550 und 1650 entstandenen Grabinschriften ablesen, die außergewöhnliche Erfolge der Verstorbenen den Zeitgenossen und der Nachwelt präsentierten. Noch bemerkenswerter ist, wie Grab- und Bauinschriften den Lesern Niederlagen und Verluste vermitteln. Autobiographisch geprägte Lebensläufe, die in Leichenpredigten aus den Jahrzehnten um 1700 enthalten sind, machen deutlich, wie Menschen in der Frühen Neuzeit mit Verlusterfahrungen umgingen, seien sie persönlich-familiär verursacht oder durch den Einbruch historischer Geschehnisse in ihre Lebenswelten.
English Version:
The debates on “mediality” and “materiality” of writing have drawn our attention to the special character of those sources that did not derive from administration or individuals. In this section the contributors look at sources of this kind as “media of self-reflection”. From different points of view they want to give an insight into the presentation and interpretation of success and failure in the early modern age.
If a princely family was in danger of losing political or economic power or even its existence the need of legitimation and representation was rising. The analysis of ancestral portraits of the 16th century shows how in such situations profit and loss were newly defined. In 1587 and 1590 Landgrave Wilhelm of Hesse had long texts installed in the churches of his castles in Schmalkalden and Rotenburg an der Fulda in which he depicts his idea of the superiority of the reformation over the Catholic faith. In the 16th century noblemen were engaged in political conflicts as mercenary leaders or financial sponsors which effected the building of castles in Lower Saxony and the Weser area. At the same time conflicts among those groups of noblemen were solved symbolically and left traces in the representative interior decor as well as in the fortification of castles. In Sweden and Denmark coins and medals were minted in memory of battles in the 17th century. They show the way actions were interpreted intellectually and artistically.
Several epitaphs dating from 1550 to 1650 present the extraordinary success of the deceased and thus show us the criteria for winners and losers at that time. It is even more remarkable in which way the inscriptions on gravestones and buildings represent people’s failure and losses. Funeral sermons from the decades about 1700 show how people had to cope with the experiences of loss either caused by personal circumstances or historical events.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Jörg Lampe
26SepFr
Kinder des Krieges als Mittler zwischen Verlierern und Gewinnern in europäischen Nachkriegsgesellschaften 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 001Sektionsleitung: Lu Seegers
Event Details
LU SEEGERS (Hamburg) Vaterlose Kriegswaisen in der Bundesrepublik und in der DDR
Event Details
LU SEEGERS (Hamburg)
Vaterlose Kriegswaisen in der Bundesrepublik und in der DDR
SILKE SATJUKOW (Magdeburg)
„Besatzungskinder“ in beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften
JEAN-PAUL PICAPER (Strasbourg)
„Kinder der Schande“ in Frankreich
MAREN RÖGER (Warschau)
„Wehrmachtskinder“ in Polen
LUTZ NIETHAMMER (Jena)
Moderation und Kommentar
Abstract:
Sieg und Niederlage lagen im Zweiten Weltkrieg dicht beieinander. Nach Jahren der Unterwerfung fremder Völker war Deutschland 1945 militärisch und moralisch besiegt. Millionen alliierter Soldaten trafen nun auf eine schuldbeladene wie angsterfüllte Zivilbevölkerung. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges beschäftigen die europäischen Gesellschaften bis heute, wobei generationsgeschichtliche Paradigmen in den letzten Jahren vermehrt auf geteilte Erfahrungen von Alterskohorten verwiesen haben. Der Begriff „Kriegskinder“ wurde gebräuchlich und flankierte im medienöffentlichen wie im wissenschaftlichen Diskurs zumeist eine Opfererzählung. Die vorliegende Sektion möchte diese Engführung aufbrechen, indem sie diese Kinder in beiden deutschen Nachkriegsstaaten, in Frankreich und in Polen nicht nur als Opfer begreift, sondern auch als Mittler zwischen Gewinnern und Verlierern und als Wegbereiter von gesellschaftlichen Liberalisierungsprozessen.
Die Erforschung dieser „zwischen den Mächten“ stehenden Gruppen der Kriegskinder konturiert eine Sozial- und Mentalitätsgeschichte von europäischen Nachkriegs-gesellschaften:
1.) Kriegswaisen: Allein in Deutschland hinterließen die mehr als fünf Millionen gefallenen Soldaten rund 2,5 Millionen Halbwaisen und rund 100.000 Vollwaisen. Ihre Väter waren von abwesenden Kriegshelden zu Kriegstoten geworden oder blieben dauerhaft vermisst.
2.) Besatzungs- und Wehrmachtskinder: Im Zweiten Weltkrieg drangen Millionen von Soldaten verschiedener Nationen gewaltsam in die Territorien des Feindes ein. Zwischen Gewinnern und Verlierern, zwischen fremden Soldaten und einheimischen Frauen kam es infolgedessen zu erzwungenen und zu freiwilligen sexuellen Kontakten. Allein in den besetzten Gebieten Frankreichs, Polens und später Deutschlands wurden mehrere Hunderttausend Kinder geboren.
Gemeinsam ist den diskutierten Kindergruppen die Fragilität ihrer Erzeuger: Kriegswaisen erinnerten die Gesellschaft an die militärische Niederlage, Besatzungskinder erinnerten an Transgressionen von patriotischen Werten und geschlechterabhängig definierten Sexualnormen. Durch ihre bloße Anwesenheit riefen die Kinder die Niederlage ihrer Väter (Kriegswaisen) oder das vermeintliche Fehlverhalten ihrer leiblichen Eltern (Besatzungskinder/Wehrmachtskinder) in Erinnerung. Sie wirkten als schmerzliche Stachel der Nachkriegsgemeinschaften und waren vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt. So galten Kriegswaisen zwar als anerkannte „Schicksalsgruppe“, zugleich waren sie mit nachhaltig wirkenden negativen Zuschreibungen konfrontiert, wie PD Dr. Lu Seegers in ihrem Vortrag über vaterlose Halbwaisen in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften erläutert. Insbesondere vaterlose Jungen galten als schwer erziehbar. Vielfach fühlten sich Mädchen und Jungen insbesondere in Westdeutschland materiell und in der Schule benachteiligt, im Verwandten- und Bekanntenkreis argwöhnisch beobachtet und kontrolliert.
Noch ungleich stärkere Wirkung entfalteten gesellschaftliche Stigmatisierungen jedoch bei Kindern, deren Väter früher „Feinde“ gewesen waren. Während die Erzeuger alsbald in ihre Heimat zurückkehrten, verblieben die Kinder mitsamt ihren Müttern in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen im Geburtsland. Hinzu kamen psychische und sozialpsychische Ächtungen, auf die Prof. Dr. Silke Satjukow am Beispiel der Kinder von alliierten Besatzungssoldaten in Deutschland eingeht, während Dr. Maren Röger und der Politikwissenschaftler Jean-Paul Picaper die Situation von Kinder deutscher Wehrmachtssoldaten in Polen und in Frankreich behandeln. Die Vorträge der Sektion verweisen auf die Bedeutung einer europäisch vergleichenden und interdisziplinären Erforschung dieser vielfältigen Erfahrungs- und Erwartungsgeschichten, die bis heute aussteht.
Die Kindheit ohne Vater zeitigt bei den Betroffenen bis zur Gegenwart tiefgreifende und nachhaltige Auswirkungen, wie die Referate zeigen. In vielen „Halbfamilien“ wurde der verstorbene Soldatenvater ikonisiert und idealisiert. Dies steigerte bei den vaterlosen Kriegswaisen wie bei den Besatzungs- und Wehrmachtskindern das Gefühl, ihre Identität sei unvollständig, nur „halb“. Ihr Leben stand demgemäß unter den Auspizien eines fortwährenden Verlustes und permanenten Bemühens, diesen zu kompensieren.
Es wäre deshalb zu kurz gegriffen, vaterlose Halbwaisen und Besatzungskinder als Kriegsopfer und damit als Verlierer des Krieges zu charakterisieren. Ihre sozial- und gesellschaftsgeschichtliche Bedeutung erschöpft sich für uns nicht in der Dokumentation und Differenzierung der Modi ihrer Ausgrenzung. Ihre Geschichte eröffnet vielmehr eine weitere, für das Nachkriegseuropa wichtige Dimension: Die Anwesenheit der Kinder, der Umgang mit ihnen, bedeutete auch einen mittelbaren und oftmals sogar unmittelbaren Umgang mit dem „Anderen“, mit dem Fremden und mit der eigenen Vergangenheit – und das beileibe nicht nur für die Frauen und Mütter, sondern für zahlreiche Gruppen von Akteuren: für Nachbarn und Kollegen, für Sozialbeamte und Bürgermeister, für Ärzte und Lehrer, um nur einige zu nennen. Über diese Kinder kamen bis dahin undenkbare Kommunikationen zustande, diese Kinder setzten ungeahnte kulturelle Transfers in Gang. Sie avancierten zu Mittlern eines im und nach dem Krieg paradoxerweise neu entstehenden Kommunikations- und Kulturraums, mehr noch: Sie gerieten ungewollt zu Katalysatoren vielfacher Kompromissbildungen zwischen den Gewinnern und Verlierern des Zweiten Weltkrieges.
Mit Fortschreiten ihrer Biographien und infolge der Liberalisierungstendenzen der Nachkriegsjahrzehnte eröffneten sich den Kriegswaisen und den Besatzungskindern Möglichkeiten, ihr Stigma und ihr Anderssein zu einer Kompetenz und zu einem Gewinn
umzumünzen. Über sie liefen nolens volens zukunftsweisende Aushandlungsprozesse, die mit gesellschaftlichen Lernprozessen verbunden waren. – auch wenn ihr Beitrag zu diesem „Laboratorium der Liberalisierung“ stets mit hohen eigenen psychischen Kosten verbunden waren.
Die zentrale Fragestellung des Panels ist es, im synoptischen mitteleuropäischen Vergleich erstmals
* herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen genau die deutschen Wehrmachtskinder in Frankreich und Polen, sowie die Kriegswaisen und die alliierten Besatzungskinder in West- und Ostdeutschland aufwuchsen,
* die Haltungen und Einstellungen der vier Nachkriegsgesellschaften zu diesen besonderen Kindern herauszudestillieren. Lassen sich gesellschaftliche Wandlungs- und Entwicklungsprozesse im Umgang mit den Kindern feststellen – und wenn ja, unter welchen Umständen und mit welchen sozialen und politischen Auswirkungen?
* Die Potentiale und Grenzen einer kinderzentrierten Geschichtsschreibung zu erörtern.
English Version:
Victory and defeat laid so close to one another in the Second World War. After years of subjugating foreign peoples, Germany in 1945 was militarily and morally defeated. Millions of allied soldiers now encountered a frightfully fearful civilian population. The overall aftermath of the Second World War has occupied European societies up to the present day, and yet having said that, the paradigms of generational history in more recent years have pointed more and more to separate experiences for the different age groups. The concept of ‘war children’ came into use. In public media as well as in academic discourse it flanked (for the most part) a narrative about victims. However, the section proposed here would like to break open this narrowed view in that it would understand these children (in the two post-war German states, as well as in France and Poland) not solely as victims, but also as mediators between the winners and losers, and as preparing the way for processes of social liberalization.
Viewed this way, the primary focus will be on the war orphans in Germany, as well as on “occupation children” in Germany (fathered by the allied soldiers), and the “occupation children” in France, and Poland (fathered by German soldiers, also known as Wehrmachtskinder). The children’s mere presence brought to mind the defeat of their fathers (the war orphans) or the supposed misconduct of their birth parents. They had the effect of being painful barbs for the post-war societies and they were subjected to various forms of discrimination. On the other hand, what came about through the presence of these children were pathways of communication which prior that point would have been inconceivable: these children set into motion unforeseen cultural transfers. Paradoxically, the children developed into mediators of a newly emerging communication and cultural space both during and after the war. Even more than that: they unintendedly turned into catalysts for manifold compromises between the winners and losers of the Second World War.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Lu Seegers
26SepFr
„Gewinner” in der Kritik. „Verlierer” ernten Lob. Jenseits der Panegyrik des „guten Herrschers” in der hochmittelalterlichen Chronistik9:15 - 13:00 Ort: ZHG 002Sektionsleitung: Grischa Vercamer
Event Details
HANS-WERNER GOETZ (Hamburg) Einleitung und Moderation
Event Details
HANS-WERNER GOETZ (Hamburg)
Einleitung und Moderation
Abstract:
‚Gewinner’ werden gerne von Historiographen und Chronisten gelobt und besungen. Positives zu sagen kostet nicht viel und bringt im Zweifelsfall Meriten in Form von Auszeichnungen oder Ämtern ein. Otto von Freising schreibt aus seiner hochmittelalterlichen Sicht: „Die Absicht aller, die vor uns Geschichte geschrieben haben, war es, so meine ich, die glänzenden Taten tapferer Männer zu preisen um die Menschen zur Tatkraft anzuspornen, die verborgenen Handlungen der Feiglinge dagegen entweder zu verschweigen, oder, wenn sie ans Licht gezogen werden, nur zu erwähnen, um die gleichen Sterblichen abzuschrecken.“ Die Einteilung in ‚good guys’ und ‚bad guys’ wird hier mehr als augenfällig. – Die Welt ist klar kategorisiert und die Vergangenheit dient als ‚Steinbruch vorbildlichen oder schimpflichen Verhaltens’. Zwischentöne sind nicht erwünscht. – Jedoch gibt es sie doch: Versteckt und nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennbar konstruieren Historiographen ein vielleicht auch etwas menschlicheres Bild, wo der gute Herrscher (meist dem Gewinner gleichzusetzen) eben auch hier und da Makel aufweist. Die Kritik am ‚Gewinnertyp’/ am ’guten Herrscher’, der noch lebte oder dessen unmittelbaren Nachfahren mittlerweile an der Macht waren, stellte für die Autoren aber seit jeher ein heikles Unterfangen dar. Ein Herrscher konnte zwar ein glänzender Feldherr sein, aber als Verwalter seines Landes total versagen. Wie wird damit von Seiten der Chronisten umgegangen? Das gleiche gilt ebenfalls für den ‚Verlierertyp’, der aber auch manchmal richtige Entscheidungen traf oder auch mal eine Schlacht gewann usw. Hier will die Sektion ein möglichst homogenes Bild zeichnen, indem Leitfragen formuliert wurden, die jeder Referent für seinen Herrschaftsraum aufnimmt: Zugrunde gelegt wird das Bild eines/zweier Herrscher (‚Gewinner’/’Verlierer’) eines oder zweier bestimmten Autoren für einen bestimmten Herrschaftsraum im Hochmittelalter. Unterscheidet sich dieses grundlegend von anderen Autoren der Zeit? Wie wird hier Kritik geäußert (versteckt, verklausuliert beispielsweise durch eine direkte Rede oder das Zitieren einer Urkunde – offen, beispielsweise durch die explizite Meinungsäußerung des Autoren)? Welche Version des Herrscherbildes wird in späteren Chroniken übernommen? Welche Konsequenzen (äußerst spekulativ) hatte die Kritikäußerung für den Autoren und wieweit spielte dessen gesellschaftliches Standing bei der Äußerung der Kritik eine Rolle (einem Hochadeligen wie Otto von Freising konnte sich in dieser Hinsicht sicherlich mehr leisten als sein Nachfolger Rahewin)? Schließlich: Wie wird mit der individuellen Kritik eines mittelalterlichen Autoren von der modernen Forschung umgegangen? Wie sehr wird hier die Intention des mittelalterlichen Autoren vom modernen Autoren reflektiert? Würde es – das schon als übergeordneter Diskussionspunkt – Sinn machen, eine Systematisierung/einen Katalog herauszuarbeiten, wie mit einer von der communis opinio abweichenden kritischen Haltung über bestimmte mittelalterliche Herrscher von einzelnen zeitgenössischen Autoren umzugehen ist? Die Frage nach der causa scribendi muss nicht immer mit Zweckgebundenheit beantwortet werden, z.B. recht platt: durch die geäußerte Kritik erhoffte sich der Autor einen Vorteil für sein Kloster. Es könnte doch auch sein, dass sich der Autor dem Wahrheitspostulat expressis verbis verpflichtet fühlte. So schreibt Adalbold von Utrecht, zugleich Biograph von Heinrich II.: „In der Geschichtsschreibung ist zweierlei zu beachten, dass der Autor sich in seinem Bericht an die Wahrheit hält und der Leser aus der Lektüre Nutzen zieht.“ Vielleicht unterstellt daher die moderne Mediävistik allzu oft ein Zweckgebundenheit des Chronisten, die aber bei der Komplexität eines normalen und ‚menschlichen’ (Herrscher-) Charakters, der auch von unterschiedlichen Beobachtern unterschiedlich gedeutet werden kann, nicht immer notwendigerweise gegeben sein muss: Vielleicht versuchte ein gegebener Chronist einen bestimmten Vorteil/Nachteil eines Herrschers doch relativ wirklichkeitsgetreu widerzugeben. Gerade die systematische Untersuchung des Kontrastes verspricht interessante Einblicke zu geben.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Grischa Vercamer
26SepFr
Aus der Niederlage lernen? Archivische Überlieferungsbildung, Sammlungsaktivitäten und Erinnerungskultur in der Weimarer Republik9:15 - 13:00 Ort: ZHG 104Sektionsleitung: Robert Kretzschmar
Event Details
WOLFGANG ZIMMERMANN (Heidelberg) Einführung und Moderation ROBERT KRETZSCHMAR (Stuttgart/Tübingen) Obsolete [...]
Event Details
WOLFGANG ZIMMERMANN (Heidelberg)
Einführung und Moderation
MICHAEL HOLLMANN (Koblenz)
Der Erste Weltkrieg und die Gründung des Reichsarchivs
Abstract:
Der Erste Weltkrieg ist als tiefer Einschnitt in der Überlieferungsbildung zu sehen. Nicht zuletzt unter dem Druck, umfangreiche Bestände an obsolet gewordenen Akten zu übernehmen, setzte in der Weimarer Republik eine vertiefte Diskussion in den Archiven ein, welche Unterlagen bewahrt und welche vernichtet werden sollen. Zugleich wurden in vielfacher Weise so genannte „Zeitgeschichtliche Sammlungen“ angelegt, in denen z.B. Maueranschläge, Fotografien und Feldpostbriefe gesammelt wurden. Vergleichbare Entwicklungen vollzogen sich im musealen Bereich. In der Sektion sollen die Aktivitäten zur Sicherung und Bildung von Überlieferung kontextualisiert werden. Welche Ziele standen dahinter? In welchem Maße waren Praktiken und Theoriebildungen der Archive und Museen von dem Bemühen geprägt, bestimmte Konstrukte für die Sicht auf den Ersten Weltkrieg und die Erinnerung daran bereit zu stellen? Welche Überlieferung ist im Ergebnis entstanden? Was ist im Umgang damit quellenkritisch aus heutiger Sicht zu beachten? Und wie können die Bestände heute für Digital Humanities aufbereitet werden?
Diesen Leitfragen soll in Referaten und einer Abschlussdiskussion nachgegangen werden. Ziel der Sektion ist eine ideologiekritische Analyse ideologiegesättigter Überlieferungsbildungen.
Die Sektion ist vernetzt mit einem Panel auf der Jahrestagung der German Studies Association, die vom 18. bis 21. September 2014 in Kansas City, Missoury, unter der Leitung von Rainer Hering stattfinden wird. Das Panel wird in weiteren Beiträgen das Verhältnis von Politik und Archivwesen im Kontext des Ersten Weltkrieges thematisieren. Es ist vorgesehen, dass Rainer Hering in Kansas City auf der Grundlage der Abstracts über die Sektion auf dem Historikertag berichten und vice versa in der Sektion auf dem Historikertag über die Ergebnisse des Panels.
English Version:
World War One marked a deep cut for archival transmission. A large amount of files had to be categorized after 1918. Therefore an intense discussion came on the relevance of files. It focused on the question: Which ones should be kept? On the other hand several archives started to build up large collections on contemporary history, e.g. photos, posters, and letters written during the war.
This panel analyzes these activities in its historical context. What were the aims and ambitions of the archivists at that time? Had there been an interest in creating a special view to affect the memory of World War One? What was the result of the archival transmission? How do we value it today? And how could these collections and files been used for the Digital Humanities?
This panel is linked to a panel on the annual conference of the German Studies Association in Kansas City/Missouri, USA, moderated by Rainer Hering who will represent the results in Göttingen.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Robert Kretzschmar
26SepFr
Die letzten Generalsekretäre9:15 - 13:00 Ort: ZHG 007Sektionsleitung: Martin Sabrow / Susanne Schattenberg
Event Details
SUSANNE SCHATTENBERG (Bremen) Leonid Il’ic Brežnev (1964 – 1982) MICHAL PULLMANN (Prag) Gustáv Husák (1969 – 1987)
Event Details
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Martin Sabrow / Susanne Schattenberg
26SepFr
Migrantenschicksale im mittelalterlichen Jahrtausend. Gewinner und Verlierer in Prozessen kulturellen Wandels9:15 - 13:00 Ort: ZHG 006Sektionsleitung: Michael Borgolte
Event Details
MICHAEL BORGOLTE (Berlin) Einführung ANNETTE SCHMIEDCHEN (Halle/Berlin) Brahmanische Wanderungsbewegungen im mittelalterlichen Indien
Event Details
MICHAEL BORGOLTE (Berlin)
Einführung
ANNETTE SCHMIEDCHEN (Halle/Berlin)
Brahmanische Wanderungsbewegungen im mittelalterlichen Indien
TILLMANN LOHSE (Berlin)
Christliche Missionare als Migranten
JENNY RAHEL OESTERLE (Bochum)
Schutzgewähr in Phasen religiöser und politischer Expansion
Abstract:
Im Unterschied zu herkömmlichen Migrationsstudien sollen weniger Massenwanderungen als die Verlagerungen des Lebensmittelpunktes durch Einzelne oder kleinere Gruppen thematisiert werden. Gefragt wird danach, ob und wann die Integration von Fremden „erfolgreich“ war, mit welchen kulturellen Importen sie die neue Mehrheitsgesellschaft verändern konnten, was von ihren Eigenheiten verloren ging und ob sich Rückwirkungen der neuen Umgebung auf die eigene Kultur, auch in der alten Heimat, feststellen lassen. Die Vorträge sollen auch als Beitrag zum Streit über die Genese von „Kultur“ zwischen Isolationisten, Diffusionisten und Migrationisten verstanden werden. Deshalb wird nicht zuletzt darauf geachtet, was die persönliche Präsenz des (einzelnen) fremden Zuwanderers an nicht intendierten kulturellen Effekten mit sich gebracht hat.
Die „Mittelalterliche Geschichte“ wandelt sich in der Gegenwart von einer Disziplin zur Erforschung der lateineuropäischen Welt von ca. 500–1500 zu einer historischen Wissenschaft, die im globalen Rahmen nach transkulturellen Verflechtungen fragt und sich im interkulturellen Vergleich Einsichten nicht-katholischer Gesellschaften auch außerhalb von Europa zunutze macht. Deshalb beteiligen sich an der Sektion neben Mediävisten auch Vertreter_innen scheinbar entlegener Fächer. In Beiträgen der Indologie und der Sinologie werden Wanderungen von Brahmanen und buddhistischer Mönche in Süd- und Ostasien behandelt; aufgezeigt werden neben religiösen wirtschaftliche und politische Interessen, konkurrierende Rechts- und Gesellschaftsvorstellungen. Für die kulturelle Wirkung von Mönchsmissionaren bei der Christianisierung des Abendlandes bieten Begriffe und Modelle der Migrationsgeschichte, wie der Mediävist demonstriert, ein vielversprechendes Instrumentarium. Der Islamwissenschaftler vergleicht die Interaktionen zwischen alteingesessener Bevölkerung und Neuankömmlingen bei germanischen und arabisch-muslimischen Ansiedlungsprozessen in der Zeit der sogenannten Völkerwanderung. Die islamische Expansion vom Mediterraneum bis Zentralasien wird im zweiten mediävistischen Referat behandelt. Der Judaist weist wirtschaftliche Motive für die jüdische Migranten nach Italien und Polen im späten Mittelalter nach.
English Version:
In contrast to conventional migration studies the focus will not be on mass migration but the immigration by individuals or smaller groups. The question will be if and when the integration of foreigners was “successful”, which cultural imports had an impact on the new majority society, what of their cultural identity was lost and did the new environment affect the culture in their native country. The lectures are also to be understood as a contribution on the controversy of cultural genesis among isolationists, diffusionists and migrationists. Hence the unintended cultural effect caused by the personal presence of the individual immigrant shall be taken into account.
The discipline of “medieval history” used to study the world of Latin Europe from 500 – 1500 A.D. and is currently becoming a historical science which is looking for transcultural interrelations around the world. These insights of non-Catholic societies, inside and outside of Europe, are used for intercultural comparison. Therefore not only medievalists but also representatives of apparently remote fields of study are part of this section. The contributions of Indology and Sinology will deal with migrations of Brahmins and Buddhist monks in Southeast Asia; alongside religious and economic interests competing ideas of law and society will be revealed. The medievalist will demonstrate that terms and models of migration history are promising instruments to explain the cultural effect caused by the missionary activity of monks during the Christianization of the Occident. The discourse on Islamic studies will compare the interaction between locals and foreigners regarding the process of settlement by Germanic peoples and Arab Muslims during the so-called “Völkerwanderung”. The Muslim expansion from the Mediterranean to Central Asia will be the topic of the second medieval lecture. The talk with respect to Jewish studies will show economic motives for Jewish migration to Italy and Poland in the late Middle Ages.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Michael Borgolte
26SepFr
Einer wird gewinnen? Kooperation und Konkurrenz in den Wissenschaften11:00 - 13:00 Ort: ZHG 010Sektionsleitung: Kärin Nickelsen / Margit Szöllösi-Janze
Event Details
KÄRIN NICKELSEN (München) und MARGIT SZÖLLÖSI-JANZE (München) Moderation CASPAR HIRSCHI (St.Gallen) KATHARINA LANDFESTER (Mainz) SABINE MAASEN (München) BÉNÉDICTE SAVOY (Berlin) Abstract: Wer „gewinnt“ eigentlich [...]
Event Details
KÄRIN NICKELSEN (München) und MARGIT SZÖLLÖSI-JANZE (München)
Moderation
Abstract:
Wer „gewinnt“ eigentlich in der Wissenschaft? Und gewinnt dann immer „einer“ – und alle anderen „verlieren“? Die Dynamik der modernen Wissenschaften wird verbreitet auf den Antrieb durch Konkurrenz zurückgeführt (während sie andererseits dem Paradox unterliegt, dass die konkurrierende Auseinandersetzung eine Einbindung der Akteure in kooperative Strukturen erfordert). Aber ist dieses Konzept angemessen, wenn man einmal über den Horizont deutscher Exzellenzinitiativen hinausdenkt? Folgt Wissenschaft – verstanden als Institution, soziales System und kulturelle Praxis – den Spielregeln eines Wettbewerbs mit Gewinnern und Verlierern?
Dieses Spannungsfeld von Kooperation und Konkurrenz in der Wissenschaft steht im Zentrum dieser Sektion. Sie möchte in historischer Perspektive prüfen, ob und wie im gesellschaftlichen Feld „Wissenschaft“ Akteure trotz gemeinhin unterstellter Wettbewerbssituation kooperierten und wie sie mit dem inhärenten Konfliktpotential umgingen. Wie viel Kooperation findet sich in den Wissenschaften – und wie viel Konkurrenz? Welcher Handlungsmodus ist unter welchen Umständen dominant, und wann schlägt der eine in den anderen um? Wie reagieren die Wissenschaften auf veränderte Rahmenbedingungen: Diktaturen, (Kalter) Krieg, Agenda-Setting? Ziel der Sektion ist es, diese Prozesse in verschiedenen Kontexten zu identifizieren, in ihrer Dynamik zu beschreiben und die zugrunde liegenden Konventionen zu verstehen. Dabei stellt die Historizität von Konkurrenz als Handlungsmodus eine conditio sine qua non dar, denn Kooperation und Konkurrenz dürfen keinesfalls essentialistisch aufgefasst werden.
Um die gemeinsame Diskussion zu fördern, die auch die Zuhörer/innen der Sektion einbezieht, sind keine hintereinander geschalteten Vorträge vorgesehen, sondern ein Round Table-Gespräch mit vier Expert/innen, die sich aus den unterschiedlichen Perspektiven ihrer Forschungsfelder mit dem Spannungsverhältnis von Kooperation und Konkurrenz in der Wissenschaft befassen.
English Version:
Are there “winners“ and “losers” in the sciences? [„Sciences“ is to be read in the broad sense of the German „Wissenschaften“.] Does a single person win, while all the others lose? Competition between scientists is often portrayed as the single most important dynamic factor defining the modern sciences. But paradoxically, even fierce competition usually hinges on scientists being embedded in collaborative structures that enable them to attain their specific goals. How germane, then, is the concept of competition when understanding the sciences, if we look beyond the familiar pressures of German “excellence initiatives”? Does science—understood as institutions, social systems, and cultural practices—follow the rules of outright competition? Are there really losers, are there true winners?
This session is devoted to the dialectics of collaboration and competition in the natural and social sciences. Looking at the history, how did scientists collaborate despite apparent competition, and how did they cope with potential conflicts with fellow scientists arising from their work? How much collaboration is there in the sciences—and how much competition? Which mode of operation is dominant, and under which circumstances? When does collaboration turn into fierce competition? How did the sciences react to changing boundary conditions: dictatorship, war, political agendas? The goal of this session is to describe such processes in different historical contexts, to analyze their dynamics, and to understand the norms and conventions upon which they are ultimately based. The notions of “collaboration” and “competition” cannot be conceived of as immutable, essentialist categories. Rather, they need to be thoroughly historicized, as their mutability is a sine qua non for understanding the dynamics of their conflicting roles in the sciences.
In order to foster a broad discussion of the topic among the speakers and the audience, the session will not consist of a series of talks, rather it will be structured as a round-table discussion involving four experts, whose work addresses the question of collaboration and competition in the sciences from various different perspectives.
Uhrzeit:
(Freitag) 11:00 - 13:00
Sektionsleitung
Kärin Nickelsen / Margit Szöllösi-Janze
26SepFr
„Gewinner oder Verlierer?“. Das historische Urteil im Geschichtsunterricht als Qualitätsmerkmal und Desiderat15:15 - 18:00 Ort: ZHG 006Sektionsleitung: Johannes Heinßen / Müller Hans-Joachim
Event Details
JOHANNES HEINSSEN (Stade) Einführung: Das historische Urteil im Geschichtsunterricht zwischen Theorie und [...]
Event Details
ELKE LANGENDORF (Verden (Aller))
Historische Sinnbildung und der Sinn des Geschichtsunterrichts
Abstract:
Kompetenzorientierter Geschichtsunterricht heißt Geschichte als „Denkfach“ zu unterrichten – ein hoher Anspruch, der längst in der Welt war, bevor die Kompetenzorientierung in die Welt gesetzt wurde. Dennoch ist er in der Breite bislang nur unzureichend umgesetzt, wie die Beobachtung von Unterricht in der zweiten Phase der Ausbildung, aber auch bei bereits ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern zeigt. Anscheinend stellt das Unterrichtsfach Geschichte hohe Anforderungen an die Unterrichtenden; seine Didaktik, das zeigen subjektive Erfahrungen der Auszubildenden, aber auch die Ergebnisse der Examina der zweiten Phase, ist eine der schwierigsten des Fächerkanons.
Kompetentes Geschichtslehren, so ließen sich die hohen Ansprüche aus der Sicht der Unterrichtenden formulieren, erfordert breite Orientierung im Fachwissen, die Fähigkeit zur didaktischen (Re-)Konstruktion, eine umfassende kategoriale Bildung und die wache, politisch interessierte Zeitgenossenschaft auf der Suche nach Gegenwartsbezügen. Alle zusammen stellen das Potenzial zur kritischen Überprüfung und Reflexion von historischen Sachverhalten bereit. Perspektivität (Multiperspektivität, Kontro¬ver¬sität und Pluralität) ist ein wichtiges Basiskonzept des historischen Urteilens.
Was sind historische Urteile? Wie sind sie aufgebaut? Wie kann man sie schulen? Welche Rahmenbedingungen erfordert der Erwerb von Urteilskompetenz? Welche Kriterien bieten sich für das historische Urteil im Geschichtsunterricht an?
Die geplante Sektion unternimmt den Versuch, das Feld des historischen Urteils zu analysieren und daraus Folgerungen für die Unterrichtspraxis abzuleiten. Es ist beabsichtigt, die Brücke zwischen den Einsichten universitärer Geschichtsdidaktik und der Praxis der Schulen und Studienseminare zu schlagen, weshalb Referentinnen und Referenten aus beiden Bereichen die Sektion bestreiten werden. Zugleich sollen Brückenschläge zur Urteilsbildung in den Nachbarfächern geschlagen werden.
English Version:
German history lessons and didactics traditionally aim at the ability to judge and reflect as main operations and competences to be achieved by pupils and students. Although claimed unanimously, experience often reveals severe problems in structuring learning processes that fulfil this ambition. These operations apparently set a demanding task for the teacher as they require a broad knowledge of historical facts as well as political interest and attentiveness to social and cultural problems relevant to the present.
This section will revisit the topic by reflecting on theoretical and practical approaches throwing a light on premises, processes of reconstruction and deconstruction, the role of historical narrativity and the question of historical meaning. Examples of teaching practices will be given.
The lectures will represent historical didactics research at university as well as teacher training at grammar schools during the second (practical) phase of teacher education in Germany.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Johannes Heinßen / Müller Hans-Joachim
26SepFr
AND THE WINNER TAKES IT ALL? Gewinnen und Verlieren an den europäischen Höfen des Mittelalters 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 004Sektionsleitung: Christoph Mauntel / Sebastian Zanke
Event Details
CHRISTOPH MAUNTEL (Heidelberg) und SEBASTIAN ZANKE (München/Speyer) Gewinnen und Verlieren am Hof – eine Einführung
Event Details
KLAUS OSCHEMA (Heidelberg)
Freund oder Favorit: Strategien zur Gewinnung und Sicherung von Gunst
SEBASTIAN ZANKE (München/Speyer)
Herrschaft und Krise: Die Dynamik (in) der Beziehung
Abstract:
Mittelalterliche Höfe waren komplexe soziale Gebilde, die aus fragilen Beziehungsnetzwerken bestanden und einem besonderen Reglement unterworfen waren. Dabei war das Miteinander der Höflinge zumeist auf die Person des Fürsten und seinen Zuspruch ausgerichtet. Doch ‚Gunst’ war ein beschränktes Gut und die Konkurrenz hierum konnte sich auf das gesamte Hofgefüge auswirken. Wo ‚Gewinner’ emporstiegen, fanden sich alsbald auch ‚Verlierer’ wieder, der Zuwendung des Herrschers und einer Position in seiner Nähe entzogen. Mit unserem Panel möchten wir die Dynamiken und Mechanismen in den Blick nehmen, die bei der Rivalität um Gunst und Patronage am mittelalterlichen Hof zum Tragen kamen und über Erfolg und Misserfolg am Hof (mit)entschieden.
Hierbei scheint die Frage nach den ‚Favoriten’ bedeutsam, also Höflinge, die sich der besonderen Zuwendung des Herrschers erfreuten und deren Karriere auf der entsprechenden Zuweisung von Privilegien, Ämtern und anderen Gunsterweisen beruhte. Doch steiler Aufstieg und tiefer Fall lagen in der höfischen Welt nahe beieinander und so wurden manche Favoriten aufgrund ihres (tatsächlichen oder zugeschriebenen) Einflusses häufig für politische Krisen verantwortlich gemacht und stellvertretend für den Herrscher zur Rechenschaft gezogen. Aus erfolgreichen Höflinge wurden so im höfischen Diskurs ‚Günstlinge‘. Hier ist die Frage der Zuschreibung von wesentlicher Relevanz: Machte die besondere Gunst, der Sturz oder schlicht die äußere Charakterisierung den Günstling aus? War sein Sturz zwangsläufig und damit der nicht stürzende (unerkannte) Favorit letztlich der eigentliche Gewinner am Hof?
Mit diesen Gedanken folgt die Sektion dem Motto des Historikertags und fragt gleichermaßen nach ‚Gewinnern’ und ‚Verlierern’ an mittelalterlichen Höfen. Hierbei erfolgt der Zugriff nicht über die Günstlinge selbst, sondern über den Begriff der Gunst. Aus vier spezifischen Perspektiven wird gefragt, wie das Konzept der ‚Gunst‘ in der Theorie ausdifferenziert werden kann und wie es in der Praxis funktionierte, welche alternativen Interpretationsmuster (Vertrauen/Freundschaft) denkbar sind, welche Handlungsspielräume sich durch Gunstverteilung ergaben oder durch Gunstentzug verschlossen und wie diese Mechanismen durch andere Hofparteien oder die Dynamik historischer Entwicklungen beeinflusst wurden.
English Version:
The panel discusses the phenomen of favouritism at medieval European courts by focusing on the concept of ‘favour’. This topic will be approached in four perspectives: the concept of ‘favour’ granted or withdrawn by the ruler, courtiers’ strategies for gaining benefits, the rivalries between different courtly groups and the influence of historical developments on the rise and fall of favourites. On a methodological level, traditional interpretations and the importance of underlying structures, like social networks and unwritten rules, will be reconsidered and concepts of friendship and trust discussed in order to gain new insights into a basic phenomenon of socio-cultural history.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Christoph Mauntel / Sebastian Zanke
26SepFr
Erster Weltkrieg digital. Perspektiven der transnationalen Forschung und Vernetzung in den Geschichtswissenschaften15:15 - 18:00 Ort: ZHG 101Sektionsleitung: Oliver Janz / Gregor Horstkemper
Event Details
OLIVER JANZ (Berlin) und GREGOR HORSTKEMPER (München) Einführung ALEKSANDRA PAWLICZEK (Berlin)
Event Details
OLIVER JANZ (Berlin) und GREGOR HORSTKEMPER (München)
Einführung
JÜRGEN DANYEL (Potsdam)
Kommentar
Abstract:
Die Sektion „Erster Weltkrieg digital – Perspektiven der transnationalen Forschung und Vernetzung in den Geschichtswissenschaften“ stellt am Beispiel von vier digitalen Projekten zum Ersten Weltkrieg aktuelle Entwicklungen im Bereich der E-History vor. Sie entwickelt und diskutiert Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten für die Digital Humanities. Folgende Leitfragen stehen dabei im Vordergrund:
1. Welche Chancen für die Forschung zum Ersten Weltkrieg bieten diese Online-Projekte? Können Sie zur Identifizierung von Forschungslücken beitragen? Was sind ihre Risiken und Grenzen?
2. Wie können Sprachbarrieren überwunden werden? Welche Chancen bieten Online-Projekte für transnationale und globale Ansätze?
3. Wie lassen sich virtuelle Arbeitsumgebungen und Werkzeuge für die Zusammenarbeit in großen internationalen Verbundprojekten nutzen? Inwieweit lassen sich dadurch neue Forschungsfelder für die Geschichtswissenschaft erschließen?
4. Inwiefern eröffnen diese Projekte neue Perspektiven für die Digital Humanities insgesamt? Können sie Modellfunktion für ein im Entstehen begriffenes Feld übernehmen?
Die insgesamt zweistündige Sektion besteht aus zwei, jeweils einstündigen, Teilen: Der erste Teil wird eingeleitet durch eine kurze Einführung (20 Minuten) zum Thema „Erster Weltkrieg digital – Perspektiven der transnationalen Forschung und Vernetzung in den Geschichtswissenschaften“. Im Anschluss daran werden in kurzen, jeweils zehnminütigen, Impulsreferaten aktuelle Entwicklungen im Bereich der E-History am Beispiel von vier digitalen Projekten zum Ersten Weltkrieg vorgestellt. Im zweiten Teil der Sektion, die eingeleitet wird durch einen externen Kommentar, ist eine Diskussion der Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten für die Digital Humanities vorgesehen.
English Version:
Digital First World War – Perspectives for Transnational Research and Digital Networking in Historical Studies
The panel “Digital First World War – Perspectives for Transnational Research and Digital Networking in Historical Studies” presents four digital projects on the First World War, showcasing recent developments in the field of E-History. The panel explores and discusses perspectives and potential application scenarios in the Digital Humanities. Key questions will be:
1. What research opportunities for the First World War are created by these online projects? Can they help to identify gaps in research? What constitute their risks and limits?
2. How can language barriers be overcome? What kind of opportunities do online projects offer for transnational and global approaches?
3. How can virtual work environments and tools be employed to support the collaborative work in large international joint projects? To what extent do these virtual work environments open up new fields of research in Historical Studies?
4. Can these projects generate new perspectives for the field of Digital Humanities as a whole? Can they serve as best practice models in this emerging new field?
The two-hour panel discussion consists of two parts, each lasting one hour. The first part will begin with a short introduction (20 minutes) on “Digital First World War – Perspectives for Transnational Research and Digital Networking in Historical Studies.” This will be followed by short, ten-minute presentations on four digital projects on the First World War as examples of current developments in the field of E-History. The second part will be introduced by an external commentary and will allow for the discussion of perspectives and possible applications of the Digital Humanities.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Oliver Janz / Gregor Horstkemper
26SepFr
Reichtum. Zur Geschichte einer umstrittenen Sozialfigur 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 001Sektionsleitung: Winfried Süß / Jochen Johrendt
Event Details
JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) Reichtum als legitimes Distinktionsmittel? Möglichkeiten und Grenzen im Hochmittelalter
Event Details
ARNE KARSTEN (Wuppertal)
Venedigs Reichtum im Urteil von Zeitgenossen und Nachwelt
WINFRIED SÜSS (Potsdam)
Das „große Zauberwort der Zeit“. Reichtumskonflikte im 19. Jahrhundert
BERTHOLD VOGEL (Hamburg/Göttingen)
Kommentar
Abstract:
In den Debatten der Gegenwart ist das Thema Reichtum nahezu allgegenwärtig. Während Reichtum in der Populärkultur als Leitbild der Lebensorientierung geradezu Züge einer Ersatzreligion annimmt, wird die Reichtumsentwicklung als Element zunehmender sozialer Polarisierungen kontrovers diskutiert. Die Sektion möchte einen eigenen Akzent in der Debatte um Gewinner und Verlierer sozialer Polarisierungen setzen, indem sie Reichtum als sozial konstruierte und kulturell kontextualisierte Kategorie historisiert. Dazu wählt sie einen epochenübergreifenden Ansatz.
Die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Reichtum steht im deutlichen Gegensatz zur Intensität seiner wissenschaftlichen Bearbeitung. Als Gegenstand sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschungen ist Reichtum kaum erschlossen. Bis heute gilt er als „sozialstrukturelle Grauzone“ (Imbusch). Dies lässt sich in noch stärkerem Maß für historische Untersuchungen konstatieren, in denen Reichtum lediglich als Randthema präsent ist. Armut als Extremform materieller Ungleichheit am unteren Rand des Verteilungsspektrums wird seit jeher als soziales Problem ersten Ranges wahrgenommen und zum Gegenstand historischen Fra-gens gemacht. Entsprechende Studien, die Reichtum ins Zentrum stellen, fehlen hingegen weitgehend.
Es gibt indes gute Gründe, sich mit Reichtum in historischer Perspektive zu befassen:
Die Geschichte des Reichtums verweist auf grundlegende Muster der Sozialordnung, auf gesellschaftliche Basiskompromisse und die ihnen zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen. Die Fragen, wie Reichtum wahrgenommen wurde, welche Formen des Reichtums als legitim galten, wo die Grenzen seines aktiven Einsatzes lagen, welche Begrenzungen als angemessen empfunden wurden und wo Kompensationsmechanismen für soziale Ungleichheitsverhältnisse gefunden werden mussten, waren stets umstritten und wurden in verschiedenen Epochen ganz unterschiedlich beantwortet. In einer übergreifenden Perspektive lässt sich daher fragen, inwiefern veränderte Einstellungen zum Reichtum auf grundlegende sozio-ökonomische und kulturelle Wandlungsprozesse verweisen.
Zweitens stellt die Geschichte des Reichtums eine wichtige Leerstelle in der Geschichte sozialer Ungleichheit und sozialer Ordnungssysteme dar. Sozial- und kulturhistorische Studien richten ihren Blick bisher vor allem auf das untere Ende des materiellen Verteilungsspektrums. Es ist allerdings fraglich, ob z.B. eine Geschichte der Armut ohne Analyse des Reichtums als Komplementärphänomen angemessen geschrieben werden kann, denn Vorstellungen über das gesellschaftlich akzeptierte Ausmaß an Armut waren und sind eng (und v. a. im epochenübergreifenden Vergleich keineswegs immer reziprok) mit den Vorstellungen über Form und Höhe des legitimen/illegitimen Reichtums verknüpft. Die Geschichte des Reichtums kann daher auch einen Beitrag zu einer integrierten Geschichte sozialer Ungleichheit leisten.
Folgende Fragen sollen im Mittelpunkt der geplanten Sektion stehen:
1. Wissensordnungen: Wer galt als reich und was waren die Maßstäbe dafür? Welche Projektionen und kulturellen Repräsentationen verbanden sich mit dem Thema Reichtum? Welche wissenschaftlichen und medialen Konstruktionen bestimmten seine öffentliche und politische Wahrnehmung?
2. Reichtum und soziale Ordnungsideen: Welche Erwartungen richteten sich an Reiche? Welche Formen und Größen von Reichtum galten als legitim und respektabel? Inwiefern wirkten kulturelle Deutungsmuster und soziale Institutionen (wie z.B. das Erbrecht) reichtumsfördernd, reichtumsbegrenzend und reichtumslegitimierend? Welche sozialen Regeln bestimmen die Entstehung, Nutzung und Weitergabe großer Vermögen? In welchem Verhältnis stand Gewinnstreben zu anderen Normsystemen, z.B. religiösen Werten?
3. Reichtum als Handlungsvermögen: Reichtum schafft epochenübergreifend Handlungschancen, die weit über die materielle Dimension hinausreichen. Welcher Zusammenhang bestand in unterschiedlichen historischen Konstellationen zwischen Reichtum und politischer Herrschaft? Unter welchen Bedingungen ließ sich Reichtum in politischen Einfluss ummünzen? Welche Beziehungen bestanden zwischen Reichtum und Sozialstatus, und wann ermöglichten große Vermögen den Beitritt zur politischen Machtelite? Umgekehrt wird auch danach zu fragen sein, wo Politik die Bedingungen für die Akkumulation und Weitergabe großer Vermögen prägte.
English Version:
In current debates the theme of wealth is virtually omnipresent. Whereas in popular culture wealth serves as a leading influence in framing conceptions of life’s purpose and personal fulfilment, the distribution of wealth as an element of increasing social polarization is the subject of heated debate and controversy. This panel wants to present its own take on the debate concerning ‘winners’ and ‘losers’ of social polarizations, by historicizing wealth as a socially constructed and culturally contextualized category. In order to do so, it pursues analysis that cuts across individual historical periods.
Public awareness of the topic ‘wealth’ stands in stark contrast to its position within scholarly investigation and debate. Wealth has barely been examined as a research topic within social and cultural history. Until today, it is counted as a “socio-structural grey-zone” (Imbusch). This tendency is even more discernable in contemporary historiography, in which wealth appears merely as a peripheral topic. Poverty as an extreme form of material inequality within the bottom brackets of income distributions has been made a core element of historical examination. Equivalent studies which place wealth at the centre, are, by contrast, largely lacking.
There are accordingly good reasons to analyse wealth in a historical perspective: The history of wealth points out the key patterns of social order, societal compromises, and contemporary conceptions of justice in individual periods. Questions concerning how wealth was perceived, which forms of wealth were considered legitimate, where the borders of its active deployment lay, which limiting measures on its influence were deemed appropriate and where redistributive mechanisms had to be found for conditions of social inequality, were contested and were answered differently in various periods. In a long-term historical perspective one can analyse how far diverging attitudes to wealth highlight fundamental socio-economic and cultural transformations.
Secondly, the history of wealth fills an important gap in the history of social inequality and of social orders. Works of social and cultural history overwhelmingly direct their attention towards the lower end of the distributive spectrum. It is however questionable, whether a history of poverty can be adequately written, without analysis of wealth as a complimentary phenomenon, for conceptions of socially acceptable degrees of poverty are connected to conceptions concerning the form and extent of legitimate and illegitimate wealth. The history of wealth can therefore also make a contribution to an integrated history of social inequality.
The following questions will form the core of the proposed panel:
1. Orders of Knowledge. Who counted as rich and what were its indicators? Which projections and cultural representations were connected to wealth? Which scholarly and cultural constructions determined public and political attitudes to wealth?
2. Wealth and ideas of social order: Which expectations were made of the wealthy? Which forms and amounts of wealth were considered legitimate and respectable? To what extent did cultural understandings and social institutions (inheritance, for example) serve to increase, restrict or legitimate wealth? Which social rules determined the emergence, use and passing on of great fortunes? In which relationship to other value systems did the pursuit of financial gain stand?
3. Wealth as a creator of opportunities: Wealth creates a range of opportunities for actors across historical periods, which extend beyond purely material contexts. Which relationship existed between wealth and political rule in various historic constellations? Under what circumstances did wealth allow itself to be converted into political influence? Which relationships existed between wealth and social status, and when did great fortunes facilitate entrance into the political elite? It will also, by contrast, be necessary to question where politics formed the preconditions for the accumulation of, and passing on, of great wealth.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Winfried Süß / Jochen Johrendt
26SepFr
Die Friedensbewegung in der geschichtswissenschaftlichen Kontroverse 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 104Sektionsleitung: Peter Hoeres
Event Details
PETER HOERES (Würzburg) Einleitung GERHARD WETTIG (Kommen) Friedensbewegung und Machtpolitik. Die westdeutschen Friedensgruppen zwischen Abrüstungsideal [...]
Event Details
PETER HOERES (Würzburg)
Einleitung
BENJAMIN ZIEMANN (Sheffield)
Die Friedensbewegung zwischen Blockpolitik und sozialer Bewegung
Abstract:
In der Geschichtsschreibung zur Friedensbewegung finden sich zwei unterschiedliche Forschungsansätze: Der eine arbeitet die personelle und institutionelle Unterwanderung wichtiger Entscheidungsgremien der Friedensbewegung durch Personen, Parteien und Komitees wie Josef Weber, DKP, DFU oder KOFAZ heraus. Diese waren inhaltlich und finanziell stark vom Ostblock abhängig und konnten im Sinne der Ziele Moskaus und Ost-Berlins die Friedensbewegung auf einen „Minimalkonsens“ festlegen, der eine einseitige Abrüstung im Westen forderte. Ungeachtet der divergierenden Positionen der Aktivisten übten Kommunisten oder kommunistisch beeinflusste Akteure an Schlüsselstellen maßgeblichen Einfluss aus, was sich etwa im „Krefelder Appell“, dem größten Mobilisierungserfolg in der Bundesrepublik, mit seinen einseitig gegen die westliche Rüstungspolitik gerichteten Forderungen zeigte.
Auf der anderen Seite wird betont, dass die „Ferngesteuerten“ nur eine kleine Minderheit innerhalb der Friedensbewegung gewesen wären. Die Friedensbewegten hätten das Blockdenken des Kalten Krieges gerade zu überwinden versucht und sich als sperrig für die Propaganda erwiesen. Die Friedensbewegung der 1980er Jahre sei in ihrer Genese zudem wesentlich älter als der NATO-Doppelbeschluss und mit den Deutungsmustern des Kalten Krieges nicht zu verstehen, sondern in Distanzierung von zeitgenössischen Erklärungsmustern als neue transnationale soziale Bewegung zu begreifen. Emotions-, kultur- und sozialhistorische Fragestellungen werden dabei anstelle politikgeschichtlicher Analyse gesetzt, was mitunter soweit geht, dass die Beeinflussung von Teilen der bundesdeutschen Friedensbewegung durch KPdSU, SED und Staatsicherheit gar keine Erwähnung mehr findet.
Welchen Stellenwert soll also künftig die „Ost-Connection“ in der Erforschung der Friedensbewegung einnehmen und wie soll sie methodisch taxiert werden?
Welchen Beitrag hat die Friedensbewegung für das Ende des Ost-West-Konfliktes geleistet? Retardierte sie eher den Prozess des Wandels im Ostblock oder beförderte sie diesen? Weitere methodische Fragen schließen sich an: Wie sind soziale Bewegungen analytisch fassbar und welche Rolle können dabei zeitgenössische Erklärungsmuster spielen? Bedeutet die Historisierung zeitgenössischer Erklärungsmuster, dass deren Geltung damit obsolet ist?
English Version:
The Peace Movement in historiographical debates
Up to now there have been two different ways of examining the history of the peace movement:
The first approach stresses the personal and institutional infiltration of important decision-making bodies of the movement by single persons, parties and committees such as Josef Weber, DKP, DFU or KOFASZ. In matters of finances and contents these infiltrations strongly depended on the Eastern Bloc. Moscow and Eastern-Berlin defined a minimum consensus which claimed an unilateral disarmament in the West. The Krefelder Apell was a major outcome of this policy, since it represented a peak of public mobilization for the peace movement in the Federal Republic.
The second line of research emphasizes that the ”remote-controlled actors” merely formed a minority within the peace movement. The majority of pacifists, on the other hand, attempted to overcome the bipolar thinking and therefore was not very useful for propaganda issues. Moreover it is argued, that the NATO Double-Track-Decision could not be illuminated by Cold War interpretations, since the situation of the 1980s was so much different from former episodes of the peace movement`s history. In fact, the new pacifism had to be understood as a modern transnational phenomena. In this perspective the focus is set on emotional, cultural and social approaches. Political history, in contrast, is neglected and in some cases also not taken into account at all.
The discrepancy of both research lines lead us to the following historiographical questions: What is the actual significance of the “East Connection” for the history of the peace movement and which methodological instruments can help to examine this problem? What did the peace movement contribute to end the East-West conflict? And regarding methodological issues again: How can social movements be analyzed empirically and what is, on the contrary, the validity of contemporary explanation samples?
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Peter Hoeres
26SepFr
Verlorenes und Gewonnenes. Geschlechterverhältnisse und der Wandel des Politischen in der „langen Geschichte der Wende" in Ostdeutschland 1980 bis 2000 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 003Sektionsleitung: Jens Gieseke
Event Details
JENS GIESEKE (Potsdam) Das Politische und das Private. [...]
Event Details
MICHAEL SCHWARTZ (München/Berlin)
Zwei deutsche Abtreibungspolitiken und das vereinigte Deutschland
GUNILLA-FRIEDERIKE BUDDE (Oldenburg)
Kommentar
Abstract:
Übergreifendes Ziel des Panels ist es, mit den Geschlechterverhältnissen eine Dimension des revolutionären Systemwechsels in Ostdeutschland zu erschließen, die über den Prozess von Diktaturüberwindung und institutionellem Umbruch durch Beitritt zur Bundesrepublik hinaus geht und die „Wende“ als grundstürzende Transformation der Lebensverhältnisse in ihren längerfristigen Prozessen begreift.
Das Panel besteht aus vier Beiträgen und einem Kommentar. Dr. Jens Gieseke analysiert anhand von geheimer Demoskopie und polizeilichen Stimmungsberichten aus der späten DDR sowie sozialwissenschaftlichen Untersuchungen ab 1989 die Haltungen von ostdeutschen Männern und Frauen zu Fragen politischer Partizipation. Enthielten, so ist etwa zu fragen, die unterschiedlichen Profile „des Politischen“ zwischen den Geschlechtern retardierende oder beschleunigende Elemente für die revolutionäre Eskalation Ende der achtziger Jahre?
Dr. Annette Leo und Dr. Christian König stellen zeitgenössische mediale Diskurse und individuelle Erinnerungen an den Umgang mit Verhütung, Familienplanung und Bevölkerungspolitik in der DDR und dem vereinigten Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Präsentation. Vor allem für die von ihnen befragten Frauen der Geburtsjahrgänge 1963 bis 1965 bedeuteten die Jahre der Wende einen Bruch mit den bis dahin für selbstverständlich gehaltenen Möglichkeiten, Mutterschaft und Berufstätigkeit, gegebenenfalls auch ohne Partner, miteinander zu vereinbaren.
Daran knüpft Prof. Dr. Michael Schwartz mit seiner Analyse der Debatten um das Abtreibungsrechts im geteilten und im vereinigten Deutschland an, die für die jeweiligen Gesellschaften fundamentale Verständigungsprozesse über Wertpräferenzen und Geschlechterrollen erkennen lassen.
Schließlich diskutiert Anja Schröter Befunde zu den Wandlungen des Scheidungsverhaltens ostdeutscher Paare unter dem Einfluss von wechselnden rechtlichen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen der achtziger und neunziger Jahre. Im Fokus steht die Frage, ob Prägungen und Erfahrungen des sozialistischen Gesellschaftssystems in der Vereinigungsgesellschaft nachhaltig auf die Ausschöpfung rechtlicher Spielräume – insbesondere im Hinblick auf nacheheliche Versorgungsinstitutionen – wirksam oder von Existenzängsten zersetzt werden?
Der Kommentar von Prof. Dr. Gunilla Budde ermöglicht zugleich eine kontextualisierende Perspektive auf die Geschichte des Rollen- und Geschlechterverständnisses in Ostdeutschland.
English Version:
The overall goal of this panel is to use gender as a new approach for a history of the political transformation of East Germany in the 1980s and 1990s. The so-called „Wende“ is thereby understood as a long-term process, which not only included the overcoming of a dictatorship and resulting institutional changes, but brought about changing living conditions for millions of people.
The panel consists of four presentations as well as a subsequent commentary. First, Jens Gieseke will be talking about the attitudes of East Germans towards different aspects of political participation. Based on GDR opinion polls, secret reports by the Stasi and surveys from the early 1990s, he will discuss the role gender played in the run-up to the uprising of 1989.
Second, Annette Leo and Christian König will be focusing on public as well as private discourses about contraception, birth control as well as social policy and social engineering in the GDR and reunited Germany. According to oral history interviews with women born between 1963 and 1965, especially for single mothers, the revolution of 1989 caused a break concerning the previously given compatibility of family and career.
Third, Michael Schwartz will be analyzing debates about abortion legislation in divided and reunited Germany. His study shows how the different political systems were debating about gender roles and on which sets of values and gender roles there arguments were based.
Fourth, Anja Schröter will be giving a presentation on how changing socioeconomic conditions and eventually a new legal frameset were influencing East German’s divorce behavior during and following the demise of the GDR. She focuses on the questions, (I) if they were self-confidently taking advantage of the legal scope or if the new situation was rather intimidating to them, and (II) if this behavior emanated from specific cultural imprints and experiences they had made in the GDR.
A wrap-up by Gunilla Budde will conclude the panel by contextualizing the previous presentations within the broader history of gender roles and gender relations in the GDR.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Jens Gieseke
26SepFr
„Gewinner“ und „Verlierer“ des Versailler Vertrages 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 103Sektionsleitung: VHD / Les Rendez-vous de l'histoire
Event Details
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
VHD / Les Rendez-vous de l'histoire
26SepFr
Regionale Ökonomie im Wettbewerb15:15 - 18:00 Ort: ZHG 102Sektionsleitung: Sigrid Hirbodian / Michael Kißener
Event Details
MICHAEL KISSENER (Mainz) und SIGRID HIRBODIAN (Tübingen) Einführung MICHAEL ROTHMANN (Hannover) Die Konkurrenz der Märkte im [...]
Event Details
MICHAEL KISSENER (Mainz) und SIGRID HIRBODIAN (Tübingen)
Einführung
MICHAEL ROTHMANN (Hannover)
Die Konkurrenz der Märkte im hoch- und spätmittelalterlichen Europa
STEFAN GRÜNER (Eichstätt-Ingolstadt/Augsburg)
Kommentar
Abstract:
Handeln in der Ökonomie ist seit jeher auf Gewinnerzielung, modern gesprochen auf Profit oder gar Marktbeherrschung, im Extremfall sogar auf Dominanz in einem spezifischen Sektor aus. Wer sich ökonomisch durchsetzt, sei es mit einer Geschäftsidee, einem Produkt, einem Vertriebsweg, einem günstigen Marktpreis usw., der gehört zu den Gewinnern – Verlierer werden verdrängt oder marginalisiert, sie verschwinden vom Markt, von ihnen ist in den Geschichtsbüchern schließlich nur noch selten die Rede.
Gewinnen und Verlieren in historischer Perspektive zu analysieren – dafür bietet die europäische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart reichlich Anschauungsmaterial. Je konkreter und je diachroner dieses Anschauungsmaterial empirisch untersucht wird, desto klarer vermögen die einschlägigen historischen Quellen Antworten darauf zu geben, wie mit Gewinn und Verlust im Wandel der Jahrhunderte umgegangen wurde, welche sozialen Interaktionen stattfanden, wie Gewinn und Verlust wahrgenommen und welche langfristige Bedeutung dieser Vorgang im Sinne einer ökonomischen Fortentwicklung, die Gewinnen und Verlieren relativiert, hatte.
Die Arbeitsgemeinschaft Landesgeschichte im Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands schlägt daher eine Sektion der Vergleichenden Landesgeschichte mit drei Vorträgen und öffentlicher Diskussion vor, die an Beispielen aus dem Mittelalter, der frühen Neuzeit und der Neuesten Geschichte der Frage nachgeht, welche Voraussetzungen, Bedingungen, Mechanismen und Folgen ökonomischer Wettbewerb zwischen Regionen gehabt hat. Durch die diachrone Anlage der Sektion soll die Möglichkeit eröffnet werden zu reflektieren, ob Bedingungsmuster von ökonomischem Erfolg („Gewinn“) in der europäischen Vormoderne und Moderne definierbar, welche Interaktionsformen zwischen regionalen ökonomischen Konkurrenten feststellbar und schließlich auch, wie die unterlegenen Akteure („Verlierer“) wahrgenommen und erinnert worden sind. Dabei wird schließlich auch zu fragen sein, ob die Kategorien „Gewinn“ und „Verlust“ tragfähige Größen bei der langfristigen Betrachtung von solchen historischen Phänomenen sind.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Sigrid Hirbodian / Michael Kißener
26SepFr
Aus Verlierern Gewinner machen (können) . Obrigkeitliche Gnadengewalt im 16. und 17. Jahrhundert in europäisch vergleichender Perspektive15:15 - 18:00 Ort: ZHG 002Sektionsleitung: Gabriele Haug-Moritz
Event Details
STEFAN BRAKENSIEK (Duisburg-Essen) Supplikation als kommunikative Herrschaftstechnik in zusammengesetzten Monarchien
Event Details
SABINE ULLMANN (Eichstätt-Ingolstadt)
Kommentar
Abstract:
Die Praxis des Um-Gnade-bittens ist eine der grundlegenden Formen des kommunikativen Austausches zwischen Herrschenden und Beherrschten, die, wie Renate Blickle zu Recht betont hat, „aus metahistorischer Perspektive für ein ubiquitäres Merkmal von Staatlichkeit gehalten“ werden kann. Ihre konkreten Erscheinungsformen unterliegen jedoch tiefgreifendem historischen Wandel. Die mit den gesellschaftlichen und politischen Veränderungsprozessen der Zeit um 1500 unauflöslich verwobene Transformation dieser kommunikativen Praxis schlägt sich im Entstehen eines neuen Begriffs für eine alte Form der Herrschaftskommunikation nieder – desjenigen der Supplik, requête, supplication, petición, petitizione, suppliken usw. Mit ihm werden alle Arten von nicht-bindenden Aufforderungen – Bitten, Wünsche, Klagen, Forderungen, Ratschläge – belegt. In der Zeit um 1800 verändert sich die Praxis des Gnaden-Bittens erneut grundlegend – aus dem Supplikenwesen wird das konstitutionell anerkannte, individuelle Petitionsrechts.
Die Sektion rückt das neuzeitliche Supplikenwesen des 16. und 17. Jahrhunderts in europäisch vergleichender Perspektive ins Zentrum der Betrachtung. Sie thematisiert es zugleich aus der Perspektive derjenigen, denen die Gnadengewalt zugeschrieben wurde – den Supplikationsempfängern. Dergestalt greift sie eine Erkenntnis der neueren Forschung auf, die betont, dass sich im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts Herrschaft (potestas) nur aus der Zusammenschau obrigkeitlicher Rechts- und Gnadengewalt angemessen beschreiben lässt. Indem die Referentinnen und Referenten (auch) danach fragen, unter welchen Voraussetzungen es möglich war (oder nicht), das Gnade-gewähren „gewinnbringend“ in die jeweilige Herrschaftspraxis zu integrieren, erörtern sie, das Leitthema des Historikertages aufgreifend, einen bislang noch nicht systematisch erörterten Aspekt der Thematik.
English Version:
The practice of asking for mercy is a fundamental act of communication between rulers and subjects. Renate Blickle emphasized that “it can be considered a ubiquitous characteristic of statehood from a meta-historic perspective.” However, the concrete realizations of this phenomenon changed through the ages. The transformation process in society and politics around the year 1500 affected this practice of communication as well. This can be seen in the emergence of new terms like Supplik, requête, supplication, petición, petitizione, suppliken etc. These terms comprehend all forms of non-committal requests like wishes, complaints, demands or advices. Around the year 1800, the practice of asking for mercy changed profoundly: the system of supplications turned into the constitutionally acknowledged, individual right of petition.
The panel will focus on the early modern system of supplications in the 16th and 17th century in a European comparative perspective. Furthermore, it will examine in particular the perspective of those to whom the power of mercy was ascribed – the recipients of supplications. Recent research has shown that power (potestas) in 16th and 17th century Europe can only be correctly described if the ruler’s power of jurisdiction and his/her power of granting mercy were to be combined. The panelists will question under which conditions the granting of mercy was beneficiary for the authority. This aspect, which corresponds with the leading topic of the conference, was not examined systematically as of yet.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Gabriele Haug-Moritz