Die Konkurrenz der Märkte im hoch- und spätmittelalterlichen Europa

MICHAEL ROTHMANN (Hannover)

Abstract:

Im Verlauf des Mittelalters hatten sich in Europa eine ungeheure Zahl von Jahrmärkten zu einem vielschichtigen Netz saisonaler Märkte auf lokaler, regionaler, überregionaler Ebene geformt, die sich terminlich, räumlich und funktional ergänzten und miteinander konkurrierten. Die auf Angebot und Nachfrage ihrer Besucher basierende Bedeutung der jeweiligen Märkte war zugleich eingebettet in die politischen Rahmenbedingungen ihrer wirtschaftlichen Einzugsbereiche.
Versuchte ein neuer gewichtiger Konkurrent in eine – und sei es nur rudimentär – bestehende Marktordnung einzubrechen, ging dies selten reibungslos. Die jeweiligen Vertreter der alten und neuen Ordnung mussten ihre Positionen für die Öffentlichkeit neu definieren, wollten sie die Marktteilnehmer für ihre Märkte gewinnen oder im Falle bestehender, gewachsener Märkte nicht verlieren. Erfolg schuf Begehrlichkeiten und Nachahmer. Wer in einem solchen mehr oder minder offenen Wettbewerb dauerhaft bestehen wollte, konnte sich nicht auf seinen Standortvorteilen ausruhen, sondern musste seine Infrastruktur ständig verteidigen und ausbauen. Entsprechend groß war der Aufwand, den die wirtschaftspolitischen Schutzherren und die ausrichtenden Marktorte betrieben. Erfolgreichen Marktgründungen und gewachsenen Marktstrukturen steht allerdings erwartungsgemäß eine große Zahl von gescheiterten Projekten gegenüber, die – dank der mit allen politischen Mitteln intervenierenden Konkurrenz – nicht über ein teuer erkauftes Privileg hinauswuchsen. Ebenso gingen ehemals hoch erfolgreiche Märkte geräuschvoll und lautstark unter.
Der den Wettbewerb begleitende und unterstützende Papierkrieg lässt daher nicht allein die wirtschaftspolitische Diplomatie der jeweiligen Gegner schlaglichtartig aufscheinen, sondern angesichts des Gegenstandes der Auseinandersetzung auch die zeitliche, räumliche und funktionale systemische Vernetzung im Waren- und Geldverkehr in den konfliktbedingt unterschiedlichen Perspektiven und Legitimationsstrategien der Zeitgenossen sowie ihr Wissen über die marktwirtschaftlichen Wettbewerbsstrukturen erkennbar werden.

English Version:

Concurrence between Markets in the High and Late Middle Ages in Europe

In the course of the Middle Ages a large number of markets formed complex networks of seasonal markets on local, regional and national levels which complemented and competed against each other with regard to dates, space and function. The significance of these markets, which was based on supply and demand of its customers, was embedded in the political frame of its economic sphere of influence.
Whenever a new potent rival tried to become part of a consisting market order, this never happened without tension. The respective representatives of the old and new order would have to define their position for the public anew, if they wanted to win the market’s participants for their markets or did not want to lose them in the case of already existing markets. Success created greet and imitators. Those who wanted to permanently compete/ survive in such a more or less open competition could not rest on their advantage of location but had to defend and develop their infrastructure all the time. Accordingly high was the effort the economic and political patrons and the people arranging market places had to conduct. Successful market foundations and grown market structures are in opposition to the expected high number of failed projects, which did never go further than a dearly bought privilege – due to the political means of the intervening competition. Accordingly, former successful markets could go down boisterously and deafeningly.
The red tape which accompanied and supported the competition does not only shed a harsh light on the economic and political diplomacy of the opponents but also the temporal, spatial and functional systematic networking concerning the goods and the money traffic in the disputed different perspectives. They show us also contemporaries’ strategies of legitimation and their knowledge about market-based structures of competition.