Vom Augusterlebnis zum Frustergebnis. Der Erste Weltkrieg in deutschen Schulbüchern

PETER JOHANNES DROSTE (Aachen)

Abstract:

Der Erste Weltkrieg gehört bereits seit den 20er Jahren zu den festen Bestandteilen des Geschichtsunterrichts in Deutschland. Dies ist keinesfalls selbstverständlich, wenn man etwa an die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs denkt, die erst in den 60er und vor allem 70er Jahren Eingang in die deutschen Schulbücher fand. Während es normalerweise einer gewissen Frist bedarf, bis die Gegenwarts- und Zeitgeschichte zum Unterrichtsinhalt werden, waren es v.a. politische Gründe, die das Trauma des verlorenen Krieges zeitnah in den Geschichtsunterricht brachten. Die Rechtfertigung bzw. Relativierung der Kriegsschuld und die Revision des Versailler Friedens standen im Mittelpunkt eines in der Weimarer Politik stark instrumentalisierten Geschichtsunterrichts.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war daran freilich nicht mehr zu denken. Das Kaiserreich und Weimar waren nun die Vorgeschichte der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts geworden und dienten der vorläufigen Erklärung des Aufkommens des Nationalsozialismus in Deutschland. Die Fischer-Kontroverse dominierte seit den 60er Jahren weitgehend die Deutung der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Das Jubiläumsjahr 2014 hat die internationale Forschung stimuliert und neue Perspektiven kreiert. Diese schwanken zwischen konkreter Kriegsvorbereitung und dem „Schlafwandeln“ der europäischen Politik. Die Problemfragen des Geschichtsunterrichts in Deutschland sind immer noch von der Kriegsbegeisterung, der Kriegsschuldfrage und dem Versailler Vertrag geprägt.

English Version:

From enthusiasm  to frustration. World War I in German school textbooks.

Since the 1920’s world war I is a fundamental chapter for history classes in Germany. This does not go without saying, keeping in mind that World War II was not implemented in the curriculum as far as the 1970’s or even the 1980’s.
Current events and era-specific history usually take some time to make it into the classroom, but political agenda made the traumatic experience of the defeat part of history education quite promptly. Justification and relativisation of the war guilt, as well as the revision of the Versailles treaty was the linchpin of the strongly instrumentalised history education of the Weimar republic. After World War II, this model was of course out of the question. The empire and Weimar now built the Prequel to the most devastating calamity of the 20th century and were considered as the preliminary reason for the advent of National Socialism in Germany. Since the 60’s the Fischer controversy broadly dominates interpretation of German history of the 19th and the 20th century. The Jubilee in 2014 stimulated international research and created new perspectives on the topic. These perspectives waver between preparation for war and a “sleepwalking” state of European politics. War euphoria, war guilt and the Versailles treaty are still shaping the core theses of German history education.