Beherrschen und Modernisieren. Der europäische Kolonialismus in populären Wissensmedien seit dem 19. Jahrhundert

UTE SCHNEIDER (Duisburg-Essen)
Die Kartierung Afrikas und die Geopolitik des Wissens

FRIEDRICH KIESSLING (Erlangen-Nürnberg)
Kolonien gewinnen und verlieren. Deutsche Kolonialdebatten in Presse und Publizistik vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart

SUSANNE GRINDEL (Braunschweig)
Koloniales Wissen. Die Popularisierung des Kolonialismus in europäischen Schulbüchern

THORSTEN HEESE (Osnabrück)
Szenografie des Kolonialismus. Kolonialgeschichte als museales Narrativ

JAN C. JANSEN (Konstanz)
Kolonialismus als Lokalgeschichte. Denkmäler und öffentlicher Raum in Algerien, 1880-1914

BENEDIKT STUCHTEY (Marburg)
Cricket und die Asche. Vom Siegen und Verlieren in einem imperialen Sport

Abstract:
Die Meistererzählungen des europäischen Kolonialismus sind geradezu klassische Beispiele von Gewinner- und Verlierernarrativen. In der Überzeugung von der Überlegenheit ihrer industriellen und technischen Entwicklung versprachen die Europäer der außereuropäischen Welt Fortschritt und Zivilisation durch koloniale Herrschaft und Modernisierung. Die vermeintlichen Verlierer der Geschichte sollten unter Anleitung der Sieger ebenfalls auf den Weg des Erfolgs und der Annäherung an Europa gebracht werden. Der Kolonialismus wurde dabei zum Werkzeug, das die Differenz zwischen Gewinnern und Verlierern verringern, wenn auch nicht aufheben sollte.
Damit die Erzählung von Beherrschen und Modernisieren als Fortschritt durch Kolonialismus, an deren Ende schließlich beide Seiten als Gewinner stehen würden, wirksam werden konnte, musste allerdings die Differenz von Siegern und Verlierern zunächst erst einmal etabliert und in der Folgezeit immer wieder neu gefestigt werden. Mit der Dekolonisierung verschob sich die Blickrichtung schließlich. Der Kolonialismus konnte nun nicht mehr als Erfolgsgeschichte zu beiderseitigem Nutzen präsentiert werden, sondern man musste sich auch seinen Folgen zuwenden und der Tatsache, dass die bislang zu Verlierern Erklärten sich nun offensiv als solche verstanden und die Übernahme von Verantwortung sowie Kompensation von den ehemaligen Kolonialstaaten verlangten.
Wie diese binären Erzählungen von Gewinnern und Verlierern etabliert und epistemisch festgeschrieben wurden, untersuchen die Beiträge der Sektion anhand von Medien im Spannungsfeld von gelehrtem und populärem Wissen. Der Blick auf Karten und Schulbücher, Massenpresse und Sport, Ausstellungen und Denkmäler zeigt, dass die Suggestionskraft derartiger Dichotomien vielfach bis heute ungebrochen fortbesteht – und das ungeachtet, ob es sich um affirmative oder kritische Darstellungen des Kolonialismus handelt.

English Version:
Ruling and Modernizing: European Colonialism in Popular Knowledge Media since the 19th Century

The master narratives of European colonialism are classic examples of tales of winners and losers. Firmly convinced of their industrial and technical superiority, Europeans promised progress and civilization to the non-European world through colonial rule and modernization; this promise suggested that, as the self-appointed winners of history, they would guide the supposed losers on the path to a similar success, a path bringing them closer to Europe. In this vein, colonialism came to be regarded as a tool for the reduction, albeit not the elimination, of the gap between the winners and the losers.
This gap needed to first be established and then repeatedly reinforced in order for the narrative of ruling and modernizing to take effect as a story of progress through colonization which would result in winners on all sides. This was a process that continued until decolonization required a change of perspective, overturning the previously valid presentation of colonialism as a success story for the benefit of both parties to the colonial relationship and confronting the “winners” of colonial narratives with the consequences of colonialism and the fact that those labelled “losers”, giving voice to their losses, were now calling for the former colonial states to assume responsibility and make amends.
The papers included in this panel investigate these binary narratives of winners and losers and how they were established and inscribed epistemically by exploring media promoting popular and scientific knowledge. Maps and textbooks, newspapers and sports, exhibitions and monuments all exemplify the power of suggestion exerted by these dichotomies of winners and losers and their persistence to this day, regardless of whether they emerge from a supportive or a critical stance toward colonialism.