Sektionen des Wissenschaftlichen Programmes – Neuzeit
, 2014
24SepMi
Herrschaft und ihre Mittlerinstanzen. Lokale Administrationen und Akteure in den im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht besetzten Gebieten9:15 - 13:00 Ort: ZHG 003Sektionsleitung: Tatjana Tönsmeyer / Peter Haslinger
Event Details
PETER HASLINGER (Marburg) Moderation TATJANA TÖNSMEYER (Wuppertal/Essen) Einführung HAGEN FLEISCHER (Athen) Die Administration im besetzten Griechenland. Handlanger [...]
Event Details
PETER HASLINGER (Marburg)
Moderation
TATJANA TÖNSMEYER (Wuppertal/Essen)
Einführung
HAGEN FLEISCHER (Athen)
Die Administration im besetzten Griechenland. Handlanger oder Puffer?
DIETER POHL (Klagenfurt)
Kommentar
Abstract:
Die Geschichte des Zweiten Weltkrieges ist in den vergangenen Jahren vor allem als Geschichte der nationalsozialistischen Expansion geschrieben worden. Einheimische Institutionen als ausführende Organe der Besatzungsmacht haben in der Forschung hingegen bislang wenig Beachtung gefunden. Angesichts eines außerordentlich hohen Personalbedarfs waren die deutschen Besatzer jedoch zur Ausübung ihrer Herrschaft auf diese als Mittlerinstanzen angewiesen. Diesen Mittlerinstanzen, von den Lokalverwaltungen bis hin zu Genossenschaften, wird sich die Sektion annehmen und dabei die Frage nach „Gewinnern“ und „Verlierern“ thematisieren.
Die lokalen Verwaltungen und Akteure erfüllten in den Besatzungsgebieten eine Doppelfunktion: Als Teil gesellschaftlicher Strukturen nahmen sie eine Mittlerstellung zwischen Staat und Bevölkerung ein und eröffneten so Handlungsspielräume für Gruppen und Individuen, die unterschiedlichste politische, soziale oder auch persönliche Ziele verfolgten. Als Teil der administrativen Infrastruktur eines Landes wurden sie aber auch für die Durchsetzung nationalsozialistischer Besatzungspolitik auf lokaler Ebene instrumentalisiert. Angesichts von Amtsenthebungen, Repressionen und Sanktionen einerseits, sowie Chancen auf soziale Mobilität und persönliche Versorgung und Bereicherung andererseits, wurden lokale Funktionsträger zu Akteuren in zum Teil existentiell bedrohlichen Konfliktsituationen.
Die Sektion will in gesamteuropäischer Perspektive der Frage nachgehen, inwieweit einheimische Institutionen intermediäre Funktionen zwischen Besatzern und lokaler Bevölkerung übernahmen und welche sozialen Praktiken hierbei zum Tragen kamen. Des Weiteren wird die Sektion untersuchen, inwieweit es für lokale Akteure möglich war, Kompetenzreservate zu schaffen und Handlungsspielräume auszuschöpfen, wenn es beispielsweise darum ging, die Freilassung von Kriegsgefangenen zu verhandeln, Terrorakte der Besatzer einzudämmen oder Mangelsituationen abzuhelfen. Hier sollen Schlüsselpositionen innerhalb von Verwaltungsstrukturen identifiziert und Bedingungen für Erfolg und Misserfolg von Aushandlungsprozessen oder direktem Widerstand analysiert werden. Schließlich wird die Sektion auf der Grundlage der Betrachtung von Kriegsbiographien auch individuelle Schicksale in den Blick nehmen und ältere, stereotype Vorstellungen von „Kollaboration“ revidieren. Dadurch stellt sie letztendlich auch die Dichotomie zwischen „Tätern“ und „Opfern“ bzw. „Gewinnern“ und „Verlierern“ infrage und ermöglicht so einen differenzierteren Blick auf Besatzungsgeschichte.
English Version:
Rule and its Institutions. Local Administrators and Actors in Occupied Europe during the Second World War
In recent years, the history of the Second World War has tended to be written as, above all, the history of National Socialist expansion. Local institutions have so far received little attention in their role as executive organs of the occupying powers. As a consequence of their extraordinarily high need for personnel, the German occupiers were forced to exercise their rule through these middle-men. This section will examine these intermediaries, from local administrations through to co-operatives, and will thereby seek to answer questions as to who the ‘winners’ and ‘losers’ of the occupation were.
Local administrators and actors in areas under occupation fulfilled a dual function: as part of the societal structures, they took up the position of mediators between the state and society, thereby opening up room for manoeuvre for groups and individuals pursuing the most varying of political, social or even personal aims. However, as part of the administrative structure of the country they were also instrumentalised for the implementation of National Socialist policies of occupation at a local level. In consideration of the dismissals, repressions and sanctions on the one hand, and the chances for social mobility and personal provision and enrichment on the other, local officials were transformed into decisive actors in sometimes existentially-threatening conflict situations.
In a pan-European perspective, this section will seek to explore the question of the extent to which local institutions took over intermediary functions between the occupiers and the local population, and which of the social practices which they employed in this respect came to fruition. Furthermore, this section will also examine how successful local actors were in carving out areas of competence for themselves and exploiting the room for manoeuvre they were offered, for example in relation to negotiating the release of prisoners of war, reducing acts of terror by the occupying forces, or remedying shortages of food and other materials. Key positions within the administrative structures will be identified, and the conditions for the success or failure of negotiating processes or direct resistance analysed. Finally, on the basis of a consideration of wartime biographies, this section will also take into account the fates of individuals during the war, and seek to revise long-standing stereotypical notions of ‘collaboration’. In so doing it will ultimately attempt to challenge the simple dichotomy between ‘perpetrators’ and ‘victims’, ‘winners’ and ‘losers’, thereby paving the way for a more nuanced understanding of the history and dynamic of occupation.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Tatjana Tönsmeyer / Peter Haslinger
24SepMi
Gewinner und Verlierer „Nach dem Boom” in Westeuropa9:15 - 13:00 Ort: ZHG 102Sektionsleitung: Morten Reitmayer
Event Details
MORTEN REITMAYER (Trier) Einführung. Gewinner und Verlierer „nach dem Boom” in Westeuropa LUTZ RAPHAEL [...]
Event Details
MORTEN REITMAYER (Trier)
Einführung. Gewinner und Verlierer „nach dem Boom” in Westeuropa
CHRISTIAN MARX (Trier)
Gewinner und Verlierer von Multinationalisierung
DIETMAR SÜSS (Augsburg)
Gewinner und Verlierer der Flexibilisierung der Arbeitszeit
STEFANIE MIDDENDORF (Halle-Wittenberg)
Gewinner und Verlierer der kulturellen Moderne in Frankreich
HARTMUT KAELBLE (Berlin)
Kommentar
Abstract:
Die zeithistorische Sektion versucht, Gewinner und Verlierer der wirtschaftlichen und kulturellen Dynamiken seit den 1970er Jahren in den westeuropäischen Gegenwartsgesellschaften zu identifizieren. In Form eines Überblicksvortrags und mehreren Vertiefungen sollen neben den „Verlierern“ der Umbrüche jenes Jahrzehnts auch und vor allem die Aufbrüche, die Möglichkeiten des Gewinns neuer Lebenschancen und die neuen oder sich ausweitenden Partizipationschancen untersucht werden. Das Ziel der Sektion besteht darin, das Verhältnis zwischen „Gewinnern“ und „Verlierern“ überhaupt abschätzbar zu machen. Darüber hinaus soll zum einen darüber Aufschluss gegeben werden, inwieweit die zeitgenössische Wahrnehmung die Gewinner- und Verlierergruppen überhaupt als Gruppe zur Kenntnis genommen hat; zum anderen sollen die Handlungsspielräume, die Erfolgs- und Bewältigungsstrategien von Gewin-ner- wie Verlierergruppen ausgelotet werden.
Die neueste zeithistorische Forschung hat sich der unmittelbaren Vorgeschichte der westeuropäischen Gegenwartsgesellschaften unter dem Stichwort „Nach dem Boom“ anzunähern versucht und damit vor allem den „Strukturbruch“ gegenüber der Epoche des starken Wirtschaftswachstums, des Massenkonsums, des Fortschrittsoptimismus und der sich konsolidierenden Demokratie nach 1945 postuliert. Diese Annahme soll in der beantragten Sektion kritisch überprüft werden.
Zwei zentrale Merkmale der Boom-Epoche waren demnach zum einen das (vorübergehende) Verschwinden der Massenarbeitslosigkeit gewesen, zum anderen eine relative Angleichung der Einkommensgruppen, also ein Rückgang materieller Ungleichheit. Dieser Prozess, der schon im ersten Viertel des 20. Jahrhundert begonnen hatte, kam im Verlauf seines letzten Viertels an sein Ende. Seit dem entstanden nicht nur die „neuen sozialen Ungleichheiten“, auch die „alten“ nahmen zu, kurz: Die Jahrzehnte „nach dem Boom“ brachten in einem für die Zeitgenossen völlig unbekannten Ausmaß Gewinner und Verlierer hervor.
Die zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen haben sich in der Bundesrepublik aus begreiflichen Gründen vorzugsweise mit den Verlierern dieser Prozesse beschäftigt. Dem kam eine massenmedial vermittelte öffentliche Aufmerksamkeit entgegen, die sich in der Bundesrepublik besonders für die Nachfahren der industriellen Aufbaugeneration interessiert, also vor allem für die Stahl- und Bergarbeiter im Ruhrgebiet (etwa beim Arbeitskampf in Duisburg-Rheinhausen 1987/88). Doch Arbeitsplätze gingen nicht nur hier verloren, sondern generell in den Großbetrieben der „alten“ Industrien, also auch im Schiffbau und in der Textilindustrie. Gleichzeitig zeigten sich seit den 1970er Jahren in Westeuropa auch weite Teile der kulturellen Entwicklung als von Märkten angetrieben (Beispiel: Privatfernsehen mit national-spezifisch eigenen Geschwindigkeiten). Auch hier standen „Gewinne“, z.B. der Auswahlmöglichkeiten, „Verlusten“ gegenüber (etwa der Gefahr einer Vereinheitlichung des kulturellen Angebots). Auch diese Prozesse wurden von den Zeitgenossen kontrovers diskutiert.
In den zeitgenössischen Sichtweisen sind allerdings die materiellen Gewinner des wirtschaftlichen Wandels entweder nicht sichtbar oder nur indirekt in den Blick genommen geworden. Aus diesem Grund versucht die Sektion in einem ersten Beitrag zunächst, einen Überblick über die materiellen Gewinner und Verlierer im Prozess des Wandels der Industriearbeit im Westeuropa zu verschaffen, der präziser als bisher vorgenommen die einzelnen sozialen Gruppen im Ausmaß ihrer Betroffenheit identifiziert (Vortrag von Lutz Raphael). Dabei soll auch geklärt werden, welche „assets“ den „Gewinnern“ zu ihrem Erfolg verhalfen, und welche sozialen Merkmale (Alter, Geschlecht, Bildungstitel, aber auch die Möglichkeit zu räumlicher Mobilität) die Verlierer trugen
In einem zweiten Schritt Aufschluss darüber gegeben werden, welche Strategien den Akteuren zur Verfügung standen, um die Folgen der Umbrüche zu bewältigen. Diese Frage zielt sowohl auf individuelle und kollektive „Gewinner-Strategien“ als auch auf Möglichkeiten und Erfolgschancen kollektiver Protestformen.
Nach dieser „Übersichtsdarstellung“ sollen zwei Beiträge einzelne Problemfelder vertiefend untersuchen. Zum einen erfolgte seit den 1970er Jahren eine Welle der „Multinationalisierung“, also des Versuchs von Unternehmen, durch Fusionen mit bisherigen ausländischen Konkurrenten den sinkenden Wachstumszahlen zu trotzen, Synergieeffekte freizusetzen, billiger zu produzieren, lukrative Märkte erschließen zu können usw. (Christian Marx). Diese Bewegung brachte zweifellos Verlierer hervor, z.B. wenn als unrentabel erachtete Betriebseinheiten oder ganze Werke geschlossen wurden. Andererseits gab es auf allen Ebenen, von Berufsgruppen über neue Marktnischen bis hin zu Regionen, die sich als attraktive Standorte zu profilieren vermochten, auch Gewinner der Multinationalisierung. Hier soll eine Schneise zur Vertiefung des wirtschaftshistorischen Verständnisses der Post-Boom-Epoche und ihrer Gewinner wie Verlierer geschlagen werden.
Zum anderen wurde „Flexibilität“ zu einem entscheidenden Faktor für die Zugehörigkeit zu Gewinner- oder Verlierergruppen, und „Flexibilisierung“ zu einem der wichtigsten Anpassungsmechanismen, der Individuen wie Gruppen, Unternehmen wie staatlichen Regulierungen abverlangt wurde (Dietmar Süß). Hier soll der Frage nachgegangen werden, wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit seit den 1970er Jahren Gewinner und Verlierer entstehen ließ. An dieser Stelle ist die Zuordnung von „Gewinnern“ und „Verlierern“ weniger einfach und offensichtlich, da beispielsweise die Flexibilisierung der Arbeitszeit sowohl neue Möglichkeiten als auch neue Zwänge entstehen ließ, die sich als Gegensatzpaare ausdrücken lassen (z.B. Autonomie vs. Sicherheit. Dabei ist daran zu erinnern, dass gerade die Flexibilisierung der Arbeitszeit in den Unternehmen und auf Branchenebene einen heftig umkämpften Gegenstand darstellten, weshalb an dieser Stelle auch kollektive Protestformen und Bewältigungsstrate-gien offenbar werden.
Schließlich soll eine Fallstudie zur französischen Kulturpolitik nach 1970 Aufschluss geben über die semantische Konstruktion von „Gewinnern“ und „Verlierern“ „nach dem Boom“ (Stefanie Middendorf). Hier sind weniger die materiellen als die kulturellen „Gewinner“ und „Verlierer“ von Belang. Bemerkenswerter Weise scheint in der zeitgenössischen Auseinandersetzung über die soziokulturellen Auswirkungen der Moderne in Frankreich der zentrale Bezugspunkt der Diskussion die Kommerzialisierung und Vermarktlichung der Massenmedien bzw. der Kultur überhaupt gewesen zu sein. Deren Auswirkungen wurden jedoch kontrovers diskutiert: Während eine Richtung der kulturpolitischen Diskussion die Märkte für kulturelle Güter als Bedrohung des kulturellen Pluralismus in Frankreich ansahen, sah eine andere Richtung das „Spiel des Marktes“ als Chance, breite Bevölkerungsschichten kulturell zu erreichen. Ungeklärt ist dabei allerdings, inwiefern beide Richtungen die aktive kulturelle Partizipation unterschiedlicher sozialer Gruppen überhaupt ins Auge gefasst haben.
Der abschließende Kommentar stellt sich der Herausforderung, die Einzelbefunde der Vorträge in ein Gesamtbild der europäischen Sozialgeschichte „nach dem Boom“ einzuordnen, sie aber gegebenenfalls auch in der Reichweite ihrer Argumente, vor allem hinsichtlich der An-nahme einer Epochenzäsur, zu korrigieren.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Morten Reitmayer
24SepMi
Vertreibungen und Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert. Gewinner und Verlierer im deutsch-polnischen Kontext9:15 - 11:00 Ort: ZHG 005Sektionsleitung: VHD / PTH
Event Details
MARTIN SCHULZE WESSEL (München) und KRZYSZTOF ZAMORSKI (Krakau) Einführung JAN M. PISKORSKI (Stettin) Gesprächsteilnehmer ROBERT TRABA (Berlin) Gesprächsteilnehmer MICHAEL SCHWARTZ (München/Berlin) Gesprächsteilnehmer CLAUDIA KRAFT (Siegen)
Event Details
MARTIN SCHULZE WESSEL (München) und KRZYSZTOF ZAMORSKI (Krakau)
Einführung
JAN M. PISKORSKI (Stettin)
Gesprächsteilnehmer
ROBERT TRABA (Berlin)
Gesprächsteilnehmer
MICHAEL SCHWARTZ (München/Berlin)
Gesprächsteilnehmer
CLAUDIA KRAFT (Siegen)
Gesprächsteilnehmerin
JÖRG HACKMANN (Stettin)
Moderation
Abstract:
Die Debatten über den Zweiten Weltkrieg und seine Konsequenzen beschäftigen und polarisieren die deutsche und polnische Öffentlichkeit wie kaum ein anderes historisches Thema. Trotz der beachtlichen Fortschritte in der historischen Forschung in den vergangenen Jahren über die Genese der Zwangsaussiedlungen im Europa des 20. Jahrhunderts sind jedoch über die Grenzen der jeweiligen nationalen Öffentlichkeit hinausreichende Diskussionen nach wie vor überschaubar.
Dennoch zeichnen sich auch Umrisse einer transnationalen Dimension ab, die nicht mehr allein um die kollektive (d.h. nationale) politisch-juristische und ethische Verantwortung zentriert ist, sondern kultur- und gesellschaftswissenschaftliche Perspektiven auf das Problem entwickelt. Das Prisma von Verlust und Gewinn eignet sich, um das Spektrum dieser Aspekte sichtbar zu machen: Dazu zählen etwa die gesellschaftliche Integration der Vertriebenen, Karriereauf- und abstiege ebenso wie die kritische Betrachtung von Erinnerungskulturen und Opfernarrativen.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 11:00
Sektionsleitung
VHD / PTH
24SepMi
Fürstliche Verlierer? Europäische Monarch(i)en zwischen Niedergang und Behauptung im 19. Jahrhundert 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 002Sektionsleitung: Daniel Schönpflug
Event Details
DANIEL SCHÖNPFLUG (Berlin) Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer HEIDI MEHRKENS (St Andrews)
Event Details
DANIEL SCHÖNPFLUG (Berlin)
Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer
Abstract:
Das lange 19. Jahrhundert mündete in der Katastrophe eines Weltkriegs, der das Ende für zahlreiche Dynastien und Monarchien bedeutete. Dennoch hat sich die jüngere Forschung von einer Deutung verabschiedet, die diese Epoche allein von ihrem Ausgang her versteht. Vielmehr rücken die Anpassungsleistungen und Behauptungsstrategien der Monarchie in den Fokus. Sie erscheint zunehmend als „Gewinnerin“ oder zumindest nicht mehr als „Verliererin“ des 19. Jahrhunderts. Diese These hat die Forschung bisher vor allem durch die Geschichte von Repräsentationen und Symbolpolitik untermauert. Die Referate der Sektion zeigen, dass es notwendig ist, durch einen europäisch vergleichenden, transnationalen Zugang den Zusammenhang zwischen Monarchie, Politik und Gesellschaft neu zu denken; sie erweitern das Thema in dreifacher Hinsicht:
Erstens eröffnet ein Blick von der Person des Herrschers auf die Dynastie zentrale Aspekte monarchischen Selbstverständnisses auch in der Moderne. Im Anschluss an die Napoleonischen Kriege musste man sich zum einen mit den Standesgenossen auseinandersetzen, die ihren Thron verloren, ihr Herrschaftsgebiet neu definiert hatten oder sich zunehmender Opposition im eigenen Land gegenübersahen. Zum anderen boten neue Staatengebilde erhebliche Chancen.
Eine Neuakzentuierung soll zweitens auch in Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Staatsinteresse und Monarchie vorgenommen werden. Auch hier sind bisher nur Teile des Konflikts aufgedeckt worden. Während sich die Forschung mit der Umwandlung dynastischen Vermögens in Staatsvermögen auseinandergesetzt hat, lässt sich anhand von Schulden- und Entschädigungsprozessen zeigen, dass sich die Monarchie in dem zunehmend verengenden Raum des kodifizierten Rechts gegenüber dem Rechtsstaat neu ausrichten musste.
Die dritte Erweiterung bezieht sich schließlich auf die Grenzen des Politischen. Mit welchem Selbstverständnis sammelten, förderten und unterstützten Monarchen Kunst, Kultur und Wissenschaften? Auch hier erscheint es notwendig, zu hinterfragen, wie sich der Übergang von einer „repräsentativen“ Hofkultur hin zur „modernen“ Kultur- und Wissenschaftsförderung fassen lässt, denn die wissenschaftlichen Institutionen und öffentlichen Sammlungen des 19. Jahrhunderts blieben den dynastischen Kontexten, aus denen sie hervorgingen, noch vielfach verbunden. Damit behauptete die Monarchie einen Platz in für die Gesellschaften des 19. Jahrhunderts zentralen Bereichen.
English Version:
The changing fortunes of a European institution. Legitimating hereditary monarchy during the long 19th century
The long nineteenth century ended in the catastrophe of the Great War. Some of the most powerful monarchies in Europe were swept away by this event, and with them the age of kings and queens. The previously dominant monarchical order dissolved in a whirlwind of social, cultural and political change. Despite this cataclysmic outcome, recent historiography notes that the institution of monarchy enjoyed great popularity during the nineteenth century. Focusing less on the final years than on the period between the Congress of Vienna and the turn of the century, historians have come to appreciate the skill with which dynasties adapted to the variegated challenges of the post-revolutionary era. By aligning monarchical self-legitimation with popular politics, the institution and its protagonists were able to accumulate symbolic capital that more than made up for the loss of constitutional power. So far, however, this line of enquiry has been explored within the specific context of public representation and symbolic politics. The panel seeks to break fresh ground with a comparative, transnational approach to three subsidiary themes.
First, a closer look at the responsibilities of the sovereign as the head of an extended family accentuates more strongly than hitherto the impact of social obligations on monarchical decision-making. We argue that dynastic survival in Europe’s shifting political landscape became contingent on family connections. In the aftermath of the Napoleonic Wars, a large number of dynasties lost their crowns, changed their sovereignty or needed to tackle new forms of opposition. At the same time, new territories emerged which expanded the opportunities available to dynasties for monarchical succession.
Second, the emergence of the modern nation-state affected monarchical rule beyond politics. While current research has done much to explain the transformation of dynastic fortune, we contend that the struggle and, to a large extent, failure of dynasties to defend an exclusive extra-legal judicial position throws into relief a clash between monarchical rule and a modern state based on central administration and codified law.
Third, we will employ a broad definition of politics. While it is widely recognized that monarchical patronage of the arts, architecture, and science served to enhance royal prestige and enriched court culture, there still exists some disagreement as to how the transformation of art and science in turn changed the image of monarchy during the course of the nineteenth century. In engaging with this debate, we will follow up techniques of monarchical self-promotion but also discuss the extent to which royal families mirrored the interests and tastes of their subjects.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Daniel Schönpflug
24SepMi
Unter deutsch-deutschen Dächern. Die Eigentumsfrage im Spannungsfeld zwischen Aneignung, Enteignung und „Wiedergutmachung“ vor und nach 1989 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 104Sektionsleitung: Kerstin Brückweh
Event Details
HENRIK BISPINCK (Berlin) „Republikflucht“ und Eigentum. Enteignung als Ursache und [...]
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UDO GRASHOFF (Leipzig)
Vernachlässigtes Eigentum als Chance. Schwarzwohnen in der DDR
ROBERT KLÜSENER (Gotha)
Grundsatz – Praxis . Alternativen zum Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“
Abstract:
Nach dem Zusammenbruch der DDR stellte sich für die Schaffung rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher Strukturen die grundsätzliche Frage, was mit dem enteigneten oder staatlich verwalteten Eigentum geschehen sollte. Im Zuge der Verhandlungen zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wurden die Eigentumsfragen zunächst zurückgestellt, denn der gesamte Komplex war nach Einschätzung von Dieter Grosser „verworren bis zur Unbegreiflichkeit“. Letztlich wurde unter dem Stichwort „offene Vermögensfragen“ das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ festgelegt. Über zwei Millionen Immobilien und Grundstücke auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wurden daraufhin von den Alteigentümern bzw. ihren Erben zurückgefordert. Die Frage des Wohneigentums wurde nach 1989 zum Schauplatz von konträren Ansichten, die mit Gefühlen von Rückeroberung von „Heimat“, mit Profitstreben oder mit Ansprüchen des z.B. durch Flucht oder DDR-Strafprozesse verlorenen Eigentums oder mit Enteignungs- und Entschädigungsfragen aus der NS-Zeit einhergingen und das Grundrecht auf Wohnen zu einem Zeitpunkt betrafen, zu dem die ehemaligen DDR-Bürger einer vielfach unsicheren Zukunft entgegenblickten. Zeitungen in Ost und West sprachen von „kahlfressenden Heuschrecken“ oder „Häuserkrieg“ und zeichneten undifferenzierte Bilder eines Kampfes von „Ossis“ gegen „Wessis“. Während die Rollen im medialen Diskurs klar verteilt waren, wurde in der Praxis anders entschieden. Um den verschiedenen Perspektiven gerecht zu werden, nehmen die Beiträge der Sektion die politischen Entscheidungsprozesse sowie die rechts- und verwaltungstechnische Umsetzung ebenso in den Blick wie die Betroffenen auf beiden Seiten und die (Eigentums-)Objekte selbst sowohl vor als auch nach 1989. In dieser Sektion wird somit ein kontroverses Stück deutsch-deutscher Geschichte thematisiert; zugleich werden Politik- und Rechtsgeschichte mit Erfahrungs- und Alltagsgeschichte verbunden. Eingegliedert ist das Thema in das internationale Forschungsfeld der Transitional Justice.
English Version:
Under German roofs. The restitution of private property before and after 1989
What to do with the private property that had been confiscated by communist authorities during GDR-times? This was a core question after the breakdown of the GDR in 1989. The circumstances of the matter turned out to be extremely convoluted but were finally resolved as part of the talks about a “Waehrungs-, Wirtschafts- und Sozialunion”. The principle of “Rueckgabe vor Entschaedigung” (return before compensation) was established. As a result, former owners of property or their heirs claimed more than two million pieces of property or land in the former GDR. This topic brought together various interests and opinions: some were demanding a right to their “homeland” while others wanted justice for the loss of property through prosecution or flight during GDR-times or even during the NS-regime. The claims for the return of properties affected the people who had lived in them up until then and who were already confronted with an insecure future in many ways. Newspapers in the East and West spoke of “war on houses” and drew a simplified picture of “Ossis” versus “Wessis”. In administrative practise and everyday life the matter took on a different shape. This panel therefore focuses on the political, judicial and administrative processes as well as on the encounters between the former and the current “owners” and the property objects themselves. Under which circumstances did the former owners lose their assets and how did the new owners appropriate the property? How did the encounter between both parties take place after 1989? And how was a decision for return or compensation made? This panel takes up a controversial piece of German history und combines political, judicial and administrative history with the history of everyday life. It is therefore part of the huge international research area of transitional justice.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Kerstin Brückweh
24SepMi
Lebensraum und Volksgemeinschaft 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 009Sektionsleitung: Daniel Siemens / Gerhard Wolf
Event Details
SUSANNE HEIM (Berlin) Moderation und Einführung DANIEL SIEMENS (Bielefeld) Schwert und Pflug. [...]
Event Details
SUSANNE HEIM (Berlin) Moderation und Einführung DANIEL SIEMENS (Bielefeld) Schwert und Pflug. Die Ansiedlung von SA-Männern in den eroberten Ostgebieten, 1938-1944 ARMIN NOLZEN (Warburg) Organisierte „Volksgemeinschaft“. Volksdeutsche Sammlungsbewegungen als Vorfeldorganisationen der NSDAP, 1939-1945 GERHARD WOLF (Sussex) “Volksgemeinschaft” ohne Grenzen. Die besetzten westpolnischen Gebiete als Experimentierfeld ALEXA STILLER (Bern) „Menscheneinsatz” und „Volksgemeinschaft” . Die Siedlungspolitik und -praxis des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums MICHAEL WILDT (Berlin) Kommentar
Abstract:
Seit einigen Jahren wird in der Geschichtswissenschaft intensiv über die Reichweite und den analytischen Mehrwert des Konzepts der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ debattiert. Unbestritten ist dabei, dass dieses Ideal, verstanden als ethnisch und politisch homogene Gemeinschaft, bei vielen Deutschen zwischen 1933 und 1945 breiten Anklang fand. Unbestritten ist auch, dass damit Energien freigesetzt wurden, welche die destruktiven Potentiale des NS-Regimes erst voll zur Entfaltung brachten. In der bisherigen Forschung ist dies jedoch vor allem an Ein- und Ausschließungsprozessen innerhalb des Deutschen Reiches untersucht worden. Was dabei verlorenzugehen droht sind die Radikalisierungsimpulse für die deutsche Besatzungs- und Germanisierungspolitik, vor allem in Osteuropa. Hier setzen die Beiträge dieses Panels an. Von der Prämisse ausgehend, dass der nationalsozialistische Drang nach „Lebensraum“ immer schon eine konkrete Vorstellung von Gemeinschaft implizierte und nicht unabhängig von dieser zu untersuchen ist, nehmen sie die Akteure des Regimes in den Blick, die an zentraler Stelle die Ausweitung der „Volksgemeinschaft“ auf die besetzten Gebiete jenseits der Reichsgrenzen vorantrieben. Besonders wichtig ist es uns, die Verschränkungen zwischen der täglichen Praxis der Besetzungsherrschaft und den zugrundliegenden utopischen Zielvorstellungen eines „großgermanischen Reiches deutscher Nation“ herauszuarbeiten. Die Vorträge dieses Panels zeigen insgesamt die hohe Bedeutung einer volksgemeinschaftlich ausgerichteten Germanisierungspolitik im „Dritten Reich“, und zwar in doppelter Perspektive: sie fungierte sowohl als Erfahrungs- wie Erwartungsraum (Reinhart Koselleck) der Zeitgenossen wie auch als verbindendes Glied zwischen Innen- und Außenpolitik, die im Hinblick auf das NS-Regime stets zusammengedacht werden müssen. Damit leistet dieses Panel nicht zuletzt auch einen Beitrag zur bislang erst rudimentären Historisierung dieses Verhältnisses.
English Version:
Lebensraum and People’s Community Over the last few years, historians engage in a heated debate about the reach and analytical value of the notion of the National Socialist Volksgemeinschaft. The fact that the ideal of an ethnically and politically homogenous community has been largely popular with the Germans in the years between 1933 and 1945 remains as uncontested as the fact that the energies released by this imaginary crucially contributed to an unfolding of the destructive potential of the NS regime. Past research, however, has investigated this issue largely in terms of processes of inclusion and exclusion within the German Reich, thus risking a marginalisation of the radicalising impulses that had been vital to German occupation and Germanisation policies, above all in Eastern Europe. This is where this panel seeks to intervene. Starting from the premise that the National Socialist quest for Lebensraum had always involved a concrete ideal of community that cannot be analysed apart from it, our contributions focus on the actors of the regime crucial in expanding the Volksgemeinschaft beyond the borders of the Reich to include the occupied territories. In this context we will stress the entanglement between ordinary practices of occupational rule, on the one hand, and its utopian telos of a ‘Great Germanic Reich of German Nationality’, on the other. The contributions of this panel make the impact of the notion of Volksgemeinschaft on the Third Reich’s Germanisation policies plain: firstly, for the contemporaries it functioned as a ‘space for experiences and expectations’ (Reinhart Koselleck) and secondly, it served as a link between foreign and domestic politics. Arguing that the internal and foreign matters of the Third Reich cannot be understood apart from each other, this panel also seeks to advance a more nuanced understanding of this relationship, which, hitherto, has not been sufficiently explored.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Daniel Siemens / Gerhard Wolf
24SepMi
The Biggest Loser. Gewinnen und Verlieren durch Diäten in Deutschland und den USA zwischen 1860 und 200415:15 - 18:00 Ort: ZHG 007Sektionsleitung: Olaf Stieglitz
Event Details
OLAF STIEGLITZ (Köln) Einführung NINA MACKERT [...]
Event Details
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Olaf Stieglitz
24SepMi
Vom Verlust als Erfolg erzählen. Erfahrungen und Wahrnehmungen jüdischer Migrationsbewegungen im 20. Jahrhundert 15:15 - 18:00 Ort: Theologicum T01Sektionsleitung: Simone Lässig / Miriam Rürup
Event Details
STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUM (Berlin) Einführung SIMONE LÄSSIG (Braunschweig) Moderation Teil 1 CHRISTINE VON OERTZEN (Berlin) Doppelte Verliererinnen? [...]
Event Details
STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUM (Berlin)
Einführung
SIMONE LÄSSIG (Braunschweig)
Moderation Teil 1
ANNA MENNY (Hamburg)
Zwischen Verlust und Bedrohung. Die Wahrnehmung jüdischer Migration in Spanien
AXEL SCHILDT (Hamburg)
Kommentar Teil 1
MIRIAM RÜRUP (Hamburg)
Moderation Teil 2
AXEL SCHILDT (Hamburg)
Kommentar Teil 2
Abstract:
Das Leitthema des Historikertags 2014 lenkt den Blick fast zwangsläufig auf zentrale Aspekte der jüdischen Geschichte und ihrer wissenschaftlichen wie populären Reflexion. Diese nämlich hat sich über Jahrzehnte hinweg zwischen zwei nur scheinbar gegensätzlichen Topoi bzw. Deutungen bewegt – Verlust und Gewinn: Verlust von Religiösität und „Jüdischkeit“ einerseits, Gewinn von Gleichheit und bürgerlicher Sekurität andererseits – bzw. die von außen aufgezwungene brutale Veränderung von beidem: dem Verlust der Gleichheit und Sicherheit bzw. des Lebens durch die nationalsozialistische Verfolgung, die bei den Überlebenden in den westlichen Emigrationsländern sowie in Israel, oftmals eine Stärkung der eigenen jüdischen Identität zur Folge hatte.
Den zentralen Rahmen für beide, in der jüngeren Forschung zunehmend ausdifferenzierte Paradigmen jüdischer Historiographie bildeten die zahlreichen Migrationsbewegungen, von denen die jüdische Geschichte bestimmt gewesen ist – einige davon als Arbeits- und Aufstiegsmigration auf der Suche nach einem besseren Leben, einige als Fluchtbewegung in Reaktion auf Verfolgungen, wieder andere auch als Rückkehrbewegungen nach einiger Zeit in der Emigration. Eine solche Rückkehrbewegung konnte aus verschiedenen Motiven erfolgen: sei es, weil die erhoffte Statusverbesserung ausblieb war, weil Pläne scheiterten, weil die Rückkehr nach politischem Wandel im Herkunftsland wieder möglich war oder schlicht das Heimweh die Oberhand gewann.
Dabei bewegte sich die jüdische Migration vor allem in einem Dreieck, das aus der Auswanderung aus Osteuropa, der Ein- und Durchwanderung aus/durch Deutschland, und der Einwanderung in zwei neue Welten bestand: die USA oder nach Eretz Israel/Palästina in der Hoffnung, dort eine neue Gesellschaft aufzubauen. Migration war dabei immer vielfältig motiviert und reichte von Migration als Emigration und Flucht bis zur freiwilligen Auswanderung aus verschiedenen Gründen, die mit der zionistischen Migration auch eine spezifisch jüdische Komponente erhielt. Wenn man so will, handelt es sich dabei also um eine jüdische Variante der klassischen und inzwischen längst von der Forschung zugunsten differenzierender Zugänge überholten Gegenüberstellung von Push- und Pull-Faktoren.
In der hier vorgeschlagenen Sektion wollen wir zwei Perspektiven miteinander verzahnen, die beide für sich genommen bislang wenig Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden haben und daher erst recht in ihrer Verschränkung neue Einsichten versprechen: Zum einen jüdische Migration als Erfahrungsgeschichte und zum anderen jüdische Migration als Wahrnehmungsgeschichte bzw. Geschichte zweiter Ordnung. Dementsprechend wollen wir unter anderem danach fragen, wie Emigranten „Scheitern“ erfahren haben, inwieweit bzw. wie sie Resilienzressourcen mobilisierten (oder auch nicht), um reale Verluste (an Status und Besitz, an „Heimat“, an sozialen Beziehungen und kulturellem Kapital, an Zukunftserwartungen und -plänen, an Familienbindungen etc.) zu verarbeiten und in bestimmten Konstellationen als Gewinn für das eigene Leben und das der Familie deuten zu können. Die Sektion, die sich auf erzwungene Migration konzentrieren, aber nicht beschränken will, fragt also nach – in der Forschung bisher wenig thematisierten – Erfahrungen des Scheiterns in der jüdischen Migration. Dabei geht es um Innen-, aber auch um Außenperspektiven und deren Rückwirkung auf jüdische Biographien oder Gruppenerfahrungen. Wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, eine etwaige Rückkehr aus der Emigration als Scheitern gedeutet und wenn ja: von wem? Fühlten sich Westemigranten – verglichen mit Palästinaauswanderern – eher als Gewinner und welche Rolle spielte die Shoah als Folie für die Neu-Deutung der eigenen Lebenssituation in und nach der Emigration?
Den unterschiedlichen Erfahrungen von Scheitern und Verlieren sowie den damit verbundenen Verarbeitungsstrategien wollen wir uns aus verschiedenen Perspektiven zuwenden: Erstens der erfahrungsgeschichtlich ausgerichteten Binnenperspektive: Migrationen, die von den Akteuren nicht nur prozessual als Verlust in Bezug auf die eigene Biographie, sondern auch im Ergebnis als „gescheitert“ eingestuft und wahrgenommen wurden; entweder weil sie oder ihre Familienangehörigen im Zielland gar nicht ankamen, weil sie nicht das gewünschte Zielland erreichten, weil staatliche Hürden, Abschiebemaßnahmen und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. Qualifikationen die Sicherheit der Existenz bedrohten oder aber weil sich identitätsstiftende Faktoren grundlegend und offenbar auf längere Sicht bzw. dauerhaft wandelten. Zu denken wäre hier etwa an den sozialen Status und berufliche wie gesellschaftliche Anerkennung von Männern und Frauen, Jungen und Alten; an neu zu ordnende Geschlechtermodelle, an die fremde Sprache oder an etablierte kulturelle Praktiken, für die es im Emigrationsland plötzlich keinen oder nur einen eingeschränkten Resonanzboden gab.
Zweitens soll der Blick Außenperspektiven einschließen, also auch auf die Wahrnehmungsgeschichte jüdischer Migration gerichtet werden. Dabei geht es sowohl um jüdische als auch um andere Repräsentationen. Gefragt werden soll zum einen nach Strategien der biographischen Verarbeitung von „Verlieren“ und von „Scheitern“ durch ehemalige Migrant_innen und deren Nachkommen: Wie wandelte sich jüdische Erinnerung an Migration, wie veränderten sich dominante Narrative von Verlust oder Erfolg in nachfolgenden Lebensperioden. Welche Umdeutungs-, Übersetzungs- und Überschreibungsprozesse sind fassbar und können ggf. als typisch verstanden werden? Zum anderen interessiert uns das – zuweilen spannungsreiche und von erheblichen Diskrepanzen geprägte – Verhältnis von Erfahrungs- und Wahrnehmungsgeschichte. Wir fragen, wie jüdische Migrationen, Migrationserfahrungen und Remigration nach der Shoah in verschiedenen Bezugsfeldern der Gesamtgesellschaft, insbesondere in gesellschaftlichen Diskursen, Bildung, Kunst, Kultur und Medien, aber auch in der Geschichtswissenschaft repräsentiert wurden; wie und warum sich hegemoniale Deutungen ausformten und (nicht) wandelten, und welche Typen von Migranten in welchen Perioden der jüngsten Geschichte überhaupt Aufmerksamkeit auf sich zogen: die – wieder – Erfolgreichen, die Gescheiterten, die Ausnahmeerscheinungen, frühere bzw. wieder etablierte Eliten oder eher ganz gewöhnliche Juden, Westemigranten oder Auswanderer nach Palästina, Remigranten? Gefragt wird des Weiteren, welche Migranten Agency zugesprochen bekamen und welche aus dem kulturellen Gedächtnis der jüdischen wie nichtjüdischen Gemeinschaften gerade deshalb herausgefallen sind, weil sie als „Verlierer“ oder „Gescheiterte“ wahrgenommen worden sind.
English Version:
The central theme of 2014’s Historikertag conference impels us almost inevitably to turn towards key aspects of Jewish history and the ways in which it has been reflected in the academic and popular arenas; it appears as if, over a period of decades, this history has been told almost exclusively in terms of two, only seemingly opposing, topoi and interpretations: gain and loss. The loss, initially, was a loss of religious tradition and “Jewishness”, the gain that of equality and security in the heart of the educated middle classes. There followed the brutal rupture and overturning, forced upon the Jews from without, of both these changes, with equality and security, indeed life itself, lost once again at the hands of the Nazis, and, in many cases, a rediscovery and regaining of Jewish identity by the survivors who found sanctuary in Israel and the West.
Both paradigms of Jewish historiography, between which recent research has begun to distinguish in a more nuanced manner than hitherto, are located in the crucial context of the migration which has accompanied Jewish history throughout its course. Some of this migration took place in search of work and a better life, some as flight from persecution, some as a return from a period of emigration due to hopes of improved status in the country of emigration having remained unfulfilled, political change having made a return possible or the simple longing for home having prevailed.
Jewish migration largely took place within a triangle consisting of emigration from Eastern Europe, passing in many cases through Germany, and from Germany itself, and immigration to the two “new worlds” of the US and, in hopes of founding a new society, Eretz Israel/Palestine. Jewish migration has always been driven by diverse sets of motives, and some of it, specifically Zionist migration, has taken on a particular Jewish dimension. We might class the view academia has taken of these movements of migration to date as a specifically Jewish variation on a conventional comparison and contrast of push and pull factors, a contrast long since abandoned by the research in favour of more nuanced approaches to the issues.
The panel we propose to conduct will interlink two specific views on this area of research, neither of which have as yet received a great deal of attention from scholars in the field, meaning their interconnection is extremely likely to open the way to new insights: these are the view of the history of Jewish migration as a history of experience and that of this history as a history of perception, or as a second-order history. We will accordingly explore the ways in which migrants have experienced “failure” in emigration, and investigate the extent to and manner in which they were able to mobilise their resources to remain resilient in the face of the loss of status, possessions, a place to call home, familial and social relationships and cultural capital, and hopes and expectations for the future, and in some specific cases and situations to interpret these losses as gains for their own lives and those of their families. In other words, the panel, which will focus on, but not restrict itself to, forced migration, will raise issues around experiences of failure in connection with Jewish migration which have found little consideration in research to date. We will examine views both from within this context and without, and the impact of these views on the lives of Jewish individuals or groups. We will, for instance, be considering whether returning from emigration was perceived as failure, and if so, who perceived it in this manner; whether migrants to the West felt more like “winners” than did those who left for Palestine; and to which extent the Shoah acted as a backdrop to people’s reinterpretations of their lives and situations during and after emigration.
We will take a range of differing approaches to the multiplicity of experiences of loss and failure sustained by Jewish people in this context and the coping strategies these experiences engendered. One approach, based on the interpretation of this history as a history of experience, will revolve around the view from within these situations: We will be exploring experiences of migration categorised and perceived by those who lived them as not only a process of loss in the context of their lives, but also as “failed” in terms of their outcomes, either because the migrants or members of their families did not reach any or the desired destination, because barriers set up by states, deportations, and a lack of employment or qualifications threatened their security of residence or livelihoods, or because factors around which the migrants had built their identities changed fundamentally and evidently for the long term or indeed permanently. Specific issues in this context might be around the contrasting social and professional status of men and women, young and older people, or around changes in gender roles, struggles with new languages, and established cultural practices which were not or barely recognised or reflected in the countries to which those who identified with them emigrated.
Additionally, we will examine outside perspectives on Jewish migration, that is the history of its perception, as held by both Jewish and non-Jewish individuals and groups. We will investigate the strategies deployed by former migrants and their descendants in the process of coming to terms with “losing” and “failure”, looking at how Jewish memories of migration changed over time, how prevailing narratives of loss or success rewrote themselves in the later lives of those who experienced them, and which processes of translation, reinterpretation and reformulation we can observe and potentially identify as typical of this group of people. Further, we will engage with the relationship between histories of experience and of perception, a relationship occasionally marked by considerable tension and discrepancies in its assessment. We will explore representations of Jewish experiences of migration and remigration after the Shoah in a range of societal fields, particularly in social discourse, education, art, culture and the media, but also in academic history; likewise, we will retrace the development of hegemonic interpretations, how and why they emerged, changed or remained constant, and which types of migrants attracted discursive attention in which periods of recent and contemporary history: was it those who had attained or reattained success, the “failures”, the exceptions to the rule; former or re-established elites or ordinary Jews; those who had emigrated to the West or to Palestine; or remigrants? We will also be considering which migrants were viewed as being possessed of agency and which were perceived as “losers” or “failures” and therefore excluded from the cultural memory of Jewish and non-Jewish communities.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Simone Lässig / Miriam Rürup
24SepMi
The Psychology of National Difference in the Mid-20th Century Crisis15:15 - 18:00 Ort: ZHG 103Sektionsleitung: VHD / Royal Historical Society
Event Details
JOHANNES PAULMANN (Mainz) Chair PETER MANDLER (Cambridge) Introduction MICHAELA HOENICKE-MOORE (Iowa City) The Political Psychology of National Difference
Event Details
JOHANNES PAULMANN (Mainz)
Chair
PETER MANDLER (Cambridge)
Introduction
MICHAELA HOENICKE-MOORE (Iowa City)
The Political Psychology of National Difference
PETER MANDLER (Cambridge)
Cultural Relativism and National Difference in the Mid-Century Crisis
DANIEL PICK (London)
Reflections on Psychoanalysis and National Culture in a Time of Cold War
NICHOLAS STARGARDT (Oxford)
Comment
Die Sektion wird in englischer Sprache stattfinden.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
VHD / Royal Historical Society
24SepMi
Wie schreibt man eine europäische Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts?15:15 - 18:00 Ort: ZHG 011Sektionsleitung: Felix Schnell
Event Details
WOLFGANG KNÖBL (Göttingen) Gesprächsteilnehmer BERND GREINER (Hamburg) Gesprächsteilnehmer JÖRG BABEROWSKI (Berlin) Gesprächsteilnehmer ULRICH HERBERT (Freiburg i.Br.) Gesprächsteilnehmer MICHAEL RIEKENBERG (Leipzig) Gesprächsteilnehmer FELIX SCHNELL (Berlin) Moderator [...]
Event Details
WOLFGANG KNÖBL (Göttingen)
Gesprächsteilnehmer
BERND GREINER (Hamburg)
Gesprächsteilnehmer
JÖRG BABEROWSKI (Berlin)
Gesprächsteilnehmer
ULRICH HERBERT (Freiburg i.Br.)
Gesprächsteilnehmer
MICHAEL RIEKENBERG (Leipzig)
Gesprächsteilnehmer
FELIX SCHNELL (Berlin)
Moderator und Gesprächsteilnehmer
Abstract:
Gewaltforschung wird sowohl mit makro-, als auch mit mikro-sozialen Ansätzen betrieben. Letztere Variante ist eine jüngere Erscheinung, die im deutschen Raum vor allem mit der „Neuen Gewaltsoziologie“ und den Namen Trutz von Trotha, aber auch Randall Collins verbunden ist. Die mikro-soziologische Gewaltforschung hat in den letzten beiden Dekaden zweifellos einige wichtige Erkenntnisse zutage gefördert. Sie ist aber überwiegend eine Einzelfallforschung, die möglicherweise angesichts ähnlicher theoretischer Prämissen zu ähnlichen Ergebnissen gelangt und dazu tendiert, Gewaltprozesse sozial, epochal, kulturell zu dekontextualisieren und zu anthropologisieren. Auf der anderen Seite aber haben viele Autoren auf gegenseitige transnationale und transkulturelle Lernprozesse und Wechselwirkungen der Gewalt hingewiesen. Das gilt nicht zuletzt für die europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Offenbar gibt der mikro-soziologische Blick nicht alles preis, was in dieser Hinsicht über Gewalt zu sagen ist. Das gilt aber auch für die makro-soziologische Perspektive, die sich immer dann schwer tut, wenn es um Verläufe von Gewaltprozessen geht und wenn Politik oder Ideologie konkrete Entwicklungen nicht befriedigend erklären können. Da grundsätzlich viel für eine „verflochtene“ europäische Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts spricht, stellt sich die Frage, wie makro- und mikro-soziologische Ansätze der Gewaltforschung fruchtbar miteinander verbunden werden können. Diese Frage soll auf dem Panel von Historikern und Soziologen diskutiert werden.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Felix Schnell
24SepMi
Europa 1914 - 201415:15 - 18:00 Ort: ZHG 105Sektionsleitung: VHD
Event Details
MACIEJ GORNY (Warschau) Gesprächsteilnehmer MIKHAIL A. BOYTSOV (Moskau) Gesprächsteilnehmer ETIENNE FRANCOIS (Berlin) Gesprächsteilnehmer DOROTHEE WIERLING (Hamburg) Gesprächsteilnehmerin JÖRN LEONHARD (Freiburg) Gesprächsteilnehmer MARIE-JANINE CALIC (München) Moderatorin [...]
Event Details
MACIEJ GORNY (Warschau)
Gesprächsteilnehmer
MIKHAIL A. BOYTSOV (Moskau)
Gesprächsteilnehmer
ETIENNE FRANCOIS (Berlin)
Gesprächsteilnehmer
DOROTHEE WIERLING (Hamburg)
Gesprächsteilnehmerin
JÖRN LEONHARD (Freiburg)
Gesprächsteilnehmer
MARIE-JANINE CALIC (München)
Moderatorin und Gesprächsteilnehmerin
Abstract:
Der Erste Weltkrieg ist 2014 Gegenstand eines Erinnerungsbooms geworden, der über die übliche Gedenkroutine zu Jahrestagen weit hinausgeht. Dabei ist der Krieg kaum europäisch erinnert worden, vielmehr folgen die historischen Debatten und Erinnerungen des Weltkriegs verschiedenen nationalen Deutungsschemata. Angesichts der neuen Komplexität der internationalen Ordnung drängt sich die Frage auf, welchen Einfluss die Erinnerungen an den Ersten Weltkriegs auf die Analyse unserer Gegenwart haben. Wird das hohe Interesse am Ersten Weltkrieg durch die Krise der internationalen Ordnung heute befördert? Welche spezifischen Ursachen gibt es in den nationalen Öffentlichkeiten Europas für den Erinnerungsboom des Jahres 2014?
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
VHD
24SepMi
State and Capitalism in China and Europe 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 001Sektionsleitung: Dominic Sachsenmaier
Event Details
KENNETH POMERANZ (Chicago) The Great Divergence. Fifteen Years Later. New Positions [...]
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Dominic Sachsenmaier
24SepMi
Viele Verlierer, wenige Gewinner? Staatsverschuldung als Geschichte wert- und zweckrationalen Handelns in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts15:15 - 18:00 Ort: ZHG 002Sektionsleitung: Julia Laura Rischbieter / Hans-Peter Ullmann
Event Details
WERNER PLUMPE (Frankfurt am Main) Moderation
Event Details
WERNER PLUMPE (Frankfurt am Main)
Moderation
ADAM TOOZE (New Haven)
Kommentar
Abstract:
Die Geschichte der Staatsverschuldung, so scheint es, kennt viele Verlierer und wenige Gewinner. Auf dem Höhepunkt der Krise oder im Rückblick auf vergangene Staatsbankrotte gab es, folgt man der Selbstbeschreibung der Zeitgenossen, oft nur Verlierer – oder aber die Gewinner schweigen lieber über ihren Profit. Auch im gegenwärtigen Ringen um die Konditionen der Konsolidierung öffentlicher Schulden in Europa verweisen alle beteiligten Akteure auf ihre Verluste. Die Sektion hinterfragt dieses Narrativ, indem sie die Prämissen und die Handlungskontexte untersucht, auf deren Grundlage von historischen Akteuren Entscheidungen getroffen worden sind, die sie oder andere zu Gewinnern oder Verlierern öffentlicher Verschuldung gemacht haben.
In den Fokus rücken damit einerseits Fragen nach den unterschiedlichen politischen Zielen, die unter Hinnahme von Finanzierungsdefiziten erreicht werden sollten und inwiefern Bürgerinnen und Bürger in ihrem Spar- und Wahlverhalten diese Politik mittrugen oder sich ihr verweigerten. Andererseits werden die Vorträge der Sektion exemplarisch diskutieren, auf welchen internationalen Trends, Veränderungen des Marktes für Staatsverschuldungsinstrumente und globalen ökonomischen Krisen die Ausweitung der nationalstaatlichen Haushaltsspielräume durch öffentliche Kredite fußte und ob einzelne Politiker, Parteien, gesellschaftliche Gruppen und Unternehmen Profiteure oder Leidtragende dieses Prozesses gewesen sind. Ziel der Sektion ist es, die langfristigen Ursachen und Auswirkungen chronisch unterfinanzierter Haushalte demokratischer Staaten in Zeiten liberalisierter Finanzmärkte aus der Perspektive nationaler und internationaler Handlungslogiken unterschiedlicher Akteure zu betrachten.
English Version:
Public debt, it would seem, is a constant in the history of humanity – and one with lots of losers and nearly no winners. Contemporary accounts at the height of crisis, as well as those looking back at national bankruptcies of the past, tend to suggest that there were only losers – or perhaps that the winners just preferred to keep quiet about their profits. In the current struggle over the conditions for consolidating public debts in Europe, almost all of the protagonists point to their losses. The Panel will be calling this narrative of national indebtedness as a purely loss-making affair into question by explicitly examining the premises and social and economic contexts in which historical actors reached the decisions that made them or others into winners or losers in the realm of public debt. National debt will thus be analyzed as more than just the result of macroeconomic constraints: it will be conceptualized as a history of social action as well.
The papers will concentrate, on the one hand, on the varied political aims pursued in accepting financial deficits: How and by way of which concessions were governments able to build parliamentary majorities? And to what extent did citizens support or reject these policies through their savings and voting behavior? On the other hand, the papers will use examples to discuss which international trends, changes in the market for national-debt instruments, and global economic crises the expansion of nation-state budget margins through public loans have been based upon. They will also investigate whether individual politicians, parties, social groups, and enterprises have been profiteers or victims of these processes. The overall aim is to consider, from the perspective of various protagonists’ national and international logics of action, the causes and effects of democratic states having chronically underfinanced budgets.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Julia Laura Rischbieter / Hans-Peter Ullmann
24SepMi
„Sicherheit & Geheimnis in der Demokratie“. Geheimdienste in der Bundesrepublik seit 1945 im transatlantischen Kontext15:15 - 18:00 Ort: ZHG 101Sektionsleitung: Constantin Goschler / Michael Wala
Event Details
CONSTANTIN GOSCHLER (Bochum) Einführung und Moderation MICHAEL WALA (Bochum) Transatlantische Sicherheitsarchitektur im frühen [...]
Event Details
CONSTANTIN GOSCHLER (Bochum)
Einführung und Moderation
Abstract:
In jüngerer Zeit wendet sich die zeithistorische Forschung verstärkt den geheimen Nachrichtendiensten in der Bundesrepublik zu. Mehrere Forschungsprojekte widmen sich so gegenwärtig unter anderem der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. In dieser Sektion soll die Geschichte der Geheimdienste in der Bundesrepublik aber nicht nur als Nachgeschichte des Nationalsozialismus oder Folge des Kalten Krieges, sondern vor allem als Vorgeschichte des nach wie vor aktuellen Spannungsverhältnisses von Sicherheit und Geheimnis in der Demokratie diskutiert werden. Im Mittelpunkt der Vorträge steht die Gegensätzlichkeit von staatlicher Sicherheitsproduktion und behördlicher Geheimniskultur einerseits und demokratischen Partizipationsansprüchen und gesellschaftlichen Forderungen nach Öffentlichkeit andererseits. Die Beschäftigung mit diesem bisher weitgehend verborgenen Arkanbereich der Geschichte der Bundesrepublik erschließt ein neues zeithistorisch hochrelevantes Themenfeld.
Unsere Sektion wird sich diesem Themenfeld über die politische Geschichte und die Geschichte der internationalen Beziehungen nähern. Ausgehend von der Zeit des Kalten Krieges werden die grundsätzlichen Veränderungen in der sich daran anschließenden Epoche untersucht und mit Aspekten der Wissensgeschichte in einem doppelten Zugriff verbunden: Erstens geht es um das Spannungsverhältnis von Sicherheit und Gefahr. Aus dieser Perspektive sollen die bundesdeutschen Inlands- und Auslandsnachrichtendienste nach 1945 als Orte der Sicherheits- und Gefahrenproduktion wie auch der Sicherheits- und Gefahrenkommunikation betrachtet werden. Ein zweiter damit eng verbundener Aspekt betrifft das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Geheimnis. Hier geht es um den Konflikt zwischen dem Selbstverständnis der Nachrichtendienste als Produzenten eines für die Souveränität des modernen Staates notwendigen Arkanwissens und dem Anspruch demokratischer Gesellschaften auf Öffentlichkeit und Kontrolle dieser Wissensproduktion und seiner Methoden.
English Version:
Contemporary history only recently started investigating intelligence agencies in the Federal Republic of Germany. Currently, two research projects are devoted to the history of the Federal Intelligence Service and the Federal Office for the Protection of the Constitution. This section will discuss the history of intelligence agencies in the Federal Republic as a post-“Third Reich” history and as part of the Cold War, as well as a seminal part of the prehistory of the Federal Republic thus also addressing the contemporary dichotomy of security and arcanum in liberal democracies. The focus of the papers will be on the conflict of governmental security production and administrative cultures of secrets on the one hand and democratic expectations for participation and societal insistence on public assessment of secret knowledge on the other. Recently granted access to hitherto unavailable sources will shed light on this so-far mostly neglected aspect of the history of the Federal Republic, thus opening up a new and highly relevant field of inquiry for historical research.
Our panel will put this field of investigation both in the perspective of political history and of the history of international relations. Starting with Cold War history, the fundamental developments of the following decades will be discussed, and in combination with aspects of history of knowledge a double approach shall be proposed: West German internal and external intelligence agencies after 1945 will be analyzed as places both of production and communication of security and risks, addressing the tension between safety and danger. Closely related is the contrariness of arcanum and public knowledge, the conflict between the self-conception of intelligence agencies as producers of security by utilization of secret knowledge and methods held to be essential for the sovereignty of the modern state, and the expectation of liberal democratic societies to publically assess and control this arcanum.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Constantin Goschler / Michael Wala
24SepMi
Von Verlierern der Moderne zu Gewinnern der Post-Moderne? Die Geschichte der Homosexualität in Deutschland im 20. Jahrhundert 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 102Sektionsleitung: Norman Domeier / Rainer Nicolaysen
Event Details
FRANZ X. EDER (Wien) Moderation RÜDIGER LAUTMANN (Bremen) und CLAUDIA BRUNS (Berlin) Kommentar NORMAN DOMEIER [...]
Event Details
FRANZ X. EDER (Wien)
Moderation
RÜDIGER LAUTMANN (Bremen) und CLAUDIA BRUNS (Berlin)
Kommentar
MARIA BOROWSKI (Berlin)
Lesben und Schwule in der frühen DDR
Abstract:
Lange Zeit galt es in der deutschen Geschichtswissenschaft als ein wenig seriöses Unterfangen und geradezu karriereschädlich, (Homo-)Sexualitätsgeschichte zu betreiben, egal, ob in eigenständiger Form oder integriert in eine umfassendere Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte. Dies hat sich erst in den letzten Jahren mit zahlreichen innovativen Arbeiten aus allen Epochen geändert. Doch nach wie vor hinkt die deutsche Forschung der amerikanischen und britischen Geschichtswissenschaft hinterher, in der sich Ansatz, Thema und Erkenntnisinteresse inzwischen zu einer historischen Subdisziplin spezialisiert haben, die überdies in regem Austausch mit benachbarten Fächern wie Politikwissenschaft, Soziologie, Literaturwissenschaft, Sexualwissenschaft, Jura und Psychologie steht.
In unserer Sektion wollen wir die Geschichte der Homosexualität in Deutschland im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf dem ‘Gewinner-Verlierer’-Muster in den Blick nehmen. Trotz eines fulminanten Starts der deutschen Schwulenbewegung um 1900 (im Jahr 1897 wurde in Berlin mit dem Wissenschaftlich-humanitären Komitee die weltweit erste Schwulen-Lobby gegründet), ließen die Rückschläge nicht lange auf sich warten. Mit einem zunehmenden homosexuellen (Selbst-)Bewusstsein bildete sich auch eine spezifisch moderne Homophobie heraus, durch deren gesellschaftliche Verbreitung bereits am Ende des Kaiserreichs eine Reform oder Abmilderung des berüchtigten Strafparagraphen 175 in weite Ferne rückte. Er wurde in seiner von den Nationalsozialisten verschärften Fassung erst 1969 und 1972 reformiert und 1994 ersatzlos gestrichen.
In der Sektion wollen wir das Augenmerk auf eine Geschichte der Homosexualitäten richten, die sich immer auch im Wechselspiel mit der Geschichte der Heterosexualitäten vollzog; mitunter deckungsgleich oder komplementär, mitunter gegenläufig und widerstreitend.
In der gemeinsamen Diskussion wird sich auch die neue Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vorstellen und Fördermöglichkeiten für HistorikerInnen und Kooperationsmaßnahmen für GeschichtslehrerInnen präsentieren.
Uhrzeit:
(Mittwoch) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Norman Domeier / Rainer Nicolaysen
25SepDo
„The Winner Takes It All”. Popgeschichtliche Narrative des 20. Jahrhunderts zwischen Ausbeutung und Emanzipation9:15 - 13:00 Ort: ZHG 101Sektionsleitung: Detlef Siegfried / Bodo Mrozek
Event Details
DETLEF SIEGFRIED (Kopenhagen) Popgeschichte. Probleme und Perspektiven. Einleitung ASTRID KUSSER (Rio de [...]
Event Details
DETLEF SIEGFRIED (Kopenhagen)
Popgeschichte. Probleme und Perspektiven. Einleitung
THOMAS MERGEL (Berlin)
Kommentar
Abstract:
The Winner Takes It All”. Narratives of 20th Century Pop History between Exploitation and Emancipation
A truck driver becomes a world star, a punk turns into a celebrated fashion designer, a ghetto kid makes a fortune as a record producer. Pop culture produces many such stories of success. The star is an emblematic figure in the attention economy of the 20th century. Since it lacks the recognition of an institutionalized culture, success stories are needed as a legitimization. Stories about losers serve as moral correction, reporting about drug use, personal declines, and the erosion of entire businesses such as in the music industry. Such narratives display individual and collective beliefs about the right or wrong way of living, and they function as moral economies.
The panel questions popular stories of failure and success as well as established academic narratives. In academic debates, the roles of winners and losers are clearly casted: Youths, for example, appear either as victims of a commercialized culture-industry or they are presented as opponents of a hegemonic culture. In the case studies of the panel, such contradicting approaches will be confronted with each other in order to stimulate a controversial debate.
Thereby pop history is presented as a vast set of different methods and concepts. We do not intend to claim for a new “turn.” Instead, we would like to present a new field of research that not only affiliates with established problems and questions, but also explores new sources and different perspectives. Pop culture, as one of the central action fields of media, economy, and politics of the 20th century, deserves more attention by historians.
1. Prof. Dr. Detlef Siegfried (University of Copenhagen): “Pop history: Problems and perspectives” (introduction).
2. Dr. Astrid Kusser (Universidade Federal Rio de Janeiro): “Dance Craze, Dance Circle: Competition in media-dance spectacles around 1900 and around 1980.”
3. Dr. Klaus Nathaus (University of Edinburgh): “Royal roads or dead ends: Path dependence as an explanation for Anglo-American dominance in (West-)German pop music 1900–1980.”
4. Bodo Mrozek, M.A. (Free University Berlin/Center for Contemporary History, Potsdam): “Taste communities: Fan-Clubs as avant-gardes (Nineteen-Fifties–Eighties).”
5. Dr. Alexa Geisthövel (Institute for the History of Medicine, Charité University Medicine Berlin): “The value of wasted youth: ‘Lived life’ in pop culture’s narratives of the self.”
6. Prof. Dr. Thomas Mergel (Humboldt-University Berlin): Comment.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Detlef Siegfried / Bodo Mrozek
25SepDo
Hans-Ulrich Wehlers Sonderwegsthese neu diskutiert9:15 - 11:00 Ort: ZHG 104Sektionsleitung: VHD
Event Details
MANFRED HETTLING (Halle) Gesprächsteilnehmer SANDRINE KOTT (Geneve) Gesprächsteilnehmerin CHRISTINA VON HODENBERG (London) Gesprächsteilnehmerin JOHANNES PAULMANN (Mainz) Gesprächsteilnehmer JÜRGEN KOCKA (Berlin) Gesprächsteilnehmer FRANZISKA AUGSTEIN (München) Moderatorin [...]
Event Details
MANFRED HETTLING (Halle)
Gesprächsteilnehmer
SANDRINE KOTT (Geneve)
Gesprächsteilnehmerin
CHRISTINA VON HODENBERG (London)
Gesprächsteilnehmerin
JOHANNES PAULMANN (Mainz)
Gesprächsteilnehmer
JÜRGEN KOCKA (Berlin)
Gesprächsteilnehmer
FRANZISKA AUGSTEIN (München)
Moderatorin und Gesprächsteilnehmerin
Abstract:
Die These vom deutschen Sonderweg ist in besonderer Weise mit dem Oeuvre Hans-Ulrich Wehlers verbunden. Während die These in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik zunächst weithin Akzeptanz fand, begann seit den 1980er Jahren eine kritische Diskussion wesentlicher Aspekte der Sonderwegsthese. Nicht nur der Tod Hans-Ulrich Wehlers, sondern auch die Relativierung der These der deutschen Kriegsschuld in Folge der Rezeption von Christopher Clarkes Werk “Die Schlafwandler” lassen eine neue Auseinandersetzung mit den Spezifika der deutschen Gesellschaft im Kaiserreich nötig erscheinen. Ist die Verantwortung Deutschlands für den Ersten Weltkrieg nur im Hinblick auf die Interaktionen des europäischen Staatensystems zu beschreiben oder erfordert sie einen historischen Tiefenblick in die deutsche Gesellschaftsgeschichte?
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 11:00
Sektionsleitung
VHD
25SepDo
Learning from the Soviet Union? Strategies of Social Inclusion of Afghan War Veterans9:15 - 13:00 Ort: ZHG 006Sektionsleitung: Felix Ackermann / Michael Galbas
Event Details
FELIX ACKERMANN (Vilnius) und MICHAEL GALBAS (Konstanz) Learning from the [...]
Event Details
NATALYA DANILOVA (Exeter)
Veterans of the Soviet Afghan War: Fighting for Recognition
SERGUEI A. OUSHAKINE (Princeton)
War’s Epistles: On Corresponding the Combat Experience
Abstract:
The contributions in this section discuss from a transnational perspective, how state and society addressed the consequences of the Soviet-Afghan war of 1979 through 1989. Their aim is to analyze strategies for (re)integrating prevalently traumatized veterans of an asymmetric war into society, media and the legal order in a radically changing international context. Beyond an idealistic concept of successful (re)integration, the papers address the many contradictions between the soldiers’ self-perception, Soviet media coverage during the war and the post-war discourses confronting veterans with new social settings.
The concept of this panel is based on the assumption, that there is no direct link between individual traumatization during an asymmetrical war and the social concepts for overcoming it in the aftermath. However, the asymmetric nature of conflicts like the Soviet-Afghan War and the unwillingness of Soviet officials to address the violent character of the Soviet invasion, had a long term impact on the veterans and resurfaced in the newly emerging post-Soviet societies. The contributors to this section address the question, how various social protagonists and the former combatants themselves deal with their experiences from the Soviet-Afghan war.
In this context, the different social and political strategies, oscillating between disappearance and presence, will be compared to the veterans’ own perspective, an important group that organizes itself in different ways to reclaim the veterans’ own positions. This allows the identification of necessities and requirements for official and social strategies to legitimize asymmetric warfare, the participation of different actors in the war and the social techniques for coping with their medium-term effects. A final contribution will discuss possible parallels to today’s withdrawal from the Hindukush.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Felix Ackermann / Michael Galbas
25SepDo
Ein verlorenes Jahrzehnt? Die 1970er Jahre in Frankreich und Großbritannien9:15 - 13:00 Ort: ZHG 004Sektionsleitung: Jörg Arnold / Sonja Levsen
Event Details
SONJA LEVSEN (Freiburg i.Br.) Einführung. Britische und französische Debatten über die 1970er Jahre [...]
Event Details
HÉLÈNE MIARD-DELACROIX (Paris)
Zwischen Bewegung und Versteifung. Frankreich in den 1970er Jahren
DIETMAR SÜSS (Augsburg)
Kommentar
Abstract:
Die Jahre „nach dem Boom“ sind in jüngster Zeit in den Fokus der deutschen Zeitgeschichtsschreibung gerückt. Charakterisiert werden sie als Epoche der Krise, des wirtschaftlichen „Strukturwandels“ und eines parallel dazu sich vollziehenden „Wertewandels“. Wiewohl Historiker die Dekade als Phase der engen Verflechtung westlicher Gesellschaften beschreiben, konzentrieren sich doch die bisherigen Interpretationen und die Debatte über die Begriffe zu ihrer Deutung stark auf deutsche Entwicklungen. Die zugrundeliegenden Prozesse gelten als transnationale – so gerade der wirtschaftliche „Strukturwandel“ und der damit verbundene soziale Wandel. Die gängige Rede von „Westdeutschland und Westeuropa“ betont diese transnationalen Gemeinsamkeiten, verdeckt jedoch die auf vielen Feldern weiterhin tiefgreifenden Unterschiede zwischen etwa britischen, deutschen und französischen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den 1970er Jahren. Die jüngeren britischen und französischen Debatten über das Jahrzehnt werden hierzulande wenig wahrgenommen; die jeweiligen Historiographien befruchten sich kaum grenzübergreifend.
In diese ‚Kommunikationslücke‘ zielt die vorgeschlagene Sektion. Sie rückt einige Spezifika britischer und französischer – zeitgenössischer ebenso wie historiographischer – Deutungen der 1970er Jahre in den Blick und will damit die derzeitige Debatte über die 1970er Jahre erweitern, aber auch modifizieren. Die Vorträge werden von drei grundlegenden Fragestellungen verbunden: Sie widmen sich erstens der Frage nach zeitgenössischen und historiographischen Deutungen des „Krisen“-Jahrzehnts als „Gewonnenes“ oder „Verlorenes“, des Aufbruchs oder des Niedergangs; sie zeichnen ein Spektrum ambivalenter und sich wandelnder Zuschreibungen von Gewinner- und Verliererrollen. Sie fragen zweitens kritisch danach, wie sich vorherrschende Zuschreibungen an die 1970er Jahre – als Krisen-, Umbruchs-, Wandelsjahrzehnt – verändern oder relativieren, wenn man sie in einen längeren Zusammenhang stellt. Drittens richten sie das Augenmerk auf nationale Spezifika in den gesellschaftlichen Entwicklungen dieses Jahrzehnts und eruieren damit auch den Einfluss verschiedener Akteursgruppen auf die Ausgestaltung der Folgen transnationaler Wandlungsprozesse.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Jörg Arnold / Sonja Levsen
25SepDo
Der deutsche Historikerverband im interdisziplinären Vergleich 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 007Sektionsleitung: Matthias Berg / Christoph Cornelißen
Event Details
MATTHIAS BERG (Berlin) Moderation MARTIN SABROW (Potsdam) Einführung. Der Fachverband der [...]
Event Details
MATTHIAS BERG (Berlin)
Moderation
LEVKE HARDERS (Bielefeld)
Professionalisierung und ihre Folgen: Die American Studies Association
CHRISTOPH CORNELISSEN (Frankfurt am Main)
Kommentar
Abstract:
Fachhistorische Selbstreflexionen zählen seit jeher zum Programm der Historikertage. Die Öffentlichkeit der an einem Ort versammelten Disziplin ermöglichte – gelegentlich auch erzwang – in besonderem Maße die Auseinandersetzung mit der eigenen Fachgeschichte. Auch der Historikerverband und die durch ihn ausgerichteten Historikertage selbst sind in dieser Hinsicht auf dem letzten Historikertag in Mainz bereits in den Blick genommen worden. Zum Jubiläum des wichtigsten Forums deutscher Geschichtswissenschaft, zum fünfzigsten Historikertag, erscheint es angemessen, diesen Rahmen disziplinärer Rückschau für den Vergleich mit anderen Fachvereinigungen zu öffnen. In welcher Phase disziplinärer Entwicklungen kam es – und warum – zur Gründung von Fachverbänden? Wurde die fachliche Institutionalisierung damit eröffnet, begleitet oder komplettiert? Trugen wissenschaftspolitische Motive, vergleichbar der Diskussion der Historiker um den Geschichtsunterricht, zur Entstehung bei? Welche Folgen zeitigte der jeweilige Gründungsimpuls für die Rolle der Fachverbände innerhalb der Disziplinen, waren diese Rollen Wandlungen unterzogen? In welchem Umfang trugen die Fachverbände und die von ihnen übernommenen Funktionen zur disziplinären Entwicklung bei, waren sie Kristallisations- oder eher Repräsentationsorte wesentlicher fachlicher Debatten? Nahmen sie im Gesamtgefüge der Disziplinen eine zentrale oder randständige Position ein, verblieben sie organisatorisch lose verfasst oder entwickelten sie sich zu verfestigten Institutionen? Fanden disparate fachliche Positionen und Entwicklungen ihren Niederschlag oder verstärkten die Verbände Tendenzen fachlicher Homogenisierung? Wurden die Vereinigungen zu disziplinären Integrationsorten, hatten sie sich innerfachlicher Konkurrenz zu erwehren? In welchem Maße suchten resp. erhielten die Vereinigungen Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit? Schließlich, welche Position nahmen die Fachverbände im weiteren, in der Sektion in den Blick genommenen Feld der Geistes- und Sozialwissenschaften ein? Dienten sie auch zur äußeren Repräsentation und überfachlichen Zusammenarbeit oder überwogen innerdisziplinäre Abschließungsprozesse? Ausgehend von der Annahme, dass nur im interdisziplinären Vergleich mit anderen Fachverbänden, Wissenschaftskulturen und Organisationsformen die Möglichkeiten und Begrenzungen des Historikerverbandes bewertet und beschrieben werden können, soll mit dem skizzierten Fragenkanon gleichsam das Tätigkeitsfeld des Verbandes „kartiert“ werden. Nach einem eröffnenden Vortrag, der orientiert an der Geschichte des Historikerverbandes das Problemfeld der Geschichte wissenschaftlicher Fachverbände allgemein umreißen soll, werden dafür die Fachvereinigungen von vier, mit der Geschichtswissenschaft in sehr unterschiedlichem Kontakt- und Konkurrenzverhältnis stehenden Disziplinen untersucht und mit dem Historikerverband verglichen. Der die Sektion beschließenden Kommentar soll die gewählten Vergleichsperspektiven auf die Geschichte des Historikerverbandes beziehen und den weiteren Forschungsbedarf markieren.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Matthias Berg / Christoph Cornelißen
25SepDo
Deutschland als Einwanderungsland? Annäherungen an ein umstrittenes Thema9:15 - 13:00 Ort: ZHG 008Sektionsleitung: Konrad H. Jarausch
Event Details
MARTIN SCHULZE WESSEL (München) Moderation JOCHEN OLTMER (Osnabarück) Deutschland in den europäischen Migrationsregimen seit 1945
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Konrad H. Jarausch
25SepDo
Making Winners? Transforming Individuals through Education in Colonial and Postcolonial Contexts9:15 - 13:00 Ort: ZHG 103Sektionsleitung: Deutsches Historisches Institut London
Event Details
ANDREAS GESTRICH (London) Chair JANA TSCHURENEV (Göttingen)
Event Details
ANDREAS GESTRICH (London)
Chair
VALESKA HUBER (London)
‘Transforming the Masses’? Literacy Campaigns at
the End of Empire
HARALD FISCHER-TINÉ (Zürich)
Kommentar
Abstract:
Die Sektion beschäftigt sich mit Ideen und Methoden der Transformation von Individuen durch Bildung und Erziehung. Sie analysiert konkurrierende Konzeptionen solcher Transformationsprozesse in kolonialen und postkolonialen Kontexten, vor allem des British Empire, im 19. und 20. Jahrhundert. Durch die Analyse spezifischer Beispiele untersucht die Sektion unterschiedliche Techniken zur Bildung von Subjektivität in verschiedenen geographischen Räumen. Mit einem Schwerpunkt auf Export, Transfer und Verknüpfung werden Fallstudien beleuchtet, die Großbritannien, Indien und andere Kolonien verbinden. Transnationale Akteure wie Missionsgesellschaften und internationale Organisationen werden ebenfalls in den Blick genommen, um die verschiedene Ziele von Bildungsprojekten zu untersuchen. Solche Ziele konnten auf wirtschaftlichen oder politischen Vorstellungen basieren und die Veränderung des Individuums oder der gesamten Gesellschaft im Blick haben, sie konnten soziale Mobilität, die Ausbildung von Arbeitskräften, politische oder religiöse Mission, die Schaffung einer intellektuellen Klasse oder ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung verfolgen. Die Beiträge untersuchen zudem die verschiedenen experimentellen Methoden, die von Pädagogen und Aktivisten unterschiedlicher Ausrichtung umgesetzt wurden. Einige Beiträge nehmen zudem die Erfahrung von Transformationsprozessen in den Blick und beleuchten Biographien von Empfängern solcher Bildungsexperimente. Schließlich sollen die Grenzen und ungeplanten Folgen dieser Experimente verdeutlicht werden.
English Version:
The session explores ideas and methods relating to the transformation of individuals through education. It analyses conflicting conceptions of such transformative processes in colonial and postcolonial contexts through specific examples and will investigate various technologies of crafting subjectivity in a wide range of geographical locations, targeting children and adults, men and women. Highlighting exports, transfers and entanglements, it will look at case studies connecting Britain, India and other colonial locations but also transnational actors such as missionary societies and international organisations in order to assess the different aims and objectives of educational experiments intending individual transformation. The session topic connects with the overall theme of the Historikertag by asking – in a slightly provocative manner – what it takes to transform a person into a ‘winner’. Answers to this question could vary widely of course and could be based on economic or political objectives, take the society or community as a whole or focus solely on the individual. The aim of educational experiments could be social mobility, but also economic manpower planning, political or religious conversion, the transition from manual worker to intellectual, spiritual fulfilment or other more holistic objectives. The presentations will furthermore investigate specific experimental methods of how to transform individuals proposed by educationists of different affiliations. Some of the papers will emphasise the experience of transformation rather than its aims and methods and highlight life stories and biographies of recipients of such educational experiments. Finally the limits and unintended outcomes of these experiments will emerge clearly in the different contributions.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Deutsches Historisches Institut London
25SepDo
Verflochtene Umbrüche? West- und Ostdeutschland seit den 1970er Jahren9:15 - 11:00 Ort: ZHG 011Sektionsleitung: Frank Bösch
Event Details
FRANK BÖSCH (Potsdam) Einführung / Politische Kulturen ANDRÉ STEINER (Potsdam) Wirtschaft und Konsum FRANK UEKÖTTER (Birmingham) Umwelt
Event Details
FRANK BÖSCH (Potsdam)
Einführung / Politische Kulturen
ANDRÉ STEINER (Potsdam)
Wirtschaft und Konsum
FRANK UEKÖTTER (Birmingham)
Umwelt
WILFRIED RUDLOFF (Kassel)
Schule und Bildung
LUTZ RAPHAEL (Trier)
Kommentar
Abstract:
Die 1970/80er Jahre werden in der Zeitgeschichtsforschung derzeit intensiv als Phase grundlegender Umbrüche diskutiert, die auf die Gegenwart verweisen. Sie gelten als Krisenzeit „nach dem Boom“, in der ein „Shock of the Global“ und der Strukturwandel am Ende des Industriezeitalters mit grundlegenden sozio-ökonomischen, kulturellen und politischen Veränderungen einhergingen. Auffälliger Weise konzentrieren sich die aktuellen Forschungen dazu fast durchweg auf die Bundesrepublik oder westliche Nachbarländer. Entsprechend werden die Veränderungen mit spezifisch westlichen Kontexten und Begriffen interpretiert, die oft bereits zeitgenössisch aufkamen – wie Demokratisierung und Liberalisierung, Postmaterialismus und Postmoderne, Individualisierung und Pluralisierung, Risiko- oder Dienstleistungsgesellschaft. Studien zur DDR der 1970/80er Jahre und zum Sozialismus machen zwar ebenfalls Krisen und Veränderungen aus, analysieren diese jedoch vornehmlich als spezifische Probleme des Sozialismus. Eine integrierte deutsch-deutsche Gesellschaftsgeschichte dieser Wandlungsprozesse steht dagegen noch aus.
Die Podiumsdiskussion geht der Frage nach, inwieweit für die künftige Erforschung der jüngsten Zeitgeschichte eine systemübergreifende Analyse sinnvoll und ergiebig sein kann. Sie fragt, inwiefern seit den 1970er Jahren systemübergreifende „verflochtene Umbrüche“ den eisernen Vorhang durchdrangen und damit eine Annäherung der beiden deutschen Teilstaaten bzw. zwischen Ost- und Westeuropa förderten – wie etwa die Finanzkrisen, die Krise traditioneller Industriezweige und der Aufstieg der Mikroelektronik, die proklamierte neue „Wissensgesellschaft“, steigende Energiekosten und Umweltprobleme oder auch der Wandel des Politischen im Zeitalter des Fernsehens und neuartiger Partizipationsformen. Dabei ist zu diskutieren, in welchem Maß die vielfältigen Krisenperzeptionen Pfadwechsel ermöglichten, die andernfalls kaum denkbar gewesen wären. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit derartige Entwicklungen den Niedergang des Sozialismus förderten, auch weil sie die Verflechtung mit dem Westen stärkten. Zudem wird konzeptionell erörtert, welche Begriffe mit mittlerer Reichweite die zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Termini ergänzen und ersetzen könnten, um den Wandel in beiden Systemen zu fassen.
Die Podiumsdiskussion soll sich nicht auf die 1970/80er Jahre beschränken, sondern zugleich mit Blick auf die Zeit nach 1989 fragen, inwieweit über die bekannte Wiedervereinigungspolitik hinaus zwischen Ost und West eine doppelte Transformation auszumachen ist. Während die sozialwissenschaftliche Transformationsforschung den ostdeutschen Wandel als schwierigen Anschluss an die Bundesrepublik betrachtete, wird so überlegt, in welchem Maße sich damit verbunden auch Westdeutschland veränderte, was wiederum unter dem Einfluss globaler Trends geschah. Kritisch zu diskutieren ist, ob es sich in Ostdeutschland nicht nur um eine „nachgeholte Modernisierung“ handelte, sondern durch den Sozialismus und die Transformation auch subkutan Trends vorweg genommen wurden. Damit zielt die Sektion darauf ab, die Geschichte der Wiedervereinigung nicht nur als Politik-, Protest- und Transformationsgeschichte in der DDR zu thematisieren, sondern in einer langen gesamtdeutschen gesellschaftsgeschichtlichen Perspektive, ohne neue Teleologien, vereinfachte Gleichsetzungen und nationale „Master Narratives“ zu konstruieren.
Die Frage nach „Gewinnern und Verlierern“ durchzieht diese deutsch-deutsche Perspektive, ohne sie vereinfacht auf Verlierer der Vereinigung in den neuen Bundesländern und Gewinnern aus dem Westen zu beschränken. Vielmehr wird für beide Teile diskutiert, wie strukturelle Wandlungsprozesse langfristig die Verteilung von ökonomischem, politischem und kulturellem Kapital beeinflussten. Vier Bereiche werden in den max. 10-minütigen Eingangsstatements exemplarisch vertieft betrachtet:
(1) Die politische Kulturen: Die systembedingten Unterschiede sind hier besonders groß. Protestkulturen, die traditionelle politische Eliten herausforderten, entstanden zwar in beiden Teilen Deutschlands, hatten aber eine unterschiedliche Struktur und Bedeutung. Zu diskutieren sind jedoch ähnliche Wandlungsprozesse, die über 1989 hinaus reichen: etwa die Medialisierung der Politik, die in Ost und West übergreifend ihre Responsivität und politische Praktiken beeinflusste; die Rolle und Vermessung der „Silent Majority“, die sich von staatlichen Institutionen abwandte; oder die Folgen von konsumorientierten Logiken für die politische Kultur, die nicht nur entpolitisierten, sondern auch Alltagsfragen potentiell politisieren konnten.
(2) Wirtschafts- und Konsumgeschichte: Beide deutschen Volkswirtschaften mussten sich ökonomischen Herausforderungen stellen, die an den Systemgrenzen nicht haltmachten und die Rahmenbedingungen und Grundlagen des Wirtschaftens im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts prägten: Die einsetzende neue Globalisierungswelle, die weltweite Beschleunigung der technischen Entwicklung und die Veränderungen in der Konsumnachfrage prägten den wirtschaftlichen Strukturwandel in West und Ost sowohl in der Phase der Teilung als auch der Vereinigung in unterschiedlichem Maße. Der Beitrag diskutiert über 1989 hinaus die Folgen dieser Reaktionen.
(3) Umweltgeschichte: Die ökologische Krise ist als Zeitdiagnose ein „Gewinner“ der jüngsten Zeitgeschichte. Seit 1970 entwickelte sich das Wissen um die ökologische Selbstgefährdung des Menschen von einem Anliegen weniger Pioniere zu einem weithin akzeptierten Problemkomplex. Der Blick auf die Umweltgeschichte verbindet die deutsch-deutsche Protestgeschichte mit der materiellen Problemgeschichte, wo die Verflechtungen von der Verschmutzung von Elbe und Weser bis zum Mülltransfer nach Schönberg reichen. Dies wird als deutsch-deutsche Geschichte beständiger Improvisationen interpretiert, die eigenwillig unverbunden neben dem Ruf nach langfristiger Nachhaltigkeit stehen.
(4) Die Schul- und Bildungsgeschichte: Unabhängig von dem Auseinanderlaufen der äußeren Schulstrukturen beider Bildungssysteme lassen sich bereits vor 1989 beiderseits der Mauer Parallelentwicklungen beobachten, die als analoge, wiewohl nicht gleichartige Antworten auf systemübergreifende Herausforderungen des „wissenschaftlich-technischen Zeitalters“ verstanden werden können. Die Frage nach den bildungspolitischen Antworten beider Systeme wird für Problembereiche wie die Begabungsförderung und innere Differenzierung, die Neujustierung und „Verwissenschaftlichung“ des Wissensbegriffs und Fächerkanons, die Koordination von Bildung und Beschäftigung sowie die Entwicklung der inneren Schulkultur und Aufwertung der Unterrichtsqualität diskutiert.
Die Referenten präsentieren in max. 10 Minuten Thesen zu ausgewählten Feldern, für die sie ausgewiesene Experten sind, dann erfolgt ein kritischer Kommentar und eine Diskussion mit den Zuhörern.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 9:15 - 11:00
Sektionsleitung
Frank Bösch
25SepDo
Konstruktionen des Heroischen. Transformation und Niedergang einer politischen Kategorie im 20. Jahrhundert11:30 - 13:15 Ort: ZHG 011Sektionsleitung: Christoph Classen
Event Details
CHRISTOPH CLASSEN (Potsdam) und MAJA BÄCHLER (Berlin) Einführung und Moderation HERFRIED MÜNKLER (Berlin) JAN-PHILIPP REEMTSMA (Hamburg) UTE FREVERT (Berlin) Abstract: „Unglücklich das Land, das [...]
Event Details
CHRISTOPH CLASSEN (Potsdam) und MAJA BÄCHLER (Berlin)
Einführung und Moderation
JAN-PHILIPP REEMTSMA (Hamburg)
Abstract:
„Unglücklich das Land, das Helden nötig hat!“ – Der Ausruf, den Bertolt Brecht seinem Galilei Galileo in den Mund gelegt hat, akzentuierte noch während des II. Weltkriegs die Skepsis gegenüber dem überkommenen Heldenkult. Tatsächlich gehörten „Helden“ als Vorbilder ihrer jeweiligen sozialen Gefüge seit der Antike zum festen Inventar politischer Kulturen. Ganz gleich, ob es sich dabei um mythische oder historisch verbürgte Personen handelte: Die jeweiligen Inszenierungen zielten stets auf personifizierte und ins Außerordentliche gesteigerte Repräsentation kollektiv geteilter oder jedenfalls erwünschter Tugenden. Damit bieten sie einen Ansatzpunkt für kulturgeschichtliche Analysen zu den normativen Grundlagen von Vergemeinschaftung.
Die Podiumsdiskussion widmet sich dem Wandel von Heldenbildern vom Ersten Weltkrieg bis zu medialen Inszenierungen in der Gegenwart. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Ausbreitung moderner Massenmedien und die Vergesellschaftung von Politik im 20. Jahrhundert in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht neue Voraussetzungen für die Inszenierung und Verbreitung von Heldenbildern geschaffen haben. Zugleich unterlag der auf antiken, christlichen und literarischen Stereotypen beruhende Kanon des Heldenbildes dabei erheblichen Aufweichungs-, Umdeutungs- und – siehe oben – auch Verfallsprozessen. Beispielsweise wurde der Archetyp des heldenhaften Kriegers im I. und II. Weltkrieg auf alle Gefallenen erweitert und damit zu einer inflationären posthumen Ehrzuweisung bagatellisiert. Dies deutet auf ein grundsätzliches Paradox des Heroischen im 20. Jahrhundert hin: Einerseits wird die Spannung zwischen außerordentlicher, übermenschlicher Leistung des Individuums betont, andererseits sollen damit Kollektive angesprochen und auf homogene Normen oder Ziele verpflichtet werden. An der Spannung zwischen individueller Auszeichnung und kollektivem Gleichheitspostulat krankten nicht nur die kommunistischen Stachanow-Kampagnen, auch zum demokratischen Ideal besteht eine nicht leicht zu überbrückende Kluft. Damit stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das Heroische zu den konkurrierenden politischen Ordnungen und Normen des vergangenen Jahrhunderts steht.
Ziel der interdisziplinär besetzten Podiumsdiskussion ist es, die Transformation des Heroischen als Teil des grundlegenden Wandels des Politischen im 20. Jahrhundert zu diskutieren. Aus den unterschiedlichen, geschichts-, politik- und literaturwissenschaftlichen Perspektiven der Teilnehmer soll die Transformation dieser Kategorie sowohl inhaltlich beschrieben als auch im Hinblick auf ihre Grundlagen untersucht werden. Wie veränderten sich die Inszenierungen des Heroischen, etwa bezogen auf Geschlechter- und Körperdarstellung? Welche Normen waren zu unterschiedlichen Zeiten in den europäischen Kulturen daran geknüpft und wie wirkten diese auf den Heldentopos zurück? War es am Ende die Inflationierung dieser Kategorie durch ihre propagandistische Instrumentalisierung, die ihren Niedergang herbeigeführt hat? Oder muss dies eher als Folge der Gewaltexzesse des letzten Jahrhunderts interpretiert werden? Nicht zu übersehen ist auch eine Spannung zu den umfassenden Sicherheitsbedürfnissen in modernen Industriegesellschaften.
Zugleich stellt sich die Frage, ob die Rede vom Übergang ins „postheroischen Zeitalter“ für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt zutreffend ist. So deutet manches darauf hin, dass das Bedürfnis nach Helden weiterhin lebendig ist, jedenfalls stellt ihre Inszenierung weltweit einen stabilen Topos populärer Kulturen dar. Und sind unsere gegenwärtigen Demokratien tatsächlich frei von Heldeninszenierungen? Hier ist nach den Traditionen und Transformationen, nach Sublimierungen und Schwundstufen dieser Kategorie in unterschiedlichen Ländern zu fragen, nach dem Pathos des charismatischen Politikers bzw. Kriegshelden, des „Opfers“, des „Stars“, und von „modernen“ Tugenden wie „Zivilcourage“.
Uhrzeit:
(Donnerstag) 11:30 - 13:15
Sektionsleitung
Christoph Classen
26SepFr
Sexualität im 20. Jahrhundert. Beiträge zur deutschen Geschichte9:15 - 13:00 Ort: ZHG 008Sektionsleitung: Christina Benninghaus
Event Details
EDWARD ROSS DICKINSON (Davis) Sexual Modernities in Imperial and Weimar Germany
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Christina Benninghaus
26SepFr
Beyond Hybridity? Members of Minorities as Brokers in Global Cultural Encounters in the Late Ottoman Empire 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 003Sektionsleitung: Julia Hauser / Christian Saßmannshausen
Event Details
GUDRUN KRÄMER (Berlin) Chair and Comment CHRISTINE LINDNER [...]
Event Details
GUDRUN KRÄMER (Berlin)
Chair and Comment
UTA ZEUGE (Berlin/Wien)
Identities in Conflict? Syrian Protestant Lives
Abstract:
Seit dem Aufkommen der new imperial historyhaben Historiker das epistemologische Potential erkannt, das in der Untersuchung transnationaler Lebensläufe liegt. Bisweilen allerdings werden biographische Studien miteinander in Bezug gesetzt, ohne dabei ihre geographischen Kontexte zu berücksichtigen. In diesem Panel hingegen wird argumentiert, dass transnationale Biographien nur dann sinnvoll analysiert werden können, wenn man Akteure in einem gemeinsamen Kontext vergleicht. Einerseits handelten diese meist in bestimmten imperialen Konstellationen, deren rechtliche und politische Strukturen nicht außer Acht gelassen werden können. Andererseits machten sich westliche Kolonialfantasien an bestimmten Räumen fest. Beide Parameter waren konstitutiv für die Bedingungen, unter denen culturalbrokers agierten.
Im Osmanischen Reich spielten Angehörige religiöser Minderheiten eine zentrale Rolle im Kontakt mit Europa und zunehmend auch den USA. Ihre multiplen Identitäten, ihr besonderer Status in der osmanischen Gesellschaft und vielfach auch ihr Wohlstand begünstigten diese Funktion. Gleichzeitig erscheint ihr sozialer Status auf den ersten Blick als widersprüchlich, da viele von ihnen die Protektion europäischer Staaten genossen und doch kulturell, ökonomisch und sozial in lokale Kontexte integriert waren.
Eine wachsende Forschung untersucht die Rolle nicht-muslimischer Minderheiten im “langen” 19. Jahrhundert. Einige Thesen der bisherigen Forschung bedürfen jedoch einer kritischen Überprüfung. So sind Angehörige nichtmuslimischer Minderheiten oft aufgrund ihrer vermeintlichen Nähe zu Europa als Modernisierer dargestellt worden. Auch wurden sie häufig als Wegbereiter von Säkularismus und Nationalismus gesehen, die die osmanische Herrschaft in Frage stellten.
Schließlich wurden sie meist isoliert anstatt in ihren lokalen kulturellen Verflechtungen betrachtet. Angesichts neuerer Forschungen zur spätosmanischen Gesellschaft, die den Aspekt religiöser Koexistenz und gegenseitigen Austauschs betonen, erscheint es angebracht, bisherige Forschungsmeinungen zur Rolle nichtmuslimischer Minderheiten auf den Prüfstand zu stellen.
Darüber hinaus eröffnen sich neue Perspektiven, wenn man über die üblichen dramatis personae hinausgeht. Denn kulturelle Übersetzung beschränkte sich nicht nur auf Handel und Diplomatie. Die literarische Öffentlichkeit und das Bildungswesen waren wichtige Felder, auf denen Angehörige von Minderheiten mit Europäern und Amerikanern interagierten. Zweitens sollten auch Geschlecht und sozialer Status als Faktoren in die Analyse stärker eingeblendetwerden. Weibliche Angehörige von Minderheiten übernahmen, etwa als Lehrerinnen, wesentliche kulturelle Übersetzungsleistungen, agierten dabei jedoch unter ganz anderen Vorzeichen als ihre männlichen Pendants. Oft von niederer sozialer Herkunft, genossen sie seltener das Privileg der Extraterritorialität. Sowohl sozialer Status als auch Geschlechtbeeinflussten daher die Handlungsspielräume kultureller Mittler: Differenzen, die es zu untersuchen gilt.
Dieses Panel verfolgt daher eine Reihe von Fragen. Welche Rolle spielten culturalbrokers in Kontakten zwischen dem Osmanischen Reich, Europa und den USA?Wann erschienen sie als ambigue Figuren, wann artikulierte sich ihre Identität auf scheinbar eindeutige Art? Und mehr noch: ist das so oft gebrauchte Konzept der Hybridität überhaupt geeignet, um jene “jeuxd’identité” (Smyrnelis) zu beschreiben, die sich im Handeln kultureller Mittler im späten Osmanischen Reich beobachten lassen? Denn während der Begriff des Hybriden in der Lage ist, ihre oft multiplen Bindungen zu erfassen, suggeriert er doch, dass diese Bindungen stets im selben Maß präsent gewesen seien − eine Annahme, zu der die oft wechselnden Strategien dieser Akteure im Widerspruch stehen. Letztlich soll es in diesem Panel also darum gehen, eine Terminologie zu finden, die der erstaunlichen Flexibilität im Umgang mit Loyalitäten, die sich bei Angehörigen von Minderheiten in kultureller Mittlerfunktion beobachten lässt, besser gerecht wird – sich also auch begrifflich jenseits des Hybriden zu bewegen, ohne dabei den Aspekt der Grenzüberschreitung aus dem Blick zu verlieren.
Nicht nur culturalbrokers im späten Osmanischen Reich waren Grenzgänger. Grenzen müssen auch Forschende überwinden, die sich ihrer Untersuchung widmen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass osmanische Geschichte bislang kaum zum Kanon der Geschichtswissenschaft in Deutschland gehört. Anders als etwa in den USA hat der enge Zusammenhang von entstehender Geschichtswissenschaft und nationbuilding lang die Arbeitsweise der Geschichtswissenschaft geprägt, während transnationale und Globalgeschichte erst neuere Entwicklungen sind. Die Geschichte des Osmanischen Reichs wird daher immer noch vorwiegend in der Islamwissenschaft, Turkologieoder Arabistik untersucht. Historiker und Historikerinnen sollten daher weiter, wie dies bereits verstärkt seit dem letzten Jahrzehnt geschehen ist,den Dialog mit den areastudies intensivieren. In diesem Sinne ist das geplante Panel in seiner Zusammensetzung sowohl interdisziplinär als auch international.
Aus dem Blickwinkel der interkulturellen Theologie fragt Uta Zeuge in ihrem Vortrag danach, welchen Einfluss kulturelle Mittlertätigkeit auf das self-fashioning männlicher christlicher Angehörige der neuen Mittelschicht hatten. Christine Lindner, Historikerin, untersucht die Handlungsspielräume weiblicher Angehöriger religiöser Minderheiten. Julia Hauser, ebenfalls Historikerin,untersucht die Unterstützerkreise zweier ausländischer Mädchenschulen im spätosmanischen Beirut, wobei sie zeigt, dass kulturelle Vermittlung nicht ausschließlich von wohlhabenden christlichen und jüdischen Familien geleistet wurde.Christian Saßmannshausen, Islamwissenschaftler und Nahosthistoriker,beleuchtet am Beispiel einer griechisch-orthodoxen Familie mit extraterritorialem Status aus Tripoli das Navigieren privilegierter Akteure zwischen widerstreitenden Loyalitäten. Nora Lafi, ebenfalls auf die Geschichte des Osmanischen Reichs spezialisiert, untersucht die Frage, wie Juden im spätosmanischen Tunis ihre Identität zwischen lokalen Wurzeln und globalem Wandel verhandelten. Das Panel beginnt mit einer Einführung durch die Organisatoren. Es folgen fünfVorträge à 20 Minuten, unterbrochen durch eine halbstündige Pause nach den ersten drei Vorträgen, nach denen jeweils 10 Minuten Diskussion vorgesehen sind. Ein Abschlusskommentar führt in die allgemeine Diskussion. Da diese Sprache einigen Teilnehmern des Panels näher liegt, finden die Vorträge nach einer deutschsprachigen Einführung in die Thematik des Panels in englischer Sprache statt. Diskussionssprachen sind Deutsch und Englisch.
English Version:
Beyond Hybridity? Members of Minorities as Brokers in Global Cultural Encounters in the late Ottoman Empire
With the emergence of a new imperial history, scholars have become aware of the epistemological potential offered by the exploration of transnational biographies. Often, however, studies of relevant characters are presented irrespective of their geographical fields of action, as if these were interchangeable sceneries on the transnational stage. This panel, by contrast, argues that transnational biographies can only be examined fruitfully by comparing actors within a given geographical context. On the one hand, cultural brokers acted within [or between] imperial frameworks whose legal and political structures cannot be disregarded in historical analysis. On the other, Western colonial fantasies tended to attach themselves to definite areas. These parameters shaped the conditions under which cultural intermediaries were able to act.
In the Ottoman Empire, certain members of religious minorities were crucial to various kinds of interactions with Europe as well as, increasingly, with the United States of America. Their multiple identities, their liminalstatus in Ottoman society and, in many cases, their affluence, disposed them for this function. At the same time, their status was often an ambivalent one, since many of them enjoyed a status of extraterritoriality while at the same time being embedded culturally, economically and socially into local contexts. A growing literature continues to examine the crucial (and often ambiguous) role of non-Muslim minorities in cultural exchange during the late Ottoman Empire., Certain arguments to be found in research, however, are in need of revision, as they reproduce a myth of sectarianism at odds with recent historical research on Ottoman society. First, non-Muslim members of minorities, on account of their alleged proximity to Europe, have been cast in the role of modernizers. They have also been referred to pathbreakers of secularization and of nationalism who challenged Ottoman rule. Finally, they have been regarded in isolation rather than in their local contexts. Beyond these general critical interventions, it seems worthwhile to expand the usual cast of characters. Cultural brokership, after all, was not just restricted to trade and diplomacy. The literary public as well as education were important fields where members of minorities interacted with Europeans and Americans. Secondly, and in this very context, social status and gender must be brought within the fold. Female members of religious minorities, some of whom taught in missionary and other schools, were important cultural intermediaries, yet acted under conditions significantly different from those of their male peers. Often of lower social status than male cultural intermediaries with a minority background, they were less likely to enjoy the costly privilege of extraterritoriality. Both class and gender, therefore, made for differences impacting the agency of cultural intermediaries: differences in need of investigating.
This panel, therefore, addresses a number of questions. Which role(s) did members of minorities play in cultural contacts between Europe, America, and the Middle East?How did they avail themselves of the “jeuxd’identité”Marie-Carmen Smyrnelis observed in her study of nineteenth-century Izmir in these contacts? On which occasions did they assert hybrid identities? When, on the other hand, did they play the card of fixed identities? A closer look the biographies of members of minorities who acted as cultural intermediaries opens up the chance of rewriting the story of imperial encounters from its very foundations.More particularly, it invites scholars to rethink the oft-employed concept of hybridity. While this term is able to accommodate the multiple allegiances characterizing transcultural subjects in the Ottoman Empire, it suggests a degree of continuous intermixedness belied by the often shifting strategies employed by cultural intermediaries. Ultimately, this panel hopes to arrive at a more satisfying terminology apt to characterize the striking playfulness resorted to by members of minorities in cultural exchange; to develop a terminology beyond the comfortable vagueness of the hybrid without losing sight of the transgression of boundaries central to cultural brokership.
Crossing boundaries is not just the raison d’être of cultural intermediaries. It is also a necessity for historians analyzing their biographies. Other than in the US, the notion of historiography as the handmaiden of nation building has long shaped academic historiography, with transnational and global history being but recent developments. In Germany, as a consequence, Ottoman history has long been the subject of Arabic and Islamic studies exclusively. In an age of growing global entanglements, German historians ought to enter dialogue with area studies and other disciplines (and vice versa) dedicated to the study of the world beyond Europe, while area studies ought to intensify their dialogue with historians.
This panel, therefore, is both interdisciplinary and international in composition. From the vantage point of intercultural theology, Uta Zeuge (Berlin / Wien) investigates the influence of cultural brokership on the self-fashioning of male Christian members of the emerging middle stratum in Ottoman society. Christine Lindner (Beirut), historian by training, examines the agency of female members of religious minorities in interactions with Protestant missions in Mount Lebanon and Beirut. Julia Hauser (Göttingen), trained in history as well, takes a closer look at the local supporters of two foreign schools in late Ottoman Beirut, emphasizing the heterogeneity of cultural brokers’ social and religious profile.Christian Saßmannshausen, on the other hand, whose background is in Islamic studies/Ottoman history, sheds light on how privileged extraterritorial actors navigated between conflicting identities by drawing on the example of a Greek Orthodox notable family from Tripoli. While deeply embedded into local society, they acted as cultural brokers with transregional ties and mobile lifestyles. Nora Lafi, likewise an Ottomanist, examines how Jews in late Ottoman Tunis negotiated their identity between local roots and global changes. The panel starts with an introduction by the organizers. It is followed by five 20-minute presentations and 10-minute intervals for discussion. A concluding comment by Gudrun Krämer leads into the final discussion. The panel is scheduled for four hours.Since some panelists are less familiar with German, papers will be presented in English, while both English and German contributions are welcome in the ensuing discussion.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Julia Hauser / Christian Saßmannshausen
26SepFr
Kasinokapitalismus und Kommerzkick. Konvergenzen von Wirtschaft und Spiel im 20. Jahrhundert9:15 - 13:00 Ort: ZHG 103Sektionsleitung: Alexander Engel / Juliane Czierpka
Event Details
HARTMUT BERGHOFF (Washington, D.C.) Moderation JAKOB TANNER (Zürich) Kritik des Kasinokapitalismus ALEXANDER [...]
Event Details
HARTMUT BERGHOFF (Washington, D.C.)
Moderation
JAKOB TANNER (Zürich)
Kritik des Kasinokapitalismus
SASCHA MÜNNICH (Göttingen) und ROMAN ROSSFELD (Zürich)
Kommentar
Abstract:
Traditionell ist die Sphäre der Ökonomie mit Ernst, Mühseligkeit und Zweckgerichtetheit assoziiert, die Sphäre des Spiels hingegen mit Zweckbefreitheit, Mühelosigkeit und Spaß. Für das 18. und 19. Jahrhundert lässt sich eine explizite Gegenüberstellung beider Sphären beobachten, und im Kern wirkt diese Kontrastierung von Homo faber und Homo ludens bis heute fort. Zugleich zeigt sich aber – so die zu diskutierende Grundthese dieser Sektion – eine Auflösung der Dichotomie.
Jakob Tanner stellt den „Kasinokapitalismus“ in den Mittelpunkt seines Vortrags und analysiert, nach einer kritischen Würdigung des Begriffs, die historische Entwicklung der Deregulierungseuphorie, die im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts die globale Dynamik digitalisierter Finanzmärkte ausgelöst hat. Auch Alexander Engel stellt das Vordringen spielerischer Elemente in ökonomische Sphären im Vordergrund. Indem er das Börsenparkett als Wettkampfarena und die Börsenspekulation als Spiel diskutiert, arbeitet er, anhand der sich wandelnden Diskurse bezüglich der ökonomischen Folgen und Funktion des Börsenspiels, die veränderte Auffassung des Ökonomischen im Allgemein heraus. Rolf Nohr beschäftigt sich mit der bewussten Einführung spielerischer Elemente, in Form von Unternehmensplanspielen, in die Unternehmen. In den „Serious Games“ der 50er Jahre wurden Handlungssteuerung, Wissenstransformation sowie die Adaption an das neue Medium Computer und einen veränderten Rationalitätsbegriff „gespielt“. Juliane Czierpka und Peter Römer stellen das ökonomisierte Spiel in den Vordergrund und bemühen sich um eine historische Einordnung des häufig kritisierten Prozesses der Verwirtschaftlichung des Fußballs in Deutschland und untersuchen dessen Folgen für die Anhänger. Tobias Werron analysiert abschließend aus einer soziologischen Perspektive heraus, gestützt auf die Abgrenzung des modernen Wettkampfsports gegenüber dem Spiel, ob sich auch Formen der Unterhaltung in Sport und Wirtschaft genauer analysieren lassen.
English Version:
Traditionally, the economic sphere is characterized by its earnestness, its arduousness, and by following purposes. Playing, on the other hand, is seen as an effortless, purposeless amusement. In the 18th and 19th century, homo faber and homo ludens were distinctly separated from each other, a dichotomy that still exists today, even though the boundaries between the two spheres became blurred. The section deals with different areas where the lines between the economic and playing vanished during the 20th century.
Jakob Tanner looks at conceptual problems and semantic pitfalls of the term ‘casino capitalism’, before developing a critique of the euphoria of deregulation that has triggered the global dynamics of digitized financial markets in the last quarter of the 20th century. Alexander Engel shows how the economic sphere displays several characteristics of playful behavior. He examines how the stock market’s trading floors became an arena and compares speculation to a game in order to discuss changes in the perception of economics in general. Rolf Nohr deals with the deliberate introduction of games into businesses. The serious games of the 1950s enacted fundamental changes in (economic) controlling, the transformation of knowledge as well as the adaptation to a new media and a renewed concept of rationality. Juliane Czierpka and Peter Römer address the issue of the commercialization of professional football in Germany. In a first step, they seek to form a theoretical and empirical basis for the fierce criticism about this process, which is mainly expressed by the supporters, whose role will be analyzed in a second step. Tobias Werron looks at the distinction between modern competitive sports and other games to discuss how this sociological perspective can help to analyze forms of entertainment in modern sports and the economy.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Alexander Engel / Juliane Czierpka
26SepFr
Die letzten Generalsekretäre9:15 - 13:00 Ort: ZHG 007Sektionsleitung: Martin Sabrow / Susanne Schattenberg
Event Details
SUSANNE SCHATTENBERG (Bremen) Leonid Il’ic Brežnev (1964 – 1982) MICHAL PULLMANN (Prag) Gustáv Husák (1969 – 1987)
Event Details
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Martin Sabrow / Susanne Schattenberg
26SepFr
Kinder des Krieges als Mittler zwischen Verlierern und Gewinnern in europäischen Nachkriegsgesellschaften 9:15 - 13:00 Ort: ZHG 001Sektionsleitung: Lu Seegers
Event Details
LU SEEGERS (Hamburg) Vaterlose Kriegswaisen in der Bundesrepublik und in der DDR
Event Details
LU SEEGERS (Hamburg)
Vaterlose Kriegswaisen in der Bundesrepublik und in der DDR
SILKE SATJUKOW (Magdeburg)
„Besatzungskinder“ in beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften
JEAN-PAUL PICAPER (Strasbourg)
„Kinder der Schande“ in Frankreich
MAREN RÖGER (Warschau)
„Wehrmachtskinder“ in Polen
LUTZ NIETHAMMER (Jena)
Moderation und Kommentar
Abstract:
Sieg und Niederlage lagen im Zweiten Weltkrieg dicht beieinander. Nach Jahren der Unterwerfung fremder Völker war Deutschland 1945 militärisch und moralisch besiegt. Millionen alliierter Soldaten trafen nun auf eine schuldbeladene wie angsterfüllte Zivilbevölkerung. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges beschäftigen die europäischen Gesellschaften bis heute, wobei generationsgeschichtliche Paradigmen in den letzten Jahren vermehrt auf geteilte Erfahrungen von Alterskohorten verwiesen haben. Der Begriff „Kriegskinder“ wurde gebräuchlich und flankierte im medienöffentlichen wie im wissenschaftlichen Diskurs zumeist eine Opfererzählung. Die vorliegende Sektion möchte diese Engführung aufbrechen, indem sie diese Kinder in beiden deutschen Nachkriegsstaaten, in Frankreich und in Polen nicht nur als Opfer begreift, sondern auch als Mittler zwischen Gewinnern und Verlierern und als Wegbereiter von gesellschaftlichen Liberalisierungsprozessen.
Die Erforschung dieser „zwischen den Mächten“ stehenden Gruppen der Kriegskinder konturiert eine Sozial- und Mentalitätsgeschichte von europäischen Nachkriegs-gesellschaften:
1.) Kriegswaisen: Allein in Deutschland hinterließen die mehr als fünf Millionen gefallenen Soldaten rund 2,5 Millionen Halbwaisen und rund 100.000 Vollwaisen. Ihre Väter waren von abwesenden Kriegshelden zu Kriegstoten geworden oder blieben dauerhaft vermisst.
2.) Besatzungs- und Wehrmachtskinder: Im Zweiten Weltkrieg drangen Millionen von Soldaten verschiedener Nationen gewaltsam in die Territorien des Feindes ein. Zwischen Gewinnern und Verlierern, zwischen fremden Soldaten und einheimischen Frauen kam es infolgedessen zu erzwungenen und zu freiwilligen sexuellen Kontakten. Allein in den besetzten Gebieten Frankreichs, Polens und später Deutschlands wurden mehrere Hunderttausend Kinder geboren.
Gemeinsam ist den diskutierten Kindergruppen die Fragilität ihrer Erzeuger: Kriegswaisen erinnerten die Gesellschaft an die militärische Niederlage, Besatzungskinder erinnerten an Transgressionen von patriotischen Werten und geschlechterabhängig definierten Sexualnormen. Durch ihre bloße Anwesenheit riefen die Kinder die Niederlage ihrer Väter (Kriegswaisen) oder das vermeintliche Fehlverhalten ihrer leiblichen Eltern (Besatzungskinder/Wehrmachtskinder) in Erinnerung. Sie wirkten als schmerzliche Stachel der Nachkriegsgemeinschaften und waren vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt. So galten Kriegswaisen zwar als anerkannte „Schicksalsgruppe“, zugleich waren sie mit nachhaltig wirkenden negativen Zuschreibungen konfrontiert, wie PD Dr. Lu Seegers in ihrem Vortrag über vaterlose Halbwaisen in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften erläutert. Insbesondere vaterlose Jungen galten als schwer erziehbar. Vielfach fühlten sich Mädchen und Jungen insbesondere in Westdeutschland materiell und in der Schule benachteiligt, im Verwandten- und Bekanntenkreis argwöhnisch beobachtet und kontrolliert.
Noch ungleich stärkere Wirkung entfalteten gesellschaftliche Stigmatisierungen jedoch bei Kindern, deren Väter früher „Feinde“ gewesen waren. Während die Erzeuger alsbald in ihre Heimat zurückkehrten, verblieben die Kinder mitsamt ihren Müttern in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen im Geburtsland. Hinzu kamen psychische und sozialpsychische Ächtungen, auf die Prof. Dr. Silke Satjukow am Beispiel der Kinder von alliierten Besatzungssoldaten in Deutschland eingeht, während Dr. Maren Röger und der Politikwissenschaftler Jean-Paul Picaper die Situation von Kinder deutscher Wehrmachtssoldaten in Polen und in Frankreich behandeln. Die Vorträge der Sektion verweisen auf die Bedeutung einer europäisch vergleichenden und interdisziplinären Erforschung dieser vielfältigen Erfahrungs- und Erwartungsgeschichten, die bis heute aussteht.
Die Kindheit ohne Vater zeitigt bei den Betroffenen bis zur Gegenwart tiefgreifende und nachhaltige Auswirkungen, wie die Referate zeigen. In vielen „Halbfamilien“ wurde der verstorbene Soldatenvater ikonisiert und idealisiert. Dies steigerte bei den vaterlosen Kriegswaisen wie bei den Besatzungs- und Wehrmachtskindern das Gefühl, ihre Identität sei unvollständig, nur „halb“. Ihr Leben stand demgemäß unter den Auspizien eines fortwährenden Verlustes und permanenten Bemühens, diesen zu kompensieren.
Es wäre deshalb zu kurz gegriffen, vaterlose Halbwaisen und Besatzungskinder als Kriegsopfer und damit als Verlierer des Krieges zu charakterisieren. Ihre sozial- und gesellschaftsgeschichtliche Bedeutung erschöpft sich für uns nicht in der Dokumentation und Differenzierung der Modi ihrer Ausgrenzung. Ihre Geschichte eröffnet vielmehr eine weitere, für das Nachkriegseuropa wichtige Dimension: Die Anwesenheit der Kinder, der Umgang mit ihnen, bedeutete auch einen mittelbaren und oftmals sogar unmittelbaren Umgang mit dem „Anderen“, mit dem Fremden und mit der eigenen Vergangenheit – und das beileibe nicht nur für die Frauen und Mütter, sondern für zahlreiche Gruppen von Akteuren: für Nachbarn und Kollegen, für Sozialbeamte und Bürgermeister, für Ärzte und Lehrer, um nur einige zu nennen. Über diese Kinder kamen bis dahin undenkbare Kommunikationen zustande, diese Kinder setzten ungeahnte kulturelle Transfers in Gang. Sie avancierten zu Mittlern eines im und nach dem Krieg paradoxerweise neu entstehenden Kommunikations- und Kulturraums, mehr noch: Sie gerieten ungewollt zu Katalysatoren vielfacher Kompromissbildungen zwischen den Gewinnern und Verlierern des Zweiten Weltkrieges.
Mit Fortschreiten ihrer Biographien und infolge der Liberalisierungstendenzen der Nachkriegsjahrzehnte eröffneten sich den Kriegswaisen und den Besatzungskindern Möglichkeiten, ihr Stigma und ihr Anderssein zu einer Kompetenz und zu einem Gewinn
umzumünzen. Über sie liefen nolens volens zukunftsweisende Aushandlungsprozesse, die mit gesellschaftlichen Lernprozessen verbunden waren. – auch wenn ihr Beitrag zu diesem „Laboratorium der Liberalisierung“ stets mit hohen eigenen psychischen Kosten verbunden waren.
Die zentrale Fragestellung des Panels ist es, im synoptischen mitteleuropäischen Vergleich erstmals
* herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen genau die deutschen Wehrmachtskinder in Frankreich und Polen, sowie die Kriegswaisen und die alliierten Besatzungskinder in West- und Ostdeutschland aufwuchsen,
* die Haltungen und Einstellungen der vier Nachkriegsgesellschaften zu diesen besonderen Kindern herauszudestillieren. Lassen sich gesellschaftliche Wandlungs- und Entwicklungsprozesse im Umgang mit den Kindern feststellen – und wenn ja, unter welchen Umständen und mit welchen sozialen und politischen Auswirkungen?
* Die Potentiale und Grenzen einer kinderzentrierten Geschichtsschreibung zu erörtern.
English Version:
Victory and defeat laid so close to one another in the Second World War. After years of subjugating foreign peoples, Germany in 1945 was militarily and morally defeated. Millions of allied soldiers now encountered a frightfully fearful civilian population. The overall aftermath of the Second World War has occupied European societies up to the present day, and yet having said that, the paradigms of generational history in more recent years have pointed more and more to separate experiences for the different age groups. The concept of ‘war children’ came into use. In public media as well as in academic discourse it flanked (for the most part) a narrative about victims. However, the section proposed here would like to break open this narrowed view in that it would understand these children (in the two post-war German states, as well as in France and Poland) not solely as victims, but also as mediators between the winners and losers, and as preparing the way for processes of social liberalization.
Viewed this way, the primary focus will be on the war orphans in Germany, as well as on “occupation children” in Germany (fathered by the allied soldiers), and the “occupation children” in France, and Poland (fathered by German soldiers, also known as Wehrmachtskinder). The children’s mere presence brought to mind the defeat of their fathers (the war orphans) or the supposed misconduct of their birth parents. They had the effect of being painful barbs for the post-war societies and they were subjected to various forms of discrimination. On the other hand, what came about through the presence of these children were pathways of communication which prior that point would have been inconceivable: these children set into motion unforeseen cultural transfers. Paradoxically, the children developed into mediators of a newly emerging communication and cultural space both during and after the war. Even more than that: they unintendedly turned into catalysts for manifold compromises between the winners and losers of the Second World War.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Lu Seegers
26SepFr
Aus der Niederlage lernen? Archivische Überlieferungsbildung, Sammlungsaktivitäten und Erinnerungskultur in der Weimarer Republik9:15 - 13:00 Ort: ZHG 104Sektionsleitung: Robert Kretzschmar
Event Details
WOLFGANG ZIMMERMANN (Heidelberg) Einführung und Moderation ROBERT KRETZSCHMAR (Stuttgart/Tübingen) Obsolete [...]
Event Details
WOLFGANG ZIMMERMANN (Heidelberg)
Einführung und Moderation
MICHAEL HOLLMANN (Koblenz)
Der Erste Weltkrieg und die Gründung des Reichsarchivs
Abstract:
Der Erste Weltkrieg ist als tiefer Einschnitt in der Überlieferungsbildung zu sehen. Nicht zuletzt unter dem Druck, umfangreiche Bestände an obsolet gewordenen Akten zu übernehmen, setzte in der Weimarer Republik eine vertiefte Diskussion in den Archiven ein, welche Unterlagen bewahrt und welche vernichtet werden sollen. Zugleich wurden in vielfacher Weise so genannte „Zeitgeschichtliche Sammlungen“ angelegt, in denen z.B. Maueranschläge, Fotografien und Feldpostbriefe gesammelt wurden. Vergleichbare Entwicklungen vollzogen sich im musealen Bereich. In der Sektion sollen die Aktivitäten zur Sicherung und Bildung von Überlieferung kontextualisiert werden. Welche Ziele standen dahinter? In welchem Maße waren Praktiken und Theoriebildungen der Archive und Museen von dem Bemühen geprägt, bestimmte Konstrukte für die Sicht auf den Ersten Weltkrieg und die Erinnerung daran bereit zu stellen? Welche Überlieferung ist im Ergebnis entstanden? Was ist im Umgang damit quellenkritisch aus heutiger Sicht zu beachten? Und wie können die Bestände heute für Digital Humanities aufbereitet werden?
Diesen Leitfragen soll in Referaten und einer Abschlussdiskussion nachgegangen werden. Ziel der Sektion ist eine ideologiekritische Analyse ideologiegesättigter Überlieferungsbildungen.
Die Sektion ist vernetzt mit einem Panel auf der Jahrestagung der German Studies Association, die vom 18. bis 21. September 2014 in Kansas City, Missoury, unter der Leitung von Rainer Hering stattfinden wird. Das Panel wird in weiteren Beiträgen das Verhältnis von Politik und Archivwesen im Kontext des Ersten Weltkrieges thematisieren. Es ist vorgesehen, dass Rainer Hering in Kansas City auf der Grundlage der Abstracts über die Sektion auf dem Historikertag berichten und vice versa in der Sektion auf dem Historikertag über die Ergebnisse des Panels.
English Version:
World War One marked a deep cut for archival transmission. A large amount of files had to be categorized after 1918. Therefore an intense discussion came on the relevance of files. It focused on the question: Which ones should be kept? On the other hand several archives started to build up large collections on contemporary history, e.g. photos, posters, and letters written during the war.
This panel analyzes these activities in its historical context. What were the aims and ambitions of the archivists at that time? Had there been an interest in creating a special view to affect the memory of World War One? What was the result of the archival transmission? How do we value it today? And how could these collections and files been used for the Digital Humanities?
This panel is linked to a panel on the annual conference of the German Studies Association in Kansas City/Missouri, USA, moderated by Rainer Hering who will represent the results in Göttingen.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Robert Kretzschmar
26SepFr
Beherrschen und Modernisieren. Der europäische Kolonialismus in populären Wissensmedien seit dem 19. Jahrhundert9:15 - 13:00 Ort: ZHG 105Sektionsleitung: Susanne Grindel / Christoph Marx
Event Details
UTE SCHNEIDER (Duisburg-Essen) Die Kartierung Afrikas und die Geopolitik des Wissens
Event Details
UTE SCHNEIDER (Duisburg-Essen)
Die Kartierung Afrikas und die Geopolitik des Wissens
THORSTEN HEESE (Osnabrück)
Szenografie des Kolonialismus. Kolonialgeschichte als museales Narrativ
Abstract:
Die Meistererzählungen des europäischen Kolonialismus sind geradezu klassische Beispiele von Gewinner- und Verlierernarrativen. In der Überzeugung von der Überlegenheit ihrer industriellen und technischen Entwicklung versprachen die Europäer der außereuropäischen Welt Fortschritt und Zivilisation durch koloniale Herrschaft und Modernisierung. Die vermeintlichen Verlierer der Geschichte sollten unter Anleitung der Sieger ebenfalls auf den Weg des Erfolgs und der Annäherung an Europa gebracht werden. Der Kolonialismus wurde dabei zum Werkzeug, das die Differenz zwischen Gewinnern und Verlierern verringern, wenn auch nicht aufheben sollte.
Damit die Erzählung von Beherrschen und Modernisieren als Fortschritt durch Kolonialismus, an deren Ende schließlich beide Seiten als Gewinner stehen würden, wirksam werden konnte, musste allerdings die Differenz von Siegern und Verlierern zunächst erst einmal etabliert und in der Folgezeit immer wieder neu gefestigt werden. Mit der Dekolonisierung verschob sich die Blickrichtung schließlich. Der Kolonialismus konnte nun nicht mehr als Erfolgsgeschichte zu beiderseitigem Nutzen präsentiert werden, sondern man musste sich auch seinen Folgen zuwenden und der Tatsache, dass die bislang zu Verlierern Erklärten sich nun offensiv als solche verstanden und die Übernahme von Verantwortung sowie Kompensation von den ehemaligen Kolonialstaaten verlangten.
Wie diese binären Erzählungen von Gewinnern und Verlierern etabliert und epistemisch festgeschrieben wurden, untersuchen die Beiträge der Sektion anhand von Medien im Spannungsfeld von gelehrtem und populärem Wissen. Der Blick auf Karten und Schulbücher, Massenpresse und Sport, Ausstellungen und Denkmäler zeigt, dass die Suggestionskraft derartiger Dichotomien vielfach bis heute ungebrochen fortbesteht – und das ungeachtet, ob es sich um affirmative oder kritische Darstellungen des Kolonialismus handelt.
English Version:
Ruling and Modernizing: European Colonialism in Popular Knowledge Media since the 19th Century
The master narratives of European colonialism are classic examples of tales of winners and losers. Firmly convinced of their industrial and technical superiority, Europeans promised progress and civilization to the non-European world through colonial rule and modernization; this promise suggested that, as the self-appointed winners of history, they would guide the supposed losers on the path to a similar success, a path bringing them closer to Europe. In this vein, colonialism came to be regarded as a tool for the reduction, albeit not the elimination, of the gap between the winners and the losers.
This gap needed to first be established and then repeatedly reinforced in order for the narrative of ruling and modernizing to take effect as a story of progress through colonization which would result in winners on all sides. This was a process that continued until decolonization required a change of perspective, overturning the previously valid presentation of colonialism as a success story for the benefit of both parties to the colonial relationship and confronting the “winners” of colonial narratives with the consequences of colonialism and the fact that those labelled “losers”, giving voice to their losses, were now calling for the former colonial states to assume responsibility and make amends.
The papers included in this panel investigate these binary narratives of winners and losers and how they were established and inscribed epistemically by exploring media promoting popular and scientific knowledge. Maps and textbooks, newspapers and sports, exhibitions and monuments all exemplify the power of suggestion exerted by these dichotomies of winners and losers and their persistence to this day, regardless of whether they emerge from a supportive or a critical stance toward colonialism.
Uhrzeit:
(Freitag) 9:15 - 13:00
Sektionsleitung
Susanne Grindel / Christoph Marx
26SepFr
Erster Weltkrieg digital. Perspektiven der transnationalen Forschung und Vernetzung in den Geschichtswissenschaften15:15 - 18:00 Ort: ZHG 101Sektionsleitung: Oliver Janz / Gregor Horstkemper
Event Details
OLIVER JANZ (Berlin) und GREGOR HORSTKEMPER (München) Einführung ALEKSANDRA PAWLICZEK (Berlin)
Event Details
OLIVER JANZ (Berlin) und GREGOR HORSTKEMPER (München)
Einführung
JÜRGEN DANYEL (Potsdam)
Kommentar
Abstract:
Die Sektion „Erster Weltkrieg digital – Perspektiven der transnationalen Forschung und Vernetzung in den Geschichtswissenschaften“ stellt am Beispiel von vier digitalen Projekten zum Ersten Weltkrieg aktuelle Entwicklungen im Bereich der E-History vor. Sie entwickelt und diskutiert Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten für die Digital Humanities. Folgende Leitfragen stehen dabei im Vordergrund:
1. Welche Chancen für die Forschung zum Ersten Weltkrieg bieten diese Online-Projekte? Können Sie zur Identifizierung von Forschungslücken beitragen? Was sind ihre Risiken und Grenzen?
2. Wie können Sprachbarrieren überwunden werden? Welche Chancen bieten Online-Projekte für transnationale und globale Ansätze?
3. Wie lassen sich virtuelle Arbeitsumgebungen und Werkzeuge für die Zusammenarbeit in großen internationalen Verbundprojekten nutzen? Inwieweit lassen sich dadurch neue Forschungsfelder für die Geschichtswissenschaft erschließen?
4. Inwiefern eröffnen diese Projekte neue Perspektiven für die Digital Humanities insgesamt? Können sie Modellfunktion für ein im Entstehen begriffenes Feld übernehmen?
Die insgesamt zweistündige Sektion besteht aus zwei, jeweils einstündigen, Teilen: Der erste Teil wird eingeleitet durch eine kurze Einführung (20 Minuten) zum Thema „Erster Weltkrieg digital – Perspektiven der transnationalen Forschung und Vernetzung in den Geschichtswissenschaften“. Im Anschluss daran werden in kurzen, jeweils zehnminütigen, Impulsreferaten aktuelle Entwicklungen im Bereich der E-History am Beispiel von vier digitalen Projekten zum Ersten Weltkrieg vorgestellt. Im zweiten Teil der Sektion, die eingeleitet wird durch einen externen Kommentar, ist eine Diskussion der Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten für die Digital Humanities vorgesehen.
English Version:
Digital First World War – Perspectives for Transnational Research and Digital Networking in Historical Studies
The panel “Digital First World War – Perspectives for Transnational Research and Digital Networking in Historical Studies” presents four digital projects on the First World War, showcasing recent developments in the field of E-History. The panel explores and discusses perspectives and potential application scenarios in the Digital Humanities. Key questions will be:
1. What research opportunities for the First World War are created by these online projects? Can they help to identify gaps in research? What constitute their risks and limits?
2. How can language barriers be overcome? What kind of opportunities do online projects offer for transnational and global approaches?
3. How can virtual work environments and tools be employed to support the collaborative work in large international joint projects? To what extent do these virtual work environments open up new fields of research in Historical Studies?
4. Can these projects generate new perspectives for the field of Digital Humanities as a whole? Can they serve as best practice models in this emerging new field?
The two-hour panel discussion consists of two parts, each lasting one hour. The first part will begin with a short introduction (20 minutes) on “Digital First World War – Perspectives for Transnational Research and Digital Networking in Historical Studies.” This will be followed by short, ten-minute presentations on four digital projects on the First World War as examples of current developments in the field of E-History. The second part will be introduced by an external commentary and will allow for the discussion of perspectives and possible applications of the Digital Humanities.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Oliver Janz / Gregor Horstkemper
26SepFr
Die Friedensbewegung in der geschichtswissenschaftlichen Kontroverse 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 104Sektionsleitung: Peter Hoeres
Event Details
PETER HOERES (Würzburg) Einleitung GERHARD WETTIG (Kommen) Friedensbewegung und Machtpolitik. Die westdeutschen Friedensgruppen zwischen Abrüstungsideal [...]
Event Details
PETER HOERES (Würzburg)
Einleitung
BENJAMIN ZIEMANN (Sheffield)
Die Friedensbewegung zwischen Blockpolitik und sozialer Bewegung
Abstract:
In der Geschichtsschreibung zur Friedensbewegung finden sich zwei unterschiedliche Forschungsansätze: Der eine arbeitet die personelle und institutionelle Unterwanderung wichtiger Entscheidungsgremien der Friedensbewegung durch Personen, Parteien und Komitees wie Josef Weber, DKP, DFU oder KOFAZ heraus. Diese waren inhaltlich und finanziell stark vom Ostblock abhängig und konnten im Sinne der Ziele Moskaus und Ost-Berlins die Friedensbewegung auf einen „Minimalkonsens“ festlegen, der eine einseitige Abrüstung im Westen forderte. Ungeachtet der divergierenden Positionen der Aktivisten übten Kommunisten oder kommunistisch beeinflusste Akteure an Schlüsselstellen maßgeblichen Einfluss aus, was sich etwa im „Krefelder Appell“, dem größten Mobilisierungserfolg in der Bundesrepublik, mit seinen einseitig gegen die westliche Rüstungspolitik gerichteten Forderungen zeigte.
Auf der anderen Seite wird betont, dass die „Ferngesteuerten“ nur eine kleine Minderheit innerhalb der Friedensbewegung gewesen wären. Die Friedensbewegten hätten das Blockdenken des Kalten Krieges gerade zu überwinden versucht und sich als sperrig für die Propaganda erwiesen. Die Friedensbewegung der 1980er Jahre sei in ihrer Genese zudem wesentlich älter als der NATO-Doppelbeschluss und mit den Deutungsmustern des Kalten Krieges nicht zu verstehen, sondern in Distanzierung von zeitgenössischen Erklärungsmustern als neue transnationale soziale Bewegung zu begreifen. Emotions-, kultur- und sozialhistorische Fragestellungen werden dabei anstelle politikgeschichtlicher Analyse gesetzt, was mitunter soweit geht, dass die Beeinflussung von Teilen der bundesdeutschen Friedensbewegung durch KPdSU, SED und Staatsicherheit gar keine Erwähnung mehr findet.
Welchen Stellenwert soll also künftig die „Ost-Connection“ in der Erforschung der Friedensbewegung einnehmen und wie soll sie methodisch taxiert werden?
Welchen Beitrag hat die Friedensbewegung für das Ende des Ost-West-Konfliktes geleistet? Retardierte sie eher den Prozess des Wandels im Ostblock oder beförderte sie diesen? Weitere methodische Fragen schließen sich an: Wie sind soziale Bewegungen analytisch fassbar und welche Rolle können dabei zeitgenössische Erklärungsmuster spielen? Bedeutet die Historisierung zeitgenössischer Erklärungsmuster, dass deren Geltung damit obsolet ist?
English Version:
The Peace Movement in historiographical debates
Up to now there have been two different ways of examining the history of the peace movement:
The first approach stresses the personal and institutional infiltration of important decision-making bodies of the movement by single persons, parties and committees such as Josef Weber, DKP, DFU or KOFASZ. In matters of finances and contents these infiltrations strongly depended on the Eastern Bloc. Moscow and Eastern-Berlin defined a minimum consensus which claimed an unilateral disarmament in the West. The Krefelder Apell was a major outcome of this policy, since it represented a peak of public mobilization for the peace movement in the Federal Republic.
The second line of research emphasizes that the ”remote-controlled actors” merely formed a minority within the peace movement. The majority of pacifists, on the other hand, attempted to overcome the bipolar thinking and therefore was not very useful for propaganda issues. Moreover it is argued, that the NATO Double-Track-Decision could not be illuminated by Cold War interpretations, since the situation of the 1980s was so much different from former episodes of the peace movement`s history. In fact, the new pacifism had to be understood as a modern transnational phenomena. In this perspective the focus is set on emotional, cultural and social approaches. Political history, in contrast, is neglected and in some cases also not taken into account at all.
The discrepancy of both research lines lead us to the following historiographical questions: What is the actual significance of the “East Connection” for the history of the peace movement and which methodological instruments can help to examine this problem? What did the peace movement contribute to end the East-West conflict? And regarding methodological issues again: How can social movements be analyzed empirically and what is, on the contrary, the validity of contemporary explanation samples?
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Peter Hoeres
26SepFr
Verlorenes und Gewonnenes. Geschlechterverhältnisse und der Wandel des Politischen in der „langen Geschichte der Wende" in Ostdeutschland 1980 bis 2000 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 003Sektionsleitung: Jens Gieseke
Event Details
JENS GIESEKE (Potsdam) Das Politische und das Private. [...]
Event Details
MICHAEL SCHWARTZ (München/Berlin)
Zwei deutsche Abtreibungspolitiken und das vereinigte Deutschland
GUNILLA-FRIEDERIKE BUDDE (Oldenburg)
Kommentar
Abstract:
Übergreifendes Ziel des Panels ist es, mit den Geschlechterverhältnissen eine Dimension des revolutionären Systemwechsels in Ostdeutschland zu erschließen, die über den Prozess von Diktaturüberwindung und institutionellem Umbruch durch Beitritt zur Bundesrepublik hinaus geht und die „Wende“ als grundstürzende Transformation der Lebensverhältnisse in ihren längerfristigen Prozessen begreift.
Das Panel besteht aus vier Beiträgen und einem Kommentar. Dr. Jens Gieseke analysiert anhand von geheimer Demoskopie und polizeilichen Stimmungsberichten aus der späten DDR sowie sozialwissenschaftlichen Untersuchungen ab 1989 die Haltungen von ostdeutschen Männern und Frauen zu Fragen politischer Partizipation. Enthielten, so ist etwa zu fragen, die unterschiedlichen Profile „des Politischen“ zwischen den Geschlechtern retardierende oder beschleunigende Elemente für die revolutionäre Eskalation Ende der achtziger Jahre?
Dr. Annette Leo und Dr. Christian König stellen zeitgenössische mediale Diskurse und individuelle Erinnerungen an den Umgang mit Verhütung, Familienplanung und Bevölkerungspolitik in der DDR und dem vereinigten Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Präsentation. Vor allem für die von ihnen befragten Frauen der Geburtsjahrgänge 1963 bis 1965 bedeuteten die Jahre der Wende einen Bruch mit den bis dahin für selbstverständlich gehaltenen Möglichkeiten, Mutterschaft und Berufstätigkeit, gegebenenfalls auch ohne Partner, miteinander zu vereinbaren.
Daran knüpft Prof. Dr. Michael Schwartz mit seiner Analyse der Debatten um das Abtreibungsrechts im geteilten und im vereinigten Deutschland an, die für die jeweiligen Gesellschaften fundamentale Verständigungsprozesse über Wertpräferenzen und Geschlechterrollen erkennen lassen.
Schließlich diskutiert Anja Schröter Befunde zu den Wandlungen des Scheidungsverhaltens ostdeutscher Paare unter dem Einfluss von wechselnden rechtlichen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen der achtziger und neunziger Jahre. Im Fokus steht die Frage, ob Prägungen und Erfahrungen des sozialistischen Gesellschaftssystems in der Vereinigungsgesellschaft nachhaltig auf die Ausschöpfung rechtlicher Spielräume – insbesondere im Hinblick auf nacheheliche Versorgungsinstitutionen – wirksam oder von Existenzängsten zersetzt werden?
Der Kommentar von Prof. Dr. Gunilla Budde ermöglicht zugleich eine kontextualisierende Perspektive auf die Geschichte des Rollen- und Geschlechterverständnisses in Ostdeutschland.
English Version:
The overall goal of this panel is to use gender as a new approach for a history of the political transformation of East Germany in the 1980s and 1990s. The so-called „Wende“ is thereby understood as a long-term process, which not only included the overcoming of a dictatorship and resulting institutional changes, but brought about changing living conditions for millions of people.
The panel consists of four presentations as well as a subsequent commentary. First, Jens Gieseke will be talking about the attitudes of East Germans towards different aspects of political participation. Based on GDR opinion polls, secret reports by the Stasi and surveys from the early 1990s, he will discuss the role gender played in the run-up to the uprising of 1989.
Second, Annette Leo and Christian König will be focusing on public as well as private discourses about contraception, birth control as well as social policy and social engineering in the GDR and reunited Germany. According to oral history interviews with women born between 1963 and 1965, especially for single mothers, the revolution of 1989 caused a break concerning the previously given compatibility of family and career.
Third, Michael Schwartz will be analyzing debates about abortion legislation in divided and reunited Germany. His study shows how the different political systems were debating about gender roles and on which sets of values and gender roles there arguments were based.
Fourth, Anja Schröter will be giving a presentation on how changing socioeconomic conditions and eventually a new legal frameset were influencing East German’s divorce behavior during and following the demise of the GDR. She focuses on the questions, (I) if they were self-confidently taking advantage of the legal scope or if the new situation was rather intimidating to them, and (II) if this behavior emanated from specific cultural imprints and experiences they had made in the GDR.
A wrap-up by Gunilla Budde will conclude the panel by contextualizing the previous presentations within the broader history of gender roles and gender relations in the GDR.
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
Jens Gieseke
26SepFr
„Gewinner“ und „Verlierer“ des Versailler Vertrages 15:15 - 18:00 Ort: ZHG 103Sektionsleitung: VHD / Les Rendez-vous de l'histoire
Event Details
Uhrzeit:
(Freitag) 15:15 - 18:00
Sektionsleitung
VHD / Les Rendez-vous de l'histoire