Sektionen des Wissenschaftlichen Programmes – Mittelalterliche Geschichte
, 2014
24SepMi
Gewinner und Verlierer im Normenwandel? Spätmittelalterliche Praktiken der Güterwegnahme an Land und auf See im Vergleich9:15 - 13:00 Ort: ZHG 007Sektionsleitung: Michael Jucker / Gregor Rohmann
Event Details
JAN RÜDIGER (Basel) Moderation MICHAEL JUCKER (Luzern) und GREGOR ROHMANN (Frankfurt am Main/Köln) Einführung
Event Details
JAN RÜDIGER (Basel)
Moderation
MICHAEL JUCKER (Luzern) und GREGOR ROHMANN (Frankfurt am Main/Köln)
Einführung
CHRISTINE REINLE (Gießen)
Kommentar
Abstract:
Wenn Einer dem Anderen etwas wegnimmt, gibt es immer Gewinner und Verlierer. Und jede Gesellschaft bringt Spielregeln hervor, die bestimmen, welche Formen von Gütertransfer erlaubt und welche verboten sind. Juristisch wie ethisch begründete Normierungsversuche definieren die Legitimität der Wegnahme, sind dabei jedoch permanent dem aktuellen machtpolitischen Diskurs ausgesetzt. Deshalb sind Eingrenzungsversuche in der vormodernen Gesellschaft stets situativ umstritten.
Die Ausführung der Güterwegnahme wird in der Vormoderne häufig an Gewaltdienstleister delegiert. Sie wählen je nach Opportunität die Formen der Güterallokation; und die sie umgebende Gesellschaft beurteilt die Legitimität dieser Formen jeweils unterschiedlich. Wenn sich die Spielregeln der Güterwegnahme ändern, ändert sich die Geschäftsgrundlage der Gewaltdienstleister und ihrer Auftraggeber: Manche werden zu Verlierern, andere zu Gewinnern des Normenwandels. Die Unterscheidung von Räuber und Gendarm, von Pirat und Admiral war normativ seit der Antike bekannt, in der Praxis aber blieb sie noch lange eine theoretische Kategorie. Die Aushandlungsprozesse lebten gerade davon, dass die Normen längst formuliert waren, aber zunächst nur taktisch eingesetzt wurden.
Für das Binnenland werden diese Probleme in der historischen Forschung seit langem diskutiert. Weniger beachtet wurde bisher der maritime Raum des Mittelalters, der doch für die ökonomische Distribution ungemein wichtig war: Ungeachtet der Tatsache, dass kaufmännisches Recht und internationale Rechtspraxis auf See eine vielfältig differenzierte Skala von Formen der legitimierbaren Güterwegnahme kannten, geht die Forschung immer noch fast durchgehend von der anachronistischen Unterscheidung von verbotener „Piraterie“ und erlaubter „Kaperfahrt“ aus.
An diesem Punkt möchten wir ansetzen, indem wir anhand von ausgewählten Fallbeispielen Normen und Praxis an Land und auf See vergleichen: Waren die Geschäftsbedingungen für Auftraggeber, Gewaltdienstleister und Geschädigte die gleichen oder bildete das Meer normativ und praktisch eine eigene Sphäre? Wie war der Gewaltmarkt organisiert? Wie wurden welche Sachgüter transferiert, wie Personen? Ging man mit der inhärenten Gewaltförmigkeit des Rechtsaustrags an Land und auf See ähnlich um? Wie stellte man fest, wer Gewinner und wer Verlierer war?
English Version:
If one takes from another, there is always a winner and a loser. And every society tends to bear rules that determine which forms of material transfer are legitimate and which are not. However, juridical and ethical attempts to standardise the legitimacy of divestement are permanently influenced by discourses of power. Efforts to define legitimacy are therefore always contentious and depending on the situation, especially in premodern societies.
Actors often delegate the realisation of divestments to service providers. They chose special forms of allocation of goods depending on opportunity. And the society around them estimates the legitimacy of these forms differently. When the rules of divestment alternate, the basis of contract between providers and employers changes: Some become losers, other winners of change. The difference between police and thiefs, admiral and pirate was well known since antique times in normative terms; in practice it remained a theoretical category for a long time though. The processes of negotiation depended on the fact that the norms were already defined, but for the time being were used only tactically.
These problems have been well discussed by scholars for a long time concerning the inland sphere. Far less attention has been paid to the maritime realm, which was yet extraordinary important for the distribution of goods. Notwithstanding the fact, that merchant’s law and international customary law as well knew manifold different forms of legitimate divestments at sea, scholars until today tend to use only the anachronistic confrontation of criminal “piracy” and lawful “privateering”.
At this point we want to commence by comparing norms and practices on land and at sea on the basis of cases studies. Were the terms of business the same for sponsors, service providers and claimants, or did the sea constitute a sphere of its own in normative and practical terms? How was the violence market organized? How were goods and persons seized and transfered? Did people deal similarly with the inherent violence of the practice of customary law on land and at sea? How did they discern winners and losers?
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Michael Jucker / Gregor Rohmann
24SepMi
Aufstieg und Fall frühmittelalterlicher Warlords 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 006Sektionsleitung: Matthias Becher / Guido M. Berndt
Event Details
MATTHIAS BECHER (Bonn) Einführung. Frühmittelalterliche Warlords GUIDO M. BERNDT (Erlangen-Nürnberg) Kampf, Beute, Ehre.
Event Details
MATTHIAS BECHER (Bonn)
Einführung. Frühmittelalterliche Warlords
MATTHIAS HARDT (Leipzig)
Warlords bei den frühen Slawen
Abstract:
Das Wirken von Warlords und ihren Kriegergruppen im Frühmittelalter ist ein Thema, das sich besonders gut eignet, um dem Phänomen „Gewinner und Verlierer“ auf den Grund zu gehen. Warlords machen sich die politisch-militärische Schwäche von sogenannten „failed states“ zunutze, um ihre Macht in geeigneten Regionen zunächst zu etablieren und dann auch zu institutionalisieren. Das Weströmische Reich trägt Züge eines solchen gescheiterten Staatswesens, zu dessen Untergang Warlords und ihre militärischen Verbände entscheidend beitrugen. Auch wenn die neuere Forschung den Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter zu Recht vor allem als Transformationsprozess sieht, war er doch auch von kriegerischen Aktionen und der gewaltsamen Etablierung neuer Herrschaftsgebiete geprägt. Die ältere Forschung sah hier militärische Gefolgschaften insbesondere germanischer Herkunft und ihre Anführer am Werk, die das Imperium von der Peripherie her bedrängt hätten. Bei dieser Sichtweise wurden jedoch die zentrifugalen Tendenzen innerhalb des Reiches und die allmähliche Militarisierung der römischen Gesellschaft vernachlässigt. Demgegenüber bietet das zunächst allein auf die kriegerische Funktion abhebende Wort „Warlord“ den Vorteil, gerade diese, das gesamte Frühmittelalter prägenden Entwicklungen besser analysieren zu können.
In einem einleitenden Beitrag wird Matthias Becher die Bedeutung des Begriffs „Warlord“ und seine Verwendung in der Geschichtsforschung im Zusammenhang mit dem Untergang des weströmischen Imperiums analysieren. Guido M. Berndt wird seine These vorstellen, dass vor allem die individuelle Gewaltfähigkeit eines Warlords entscheidend für die Beantwortung der Frage war, ob er ein „Gewinner“ oder „Verlierer“ wurde. Anschließend wird sich Laury Sarti in ihrem Vortrag auf Warlords in Gallien und archäologische Befunde konzentrieren. Zum Schluss wird Matthias Hardt das Phänomen der Warlords bei den frühmittelalterlichen Slawen untersuchen.
English Version:
A central element of the analysis of the deeds of Early Medieval warlords and their followers is the subject „Gewinner und Verlierer“. Warlords exploit the political and military weakness of so called “failed states” in order to establish and then institutionalise their power in suitable regions. The Western Roman Empire could be characterized as such a failed state in whose fall warlords and their warbands played a crucial role. Although recent research interprets the transition from Late Antiquity to the Early Middle Ages as a process of transformation, this process was influenced by military action and the violent formation of new dominions nevertheless. In this regard older research literature stresses the impact of (especially Germanic) Gefolgschaften who would have threatened the Empire from the periphery. However, this notion disregards the centrifugal tendencies of the Empire and the gradual militarisation of the Roman society. In contrast the term “warlord” has the advantage that it emphasises the martial connotation which is central for the developments in the Early Middle Ages.
In the opening paper Matthias Becher will define the term “warlord” and illustrate its significance in the context of the decline of the Western Roman Empire. Guido M. Berndt is going to demonstrate that the individual ability for violence was a crucial factor concerning whether a warlord would be a “Gewinner” or a “Verlierer”. In her paper Laury Sarti will focus upon Gaul and archaeological evidence. Matthias Hardt will be discussing the phenomenon of warlords in the Early Medieval History of the Slaves.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Matthias Becher / Guido M. Berndt
25SepDo
Reich ist, wer Geld hat? Ökonomischer Gewinn und Verlust im Blick von Zeitgenossen und Forschung9:15 - 13:00 Ort: ZHG 002Sektionsleitung: Julia Bruch / Ulla Kypta
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HIRAM KÜMPER (Mannheim) Moderation TANJA SKAMBRAKS (Mannheim) Die Monti di Pietà. Eine Erfolgsgeschichte des vormodernen Kreditwesens?
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HIRAM KÜMPER (Mannheim)
Moderation
TANJA SKAMBRAKS (Mannheim)
Die Monti di Pietà. Eine Erfolgsgeschichte des vormodernen Kreditwesens?
CHRISTIAN SCHOLL (Münster)
Gewinner und Verlierer im jüdischen Geldhandel des späten Mittelalters
ANGELA HUANG (London)
Die Hanse im 15. Jahrhundert: Ein Netzwerk von Gewinnern?
Abstract:
Unsere Sektion möchte an verschiedenen Beispielen aus der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte zeigen, dass aus wirtschaftshistorischer Perspektive nicht ohne weiteres beurteilt werden kann, wer zu Gewinnern, wer zu Verlierern ökonomischer Prozesse zählt. Ein Blick in die Quellen zeigt häufig, dass die Bewertungen der Forschung zu undifferenziert ausfallen. Anhand verschiedener Fallstudien soll das Geflecht der Selbstwahrnehmung und der retrospektiven Zuschreibung ökonomischer Gewinner und Verlierer gleichermaßen in den Blick genommen werden. Die Analyse verschiedener Akteursgruppen der Bereiche Kreditwesen, Kloster und Handel (die Pfandleihe der Monti di Pietà, jüdischer Geldhandel, das Verhältnis italienischer Kaufleute zum französischen König, Frauenklöster der Zisterzienser, Hierarchien und Netzwerke niederdeutscher Kaufleute, die Hanse im 15. Jh. und transalpin operierende Handelsgesellschaften der frühen Neuzeit) verspricht ein facettenreiches Bild von Deutungsmustern und Beurteilungsmaßstäben zeitgenössischer sowie historischer Urteile. Die Referate ermöglichen somit einen multiperspektivischen Blick auf die komplexen Realitäten des Wirtschaftens in der Vormoderne.
English Version:
Who were the winners, who the losers in the medieval and early modern economic landscape? How were certain institutions and groups involved in and profiting from economic processes judged by their contemporaries? How have they been perceived by historians throughout the centuries? By analysing the role and perceptions of the Italian Monti di Pietà, Jewish moneylenders, Italian bankers dealing with the French crown, female members of the Cistercian Order, networks and hierarchies of merchants from Lower Germany, the Hanse in the 15th century as well as early modern trading companies from Germany and Italy, the session will focus on the complex realities of premodern economy. Thus we hope to provide a multifaceted picture of patterns of interpretation and means of judgement from the past and present.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Julia Bruch / Ulla Kypta
26SepFr
„Gewinner” in der Kritik. „Verlierer” ernten Lob. Jenseits der Panegyrik des „guten Herrschers” in der hochmittelalterlichen Chronistik9:15 - 13:00 Ort: ZHG 002Sektionsleitung: Grischa Vercamer
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HANS-WERNER GOETZ (Hamburg) Einleitung und Moderation
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HANS-WERNER GOETZ (Hamburg)
Einleitung und Moderation
Abstract:
‚Gewinner’ werden gerne von Historiographen und Chronisten gelobt und besungen. Positives zu sagen kostet nicht viel und bringt im Zweifelsfall Meriten in Form von Auszeichnungen oder Ämtern ein. Otto von Freising schreibt aus seiner hochmittelalterlichen Sicht: „Die Absicht aller, die vor uns Geschichte geschrieben haben, war es, so meine ich, die glänzenden Taten tapferer Männer zu preisen um die Menschen zur Tatkraft anzuspornen, die verborgenen Handlungen der Feiglinge dagegen entweder zu verschweigen, oder, wenn sie ans Licht gezogen werden, nur zu erwähnen, um die gleichen Sterblichen abzuschrecken.“ Die Einteilung in ‚good guys’ und ‚bad guys’ wird hier mehr als augenfällig. – Die Welt ist klar kategorisiert und die Vergangenheit dient als ‚Steinbruch vorbildlichen oder schimpflichen Verhaltens’. Zwischentöne sind nicht erwünscht. – Jedoch gibt es sie doch: Versteckt und nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennbar konstruieren Historiographen ein vielleicht auch etwas menschlicheres Bild, wo der gute Herrscher (meist dem Gewinner gleichzusetzen) eben auch hier und da Makel aufweist. Die Kritik am ‚Gewinnertyp’/ am ’guten Herrscher’, der noch lebte oder dessen unmittelbaren Nachfahren mittlerweile an der Macht waren, stellte für die Autoren aber seit jeher ein heikles Unterfangen dar. Ein Herrscher konnte zwar ein glänzender Feldherr sein, aber als Verwalter seines Landes total versagen. Wie wird damit von Seiten der Chronisten umgegangen? Das gleiche gilt ebenfalls für den ‚Verlierertyp’, der aber auch manchmal richtige Entscheidungen traf oder auch mal eine Schlacht gewann usw. Hier will die Sektion ein möglichst homogenes Bild zeichnen, indem Leitfragen formuliert wurden, die jeder Referent für seinen Herrschaftsraum aufnimmt: Zugrunde gelegt wird das Bild eines/zweier Herrscher (‚Gewinner’/’Verlierer’) eines oder zweier bestimmten Autoren für einen bestimmten Herrschaftsraum im Hochmittelalter. Unterscheidet sich dieses grundlegend von anderen Autoren der Zeit? Wie wird hier Kritik geäußert (versteckt, verklausuliert beispielsweise durch eine direkte Rede oder das Zitieren einer Urkunde – offen, beispielsweise durch die explizite Meinungsäußerung des Autoren)? Welche Version des Herrscherbildes wird in späteren Chroniken übernommen? Welche Konsequenzen (äußerst spekulativ) hatte die Kritikäußerung für den Autoren und wieweit spielte dessen gesellschaftliches Standing bei der Äußerung der Kritik eine Rolle (einem Hochadeligen wie Otto von Freising konnte sich in dieser Hinsicht sicherlich mehr leisten als sein Nachfolger Rahewin)? Schließlich: Wie wird mit der individuellen Kritik eines mittelalterlichen Autoren von der modernen Forschung umgegangen? Wie sehr wird hier die Intention des mittelalterlichen Autoren vom modernen Autoren reflektiert? Würde es – das schon als übergeordneter Diskussionspunkt – Sinn machen, eine Systematisierung/einen Katalog herauszuarbeiten, wie mit einer von der communis opinio abweichenden kritischen Haltung über bestimmte mittelalterliche Herrscher von einzelnen zeitgenössischen Autoren umzugehen ist? Die Frage nach der causa scribendi muss nicht immer mit Zweckgebundenheit beantwortet werden, z.B. recht platt: durch die geäußerte Kritik erhoffte sich der Autor einen Vorteil für sein Kloster. Es könnte doch auch sein, dass sich der Autor dem Wahrheitspostulat expressis verbis verpflichtet fühlte. So schreibt Adalbold von Utrecht, zugleich Biograph von Heinrich II.: „In der Geschichtsschreibung ist zweierlei zu beachten, dass der Autor sich in seinem Bericht an die Wahrheit hält und der Leser aus der Lektüre Nutzen zieht.“ Vielleicht unterstellt daher die moderne Mediävistik allzu oft ein Zweckgebundenheit des Chronisten, die aber bei der Komplexität eines normalen und ‚menschlichen’ (Herrscher-) Charakters, der auch von unterschiedlichen Beobachtern unterschiedlich gedeutet werden kann, nicht immer notwendigerweise gegeben sein muss: Vielleicht versuchte ein gegebener Chronist einen bestimmten Vorteil/Nachteil eines Herrschers doch relativ wirklichkeitsgetreu widerzugeben. Gerade die systematische Untersuchung des Kontrastes verspricht interessante Einblicke zu geben.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Grischa Vercamer
26SepFr
Migrantenschicksale im mittelalterlichen Jahrtausend. Gewinner und Verlierer in Prozessen kulturellen Wandels9:15 - 13:00 Ort: ZHG 006Sektionsleitung: Michael Borgolte
Event Details
MICHAEL BORGOLTE (Berlin) Einführung ANNETTE SCHMIEDCHEN (Halle/Berlin) Brahmanische Wanderungsbewegungen im mittelalterlichen Indien
Event Details
MICHAEL BORGOLTE (Berlin)
Einführung
ANNETTE SCHMIEDCHEN (Halle/Berlin)
Brahmanische Wanderungsbewegungen im mittelalterlichen Indien
TILLMANN LOHSE (Berlin)
Christliche Missionare als Migranten
JENNY RAHEL OESTERLE (Bochum)
Schutzgewähr in Phasen religiöser und politischer Expansion
Abstract:
Im Unterschied zu herkömmlichen Migrationsstudien sollen weniger Massenwanderungen als die Verlagerungen des Lebensmittelpunktes durch Einzelne oder kleinere Gruppen thematisiert werden. Gefragt wird danach, ob und wann die Integration von Fremden „erfolgreich“ war, mit welchen kulturellen Importen sie die neue Mehrheitsgesellschaft verändern konnten, was von ihren Eigenheiten verloren ging und ob sich Rückwirkungen der neuen Umgebung auf die eigene Kultur, auch in der alten Heimat, feststellen lassen. Die Vorträge sollen auch als Beitrag zum Streit über die Genese von „Kultur“ zwischen Isolationisten, Diffusionisten und Migrationisten verstanden werden. Deshalb wird nicht zuletzt darauf geachtet, was die persönliche Präsenz des (einzelnen) fremden Zuwanderers an nicht intendierten kulturellen Effekten mit sich gebracht hat.
Die „Mittelalterliche Geschichte“ wandelt sich in der Gegenwart von einer Disziplin zur Erforschung der lateineuropäischen Welt von ca. 500–1500 zu einer historischen Wissenschaft, die im globalen Rahmen nach transkulturellen Verflechtungen fragt und sich im interkulturellen Vergleich Einsichten nicht-katholischer Gesellschaften auch außerhalb von Europa zunutze macht. Deshalb beteiligen sich an der Sektion neben Mediävisten auch Vertreter_innen scheinbar entlegener Fächer. In Beiträgen der Indologie und der Sinologie werden Wanderungen von Brahmanen und buddhistischer Mönche in Süd- und Ostasien behandelt; aufgezeigt werden neben religiösen wirtschaftliche und politische Interessen, konkurrierende Rechts- und Gesellschaftsvorstellungen. Für die kulturelle Wirkung von Mönchsmissionaren bei der Christianisierung des Abendlandes bieten Begriffe und Modelle der Migrationsgeschichte, wie der Mediävist demonstriert, ein vielversprechendes Instrumentarium. Der Islamwissenschaftler vergleicht die Interaktionen zwischen alteingesessener Bevölkerung und Neuankömmlingen bei germanischen und arabisch-muslimischen Ansiedlungsprozessen in der Zeit der sogenannten Völkerwanderung. Die islamische Expansion vom Mediterraneum bis Zentralasien wird im zweiten mediävistischen Referat behandelt. Der Judaist weist wirtschaftliche Motive für die jüdische Migranten nach Italien und Polen im späten Mittelalter nach.
English Version:
In contrast to conventional migration studies the focus will not be on mass migration but the immigration by individuals or smaller groups. The question will be if and when the integration of foreigners was “successful”, which cultural imports had an impact on the new majority society, what of their cultural identity was lost and did the new environment affect the culture in their native country. The lectures are also to be understood as a contribution on the controversy of cultural genesis among isolationists, diffusionists and migrationists. Hence the unintended cultural effect caused by the personal presence of the individual immigrant shall be taken into account.
The discipline of “medieval history” used to study the world of Latin Europe from 500 – 1500 A.D. and is currently becoming a historical science which is looking for transcultural interrelations around the world. These insights of non-Catholic societies, inside and outside of Europe, are used for intercultural comparison. Therefore not only medievalists but also representatives of apparently remote fields of study are part of this section. The contributions of Indology and Sinology will deal with migrations of Brahmins and Buddhist monks in Southeast Asia; alongside religious and economic interests competing ideas of law and society will be revealed. The medievalist will demonstrate that terms and models of migration history are promising instruments to explain the cultural effect caused by the missionary activity of monks during the Christianization of the Occident. The discourse on Islamic studies will compare the interaction between locals and foreigners regarding the process of settlement by Germanic peoples and Arab Muslims during the so-called “Völkerwanderung”. The Muslim expansion from the Mediterranean to Central Asia will be the topic of the second medieval lecture. The talk with respect to Jewish studies will show economic motives for Jewish migration to Italy and Poland in the late Middle Ages.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Michael Borgolte
26SepFr
AND THE WINNER TAKES IT ALL? Gewinnen und Verlieren an den europäischen Höfen des Mittelalters 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 004Sektionsleitung: Christoph Mauntel / Sebastian Zanke
Event Details
CHRISTOPH MAUNTEL (Heidelberg) und SEBASTIAN ZANKE (München/Speyer) Gewinnen und Verlieren am Hof – eine Einführung
Event Details
KLAUS OSCHEMA (Heidelberg)
Freund oder Favorit: Strategien zur Gewinnung und Sicherung von Gunst
SEBASTIAN ZANKE (München/Speyer)
Herrschaft und Krise: Die Dynamik (in) der Beziehung
Abstract:
Mittelalterliche Höfe waren komplexe soziale Gebilde, die aus fragilen Beziehungsnetzwerken bestanden und einem besonderen Reglement unterworfen waren. Dabei war das Miteinander der Höflinge zumeist auf die Person des Fürsten und seinen Zuspruch ausgerichtet. Doch ‚Gunst’ war ein beschränktes Gut und die Konkurrenz hierum konnte sich auf das gesamte Hofgefüge auswirken. Wo ‚Gewinner’ emporstiegen, fanden sich alsbald auch ‚Verlierer’ wieder, der Zuwendung des Herrschers und einer Position in seiner Nähe entzogen. Mit unserem Panel möchten wir die Dynamiken und Mechanismen in den Blick nehmen, die bei der Rivalität um Gunst und Patronage am mittelalterlichen Hof zum Tragen kamen und über Erfolg und Misserfolg am Hof (mit)entschieden.
Hierbei scheint die Frage nach den ‚Favoriten’ bedeutsam, also Höflinge, die sich der besonderen Zuwendung des Herrschers erfreuten und deren Karriere auf der entsprechenden Zuweisung von Privilegien, Ämtern und anderen Gunsterweisen beruhte. Doch steiler Aufstieg und tiefer Fall lagen in der höfischen Welt nahe beieinander und so wurden manche Favoriten aufgrund ihres (tatsächlichen oder zugeschriebenen) Einflusses häufig für politische Krisen verantwortlich gemacht und stellvertretend für den Herrscher zur Rechenschaft gezogen. Aus erfolgreichen Höflinge wurden so im höfischen Diskurs ‚Günstlinge‘. Hier ist die Frage der Zuschreibung von wesentlicher Relevanz: Machte die besondere Gunst, der Sturz oder schlicht die äußere Charakterisierung den Günstling aus? War sein Sturz zwangsläufig und damit der nicht stürzende (unerkannte) Favorit letztlich der eigentliche Gewinner am Hof?
Mit diesen Gedanken folgt die Sektion dem Motto des Historikertags und fragt gleichermaßen nach ‚Gewinnern’ und ‚Verlierern’ an mittelalterlichen Höfen. Hierbei erfolgt der Zugriff nicht über die Günstlinge selbst, sondern über den Begriff der Gunst. Aus vier spezifischen Perspektiven wird gefragt, wie das Konzept der ‚Gunst‘ in der Theorie ausdifferenziert werden kann und wie es in der Praxis funktionierte, welche alternativen Interpretationsmuster (Vertrauen/Freundschaft) denkbar sind, welche Handlungsspielräume sich durch Gunstverteilung ergaben oder durch Gunstentzug verschlossen und wie diese Mechanismen durch andere Hofparteien oder die Dynamik historischer Entwicklungen beeinflusst wurden.
English Version:
The panel discusses the phenomen of favouritism at medieval European courts by focusing on the concept of ‘favour’. This topic will be approached in four perspectives: the concept of ‘favour’ granted or withdrawn by the ruler, courtiers’ strategies for gaining benefits, the rivalries between different courtly groups and the influence of historical developments on the rise and fall of favourites. On a methodological level, traditional interpretations and the importance of underlying structures, like social networks and unwritten rules, will be reconsidered and concepts of friendship and trust discussed in order to gain new insights into a basic phenomenon of socio-cultural history.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Christoph Mauntel / Sebastian Zanke