Zwischen nationalem Geschichtskanon, regionalen Identitäten und Familiengedächtnis. Der Erste Weltkrieg im historischen Bewusstsein der Polen

MATEUSZ HARTWICH (Berlin)

Abstract:

Überblickt man einschlägige geschichtswissenschaftliche, populäre und didaktische Publikationen in Polen, gewinnt man schnell den Eindruck, der Erste Weltkrieg hätte sich dort kaum abgespielt. Im nationalen Geschichtskanon reduziert sich die Bedeutung des Krieges auf seinen Ausgang, hier: der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen im November 1918, und reiht die Ereignisse der Jahre 1914-1918 in den dominierenden Diskurs des Jahrhunderte langen Strebens nach Freiheit und Souveränität ein. Gleichzeitig existiert eine „dezentrale“ Wahrnehmung, die den Fokus auf individuelle Erfahrungen der Menschen und auf historische Orte fernab der Hauptstadt richtet.

English Version:

The Forgotten War. The First World War in Polish Education and History Culture

When you look on publications in academic research, education and popular culture in Poland, one could easily get the impression that the First World War never took place in this country. The national history canon focuses on the outcomes of the Great War, i. e. Polish independence in November 1918. Thus, the events of 1914-18 become part of the dominant narration about a century-long struggle for freedom and sovereignty. On the other hand there is a de-centralized reception of the war, focusing on regional differences and individual experience.