Gewinner und Verlierer in Medien der Selbstdarstellung. Bilder, Bauten, Inschriften, Leichenpredigten, Münzen, Medaillen und öffentliche Bekenntnisschriften im 16., 17. und frühen 18. Jahrhundert

JÖRG LAMPE (Göttingen)
Einführung

RUTH SLENCZKA (Berlin)
Verlierer als Gewinner: Porträts als Medien der dynastischen Selbstdarstellung

SEBASTIAN SCHOLZ (Zürich)
Gewinner und Verlierer in öffentlichen Bekenntnisschriften

BARBARA UPPENKAMP (Kassel)
Das Schloss als Ort symbolischer Kommunikation von Gewinnern und Verlierern

HENDRIK MÄKELER (Uppsala)
Elefanten, Schlangen und Böcke: Gewinner und Verlierer in der Münz- und Medaillenkunst

JÖRG LAMPE (Göttingen)
Gewinner und Verlierer in Grab- und Bauinschriften des 16. und 17. Jahrhunderts

JÖRG WITZEL (Marburg)
Gewinne aus Verlust!?
Von Verlusten in autobiographischen Texten aus Leichenpredigten

THOMAS KAUFMANN (Göttingen)
Moderation

Abstract:
Die Debatten um „Medialität“ und „Materialität“ von Schrift haben auf den besonderen Charakter von Quellen aufmerksam gemacht, die nicht aus dem Schriftgut von Verwaltungen oder Privatpersonen entstanden sind. Als „Medien der Selbstdarstellung“ ermöglichen es die in der Sektion behandelten Quellen, die Präsentation, Verarbeitung und Umdeutung von Erfolg und Niederlage in der Frühen Neuzeit aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick zu nehmen.
Wenn der Fortbestand, die politische oder ökonomische Bedeutung einer fürstlichen Familie gefährdet waren, stieg ihr Legitimations- und damit der Repräsentationsbedarf. Die Analyse von Ahnenporträts des 16. Jahrhunderts zeigt, wie in solchen Situationen das Verhältnis zwischen Gewinn und Verlust neu ausgelotet und umgedeutet wurde. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen ließ 1587 und 1590 in den Schlosskirchen von Schmalkalden bzw. Rotenburg an der Fulda längere Texte anbringen, mit denen er seine Vorstellung von der Überlegenheit der Reformation über den katholischen Glauben präsentierte. Politische Konflikte des 16. Jahrhunderts, in denen sich Fürsten und Adelige als Söldnerführer oder Finanziers betätigten, hatten Auswirkungen auf den Bau von Schlössern in Niedersachsen und dem Weserraum. Konflikte innerhalb dieser Gruppen wurden gleichzeitig auf symbolischer Ebene ausgetragen, was Spuren in repräsentativen Raumausstattungen oder in wehrhaften Elementen des Schlossbaus hinterließ. Münzen und Medaillen, die in Schweden und Dänemark im 17. Jahrhundert zum Schlachtengedenken geprägt wurden, zeigen, wie das Geschehen durch Überhöhung oder Umdeutung der Ereignisse intellektuell und künstlerisch verarbeitet wurde.
Zeitgenössische Maßstäbe dafür, was „Gewinner“ im Adel und Bürgertum ausmachte, lassen sich aus zwischen 1550 und 1650 entstandenen Grabinschriften ablesen, die außergewöhnliche Erfolge der Verstorbenen den Zeitgenossen und der Nachwelt präsentierten. Noch bemerkenswerter ist, wie Grab- und Bauinschriften den Lesern Niederlagen und Verluste vermitteln. Autobiographisch geprägte Lebensläufe, die in Leichenpredigten aus den Jahrzehnten um 1700 enthalten sind, machen deutlich, wie Menschen in der Frühen Neuzeit mit Verlusterfahrungen umgingen, seien sie persönlich-familiär verursacht oder durch den Einbruch historischer Geschehnisse in ihre Lebenswelten.

English Version:
The debates on “mediality” and “materiality” of writing have drawn our attention to the special character of those sources that did not derive from administration or individuals. In this section the contributors look at sources of this kind as “media of self-reflection”. From different points of view they want to give an insight into the presentation and interpretation of success and failure in the early modern age.
If a princely family was in danger of losing political or economic power or even its existence the need of legitimation and representation was rising. The analysis of ancestral portraits of the 16th century shows how in such situations profit and loss were newly defined. In 1587 and 1590 Landgrave Wilhelm of Hesse had long texts installed in the churches of his castles in Schmalkalden and Rotenburg an der Fulda in which he depicts his idea of the superiority of the reformation over the Catholic faith. In the 16th century noblemen were engaged in political conflicts as mercenary leaders or financial sponsors which effected the building of castles in Lower Saxony and the Weser area. At the same time conflicts among those groups of noblemen were solved symbolically and left traces in the representative interior decor as well as in the fortification of castles. In Sweden and Denmark coins and medals were minted in memory of battles in the 17th century. They show the way actions were interpreted intellectually and artistically.
Several epitaphs dating from 1550 to 1650 present the extraordinary success of the deceased and thus show us the criteria for winners and losers at that time. It is even more remarkable in which way the inscriptions on gravestones and buildings represent people’s failure and losses. Funeral sermons from the decades about 1700 show how people had to cope with the experiences of loss either caused by personal circumstances or historical events.