Sektionen des Wissenschaftlichen Programmes – Alte Geschichte
, 2014
24SepMi
Verlierer in der „Konkurrenz unter Anwesenden“. Agonalität in der politischen Kultur des antiken Rom9:15 - 13:00 Ort: ZHG 001Sektionsleitung: Karl-Joachim Hölkeskamp
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KARL-JOACHIM HÖLKESKAMP (Köln) Einführung. Verlierer in der „Konkurrenz unter Anwesenden“. Probleme und Perspektiven
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EGON FLAIG (Rostock) und MARTIN JEHNE (Dresden)
Rück-, Seiten- und Ausblicke
Abstract:
Die der „Vergesellschaftung unter Anwesenden“ eigentümliche politische Kultur der unmittelbaren, präsentisch-performativen Interaktion setzt eine besondere räumliche und personale Verdichtung voraus. Damit verlangt sie eine direkte, individuell wie kollektiv (er-)lebbare Sichtbarkeit, Hörbarkeit und Erfahrbarkeit allen öffentlichen Handelns, ritueller Praktiken wie politischer Entscheidungsprozesse. Diese Sichtbarkeit muß zu einer dementsprechenden spezifischen Ausprägung des Handlungsmodus ‚Konkurrenz’ führen – und dies gilt vor allem in einer politischen Kultur, in der die wichtigsten und sozial profitabelsten Prominenzrollen in kompetitiven Verfahren wie Wahlen vergeben werden: Die Sichtbarkeit der Akteure, die auf der ‚Bühne’ der Öffentlichkeit als ‚Konkurrenten’ handeln, und diese ‚Bühnen’ selbst bestimmen nicht nur die konkreten Modi des Austrags – Wahlen, Gerichtsverfahren etc. – und ihre dynamische ‚Ver-Regelung’, sondern auch Habitus, Verhaltensmodi dieser Akteure. Die Sieger treten unmittelbar als solche auf – und mutatis mutandis sind die Verlierer ihrer Sichtbarkeit geradezu schmerzlich ausgesetzt.
Das der politischen Kultur eingeschriebene Problem, daß das Prinzip ‚Wahl’ als alternativenloses Verfahren der Reproduktion von aristokratischem Status, Rang und Reputation, regelmäßig Jahr für Jahr zwangsläufig eine erhebliche Zahl von Verlierern produzierte, ist als solches bislang in der Forschung kaum begriffen worden – und erst recht ist noch gar nicht erkannt worden, daß darin ein zentrales Problem einer hochgradig kompetitiven politischen Kultur besteht, das im Interesse der Stabilität eines solchen Systems gelöst werden muß. Gerade weil es einerseits für individuelle Angehörige der politischen Klasse der römischen Republik, die sich als ‚meritokratisch’ legitimierter Amtsadel permanent reproduzierte, bei den Wahlen zu eben diesen Ämtern um die Konstitution ihres Status und um ihren Rang innerhalb dieser Elite ging; gerade weil es andererseits zumindest bis in die späte Republik keine alternativen Karriereoptionen gab, die ein vergleichbares Prestige und symbolisches Kapital einbringen konnten, ist in dieser politischen Kultur mit einem hohen Potential an Gefährdung durch Strittigkeit der Geltung der Regeln bzw. ihrer konkreten Anwendung zu rechnen.
Daher ist danach zu fragen, welche Faktoren geeignet waren, den Ausgang einer Wahl für die Verlierer akzeptabel zu machen: Dazu könnten etwa der jährliche Takt der ‚Auslobung’ und die Quantität der ‚Siegesprämien’ (in Gestalt der Praeturen) zählen. Darüber hinaus ist nach der Möglichkeit zu fragen, ob und gegebenenfalls ab wann sich die Entstehung von Alternativen in Gestalt von neuen Distinktionsmerkmalen und Lebensentwürfen abzuzeichnen begann, die zunächst neben das klassische Karrieremuster des agonalen Erwerbs von honores traten, es später partiell ergänzten und womöglich schließlich gar ersetzten. Damit eröffnet sich eine über das ‚republikanische’ Projekt hinausgehende weitere Perspektive, die den besonderen Charakter der kulturspezifischen römischen ‚Agonalität’ und dessen Wandel in den Mittelpunkt stellen muß.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Karl-Joachim Hölkeskamp
24SepMi
Close Reading and Distant Reading. Methoden der Altertumswissenschaften in der Gegenwart15:15 - 18:00 Ort: ZHG 008Sektionsleitung: Tanja Scheer / Charlotte Schubert
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WOLFGANG SPICKERMANN (Graz) und CHRISTOPH SCHÄFER (Trier) Vernetzter Alltag in den Germanischen Provinzen. Ein AIDA Projekt
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MARTIN LANGNER (Göttingen)
Archäologische Datenbanken als virtuelle Museen
DIETA-FRAUKE SVOBODA (Tübingen)
Ein Schwabe im Orient. Auf den Spuren von Julius Euting
Abstract:
Ausgangspunkt dieser Sektion sind die von Franco Moretti so eindrücklich als ‚distant reading’ beschriebenen Auswirkungen von quantitativen Analysemodellen in Verbindung mit graphischen Visualisierungen. Unter dem Schlagwort ‚distant reading’ sind neue Möglichkeiten diskutiert worden, aus der Menge von Daten durch die Anwendung algorithmenbasierter Auswertung mit den Methoden des Textmining, des Clusterings oder des Topic Modeling neue Zusammenhänge aus sehr großen Text- und Datenmengen zu erkennen.[1] Komplexitätsreduktion, Visualisierung und exploratives Experimentieren haben aber auch auf ganz neue Fragen geführt, von denen nicht zuletzt die Qualität der zugrunde gelegten Daten eine wesentliche ist. Diese prägnanten Ausführungen zur Taxonomie der Formen in Morettis Graphs, Maps, Trees lassen sich verallgemeinern und auch auf ganz andere Visualisierungsformen übertragen, die für das neue Feld der Digital Humanities aber auch für ganz andere disziplinäre Traditionen von Bedeutung sind. Die Fragen, die dabei im Vordergrund stehen, sind, welche Art von Information wird verwendet, wie wird sie verarbeitet, welche Formalisierungen werden eingesetzt und vor allem, welche impliziten Bedeutungen werden mitgetragen. Wie schließlich verhält sich dieser Ansatz zu dem close reading, wie es bspw. in der traditionellen, historisch-philologischen Textanalyse praktiziert wird?
Alle Beiträge der Sektion stammen aus der Arbeitsgemeinschaft „Digital Humanities in den Altertumswissenschaften“ der Mommsen-Gesellschaft e.V. und greifen diese Zusammenhänge auf. Dabei ist es ein Anliegen der Sektion, die neuen Ergebnisse des letzten Jahres und gleichzeitig die Arbeit der Mommsengesellschaft den Mitgliedern des Historikerverbandes vorzustellen und zu diskutieren.
Die Visualisierung von räumlichen und zeitlichen Veränderungen von „Objekten“ und „Vorgängen“ und die Möglichkeit, historische Prozesse und Entwicklungen zu vermitteln, wird in dem Beitrag von Wolfgang Spickermann (Graz) und Christoph Schäfer (Trier) thematisieren. Mit Hilfe der Webble-Technologie (WEB-Based Life-like Entities), ist es möglich diese mit öffentlich zugänglichen (z.B. den großen Münz- und Inschriftendatenbanken) sowie weiteren lokalen Datenbanken (z.B. der Datenbank zu Heiligtümern in den Nordwestprovinzen) zu verbinden. Durch den Einsatz von Webble ist nicht nur die Integration unterschiedlichster verteilter Datenquellen möglich, sondern auch die dynamische Nutzung verschiedener Werkzeuge zur Geo- und Netzwerkanalyse. Durch diese Kombination bestehender, jedoch bis dato noch nicht verknüpfter digitaler Analyseverfahren können neue Fragestellungen und Perspektiven generiert werden. Dabei geht es vor allem um neue Arten der Hypothesenbildung, Perspektivenverschiebung durch die Genese explorativer Räume sowie die Visualisierung komplexer Räume, die rein textuell nicht in gleichem Maße umsetzbar sind.
Andreas Hartmann / Sabine Thänert (Augsburg) und Werner Rieß (Hamburg) gehen auf den methodischen Aspekt semantischer Vernetzung von genreübergreifenden, multirelationalen Datenbanken ein. Andreas Hartmann und Sabine Thänert werden Visualisierungsmöglichkeiten vorstellen (Graphen bzw. Tag Clouds), die einen neuartigen Zugriff des Benutzers auf bibliographische Informationen ermöglichen. Von besonderer methodischer Bedeutung für die Alte Geschichte ist auch die Verbesserung des systematischen Zugriffs auf die von der Klassischen Archäologie erschlossenen Sachquellen: Die Beiträge von Martin Langner und Matthias Lang zeigen, wie eine digitale Benutzerführung durch Virtualisierung ermöglicht wird: Martin Langner (Göttingen) schlägt am Beispiel archäologischer Datenbanken vor, diese Daten durch verstärkte Anstrengungen zur Kontextualisierung und Vernetzung zukünftig in der Art eines Virtuellen Museums zu präsentieren. Der Beitrag von Matthias Lang wird am Beispiel der Reisen des Orientalisten Julius Euting zeigen, wie Raum, Zeit und Objekt in einem gemeinsamen Interface visualisiert werden können und so einen vielfältigen Zugriff auf die Tagebücher des Forschers zulassen.
Im Hamburger Informationssystem zur Gewalt in der griechisch-römischen Antike, ERIS, das Werner Rieß vorstellt, werden verschiedenartigste Facetten der Gewaltausübung, die antiken Textstellen entnommen werden können, in Form von Objekten, Kategorien und „Informationen“ multirelational so miteinander vernetzt, dass sich Semantiken der Gewalt epochen- und genreübergreifend erkennen und zum ersten Mal visuell darstellen lassen. In einem ersten Schritt des Projekts soll das Material mit Hilfe soziologischer Parameter erschlossen werden.
Die Möglichkeiten der graphischen Visualisierung in Verbindung mit quantitativen Auswertungen mit Hilfe der Methoden aus dem Information Retrieval (insb. des Textmining) sowie die damit verbundenen Änderungen der Wissensrepräsentation zeichnet der Beitrag von Alexander Weiß (Leipzig) nach. Das Ziel ist es, Einsatzmöglichkeiten der automatischen Zitationsanalyse für Autoren mit umfänglichen Werken – hier Clemens’ „Teppiche“ und die Moralia des Plutarch- zu analysieren, um anhand des Vergleichs der Arbeitsweise deren Verankerung in kulturellen Praktiken zu erschließen; das Vorgehen basiert auf der Hypothese, daß es spezifische Muster des Zitierens gibt und diese Ausdruck einer zeitgenössisch geprägten Praxis sind.
Die Sektionsleiterinnen (Tanja Scheer, Göttingen; Charlotte Schubert, Leipzig) werden aus unterschiedlicher Perspektive kurz in das Thema einführen sowie die Diskussionsleitung übernehmen.
[1] Die Formulierung ‚distant reading’ stammt von F. Moretti, Graphs, Maps, Trees, London/New York 2007; zu der Methodendiskussion vgl. v.a. L. Manovich, The language of new media, MIT Press 2007 und G. Crane, What Do You Do with a Million Books? D-Lib Magazine, Vol. 12/3 March 2006 (http://www.dlib.org/dlib/march06/crane/03crane.html, 26.4. 2013).
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Tanja Scheer / Charlotte Schubert
25SepDo
Veni, vidi, vici. (Re)präsentation von Sieghaftigkeit in der Antike9:15 - 13:00 Ort: ZHG 102Sektionsleitung: Volker Menze
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VOLKER MENZE (Budapest) Staat, Regierung, Repräsentation und Akzeptanz. Einleitung zur aktuellen Forschungsdiskussion
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VOLKER MENZE (Budapest)
In hoc signo victor eris. Die Christianisierung des Sieges in der Spätantike
Abstract:
Das Motto des 50. Deutschen Historikertages „Gewinner und Verlierer“ möchte die hier vorgestellte Sektion „Veni, vidi, vici: (Re)präsentation von Sieghaftigkeit in der Antike“ für einen strukturgeschichtlichen Zugriff auf die politische Memorialkultur antiker Gemeinwesen und ihrer leitenden Akteure vom Hellenismus bis zur Spätantike nutzen. Vergleichspunkt für die hier im Blickpunkt stehenden Staaten – frühe Diadochenstaaten, Ptolemäerreich, römisches Kaiserreich und christliches imperium Romanum – ist das monarchische Element ihrer Regierung. Denn ungeachtet aller struktureller und kultureller Unterschiede standen alle diese Monarchien unter stetem Legitimationsdruck, den Gehrke im Anschluss an Max Weber mit dem Begriff der „charismatischen Herrschaft“ umschrieben hatte.
Uns leitet daher die Frage, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der (Selbst)darstellung des Siegers und der Präsentation seiner Sieghaftigkeit im Wandel der Zeit (300 v. Chr. – 600 n. Chr.) bei Griechen und Römern bestanden und ob sich übergreifende Konzepte in der Darstellung von Sieg und Sieghaftigkeit feststellen lassen, die für den antiken Menschen allgemeinverständlich waren. Denn die verschiedenen staatlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Systeme basierten auf ganz unterschiedlichen Kommunikationsformen mit Untertanen, abhängigen und befreundeten Staaten oder auswärtigen Feinden und Konkurrenten.
Dabei soll der Zugang sowohl über den Begriff des „Sieges“ erfolgen, der grundsätzlich den militärischen Triumph über den Gegner in einer Schlacht bezeichnete, sowie über den Begriff 1 der „Sieghaftigkeit“, der sich, um die eigene Leistung zu überhöhen, auch aus nicht- militärischen Triumphen speisen konnte. Sieghaftigkeit konnte also auch ohne „Sieg“ vermittelt werden oder zum Medium im politischen Diskurs werden, beispielsweise dann, wenn „Siege“ durch die Bevölkerung nicht als solche anerkannt wurden. Ließ ein Herrscher in einem solchen Fall seine „Sieghaftigkeit“ feiern, setzte er sich dem Spott der Bevölkerung aus und delegitimierte somit seine Herrschaft.
Da bei der Präsentation des Siegers immer auch die (implizite) Darstellung des Gegners bzw. Verlierers eine Rolle spielte, soll auch sie als Darstellungskomponente von Sieghaftigkeit betrachtet werden. Die Spanne reicht hier von Verschweigen (etwa des Marc Anton durch Augustus) und Überhöhung der eigenen Kampfkraft (etwa der Juden im Jüdischen Krieg) bis hin zur Dämonisierung des Gegners (etwa der Perser durch Heraclius). Dadurch soll gleichzeitig auch die Vielschichtigkeit von Sieghaftigkeit und ihrer Darstellung aufgewiesen werden, denn der Gegner von heute konnte überraschend schnell der Partner von morgen sein. Die Quellen lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass bereits in der Antike binäre Vorstellungen von Freund – Feind überwunden worden waren und die Sicht auf den Gegner häufig viel komplexer war, als es binäre Schemata der Selbstdarstellung vermuten lassen.
Die Sektion wird einen hermeneutischen, vom Quellenbestand ausgehenden Ansatz wählen, um von diesem ausgehend konzeptionelle Modelle für den jeweiligen Herrscher bzw. die Epoche zu entwickeln. Archäologische Funde und Befunde, numismatische, epigraphische und papyrologische Quellen sollen gleichberechtigt zu literarischen Zeugnissen herangezogen werden. Denn im Gegensatz zur literarischen Selbst(re)präsentation bzw. zur historiographischen Aufarbeitung des siegreichen Herrschers erreichten sie im allgemeinen ein breiteres Zielpublikum und bieten gleichzeitig ein Bild ihrer Zeit.
Der besondere Reiz des zu behandelnden Zeitraumes vom Hellenismus bis zur Spätantike liegt vor allem in den unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Monarchien: ein christlicher Kaiser hatte nicht die Pflicht, sich als siegreicher Schlachtenheld wie Alexander der Große zu gerieren. Und ein hellenistischer Monarch konnte sich anderer Repräsentationsmodi bedienen als der an das System doppelbödiger Kommunikation gebundene römische Kaiser. Von zentraler Bedeutung sind deshalb Fragen nach der Art und Weise, wie sich diese Unterschiede auf der Ebene der Repräsentation von Sieghaftigkeit transferierten, die zu jeder Zeit in bildlichen wie auch schriftlichen Quellen eine herausragende Rolle für die herrscherliche Selbstdarstellung spielte. Des Weiteren ist danach zu fragen, wie – reale oder vorgeschobene – Siege Zeitgenossen präsentiert und wie sie für die Nachwelt als erinnernswerte Ereignisse tradiert wurden und welche 2 Darstellungskonstanten sich in der Historiographie auch über die Jahrhunderte feststellen lassen.
Ziel der Beiträge ist also sowohl eine Auswertung der herrscherlichen Selbstdarstellung als auch der historiographischen Tradition, soweit diese greifbar ist. So sollen Kontinuitäten und Wandel in der Präsentation von Sieghaftigkeit untersucht und ihre Bedeutung für die Legitimation von Herrschaft in ihrer kommunikativen Bedingtheit verstanden werden.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Volker Menze
26SepFr
Institutionalisierung von Konkurrenz im archaischen Griechenland9:15 - 13:00 Ort: ZHG 101Sektionsleitung: Jan B. Meister / Gunnar Seelentag
Event Details
GUNNAR SEELENTAG (Frankfurt am Main) Gewinn und Verlust im „Spiel” [...]
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Jan B. Meister / Gunnar Seelentag