Gewinnen und Verlieren in der Überlieferung. Kirchliche Quellen zum Ersten Weltkrieg

RAINER HERING (Schleswig/Hamburg)

Abstract:

Im Jubiläumsjahr 2014 wird eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg in der Geschichtswissenschaft, gerade aber auch in der historisch interessierten Öffentlichkeit beginnen. Während sich lange Zeit, gerade im Kontext der Fischer-Kontroverse, die Debatte um außenpolitische und militärische Fragen drehte, so ist in den letzten Jahren der Kriegsalltag an der Front und in der Heimat stärker in den Blick genommen worden. Dabei ist die Rolle der Kirchen bislang nur wenig auf der Basis umfangreicher Archivquellenauswertungen in Augenschein genommen worden.
Dabei spielten die Kirchen, vor allem die evangelischen Landeskirchen, eine wichtige Rolle im Alltag. Auf der einen Seite sorgten die meisten Pastoren bzw. Pfarrer mit ihren Predigten für eine Akzeptanz der sich zunehmend verschlechternden Lebensbedingungen, überbrachten Todesnachrichten und boten den Angehörigen von Gefallenen Trost und Seelsorge, unterstützen mit Siegesläuten, Briefen und gedruckten Predigten die Moral der Soldaten an der Front und übernahmen im Alltag viele staatliche Funktionen, z.B. die Werbung für Kriegsanleihen, die Mitteilung von staatlichen Anordnungen, das Sammeln von oder die Koordination von Hilfsarbeiten, wie z.B. Nähen, für die Soldaten. Diakonische Einrichtungen sorgten sich um Verwundete.
Der Vortrag weist auf Quellen zu diesen Themenbereichen hin, die in kirchlichen Archiven zu finden sind und das Handeln der Institution wie der Geistlichen aber auch das des Staates konkret vor Ort verdeutlichen. Der Entwicklungsprozess vom Feiern der Deutschen als „Gewinner“ hin zum Umgang mit ihrer Rolle als „Verlierer“ wird durch die vier Kriegsjahre deutlich erkennbar. Sichtbar werden auch Auswirkungen der vater- und männerlosen Heimatgesellschaft, z.B. auf die heranwachsende Jugend – hier liegen die Wurzeln einer eigenen kirchlichen Jugendarbeit. Der Vortrag betont die Notwendigkeit, die Rolle der Kirchen und der Geistlichen sowie die der diakonischen Einrichtungen im Ersten Weltkrieg quellennah zu analysieren.

English Version:

Winning and Losing in Historical Tradition: Ecclesiastical Sources Concerning World War One

Exploring the everyday life during World War One the role of the churches is important. Especially the protestant pastors were closely related to the state. On one hand Pastors helped to keep up the moral of the soldiers by their sermons and spiritual guidance. On the other hand they supported people at home in accepting the downgrading conditions. They delivered the news of soldier’s death to the families, they promoted to sign the war bonds, they spread official directive from the state. The churches were involved in welfare and social work esp. for wounded soldiers, fatherless families and children. The youth ministry has its origin during World War One.
The paper analyzes the process from celebrating Germany in winning situations to taking care of the lost monarchy and nation. It stresses the importance of ecclesiastical sources for the understanding of the everyday life during World War One.