Von Verlierern der Moderne zu Gewinnern der Post-Moderne? Die Geschichte der Homosexualität in Deutschland im 20. Jahrhundert

FRANZ X. EDER (Wien)
Moderation

RÜDIGER LAUTMANN (Bremen) und CLAUDIA BRUNS (Berlin)
Kommentar

NORMAN DOMEIER (Stuttgart)
Die deutsche Homosexuellenbewegung im Kaiserreich und ihre Niederlage im Eulenburg-Skandal

MARTIN LÜCKE (Berlin)
Scheinerfolge und Emanzipationsstillstand. Homosexualitäten in der Weimarer Republik

RAINER NICOLAYSEN (Hamburg)
Entwürdigt. Die Aberkennung von Doktortiteln im „Dritten Reich”. Biographien homosexueller Opfer der Hamburger Universität

MARIA BOROWSKI (Berlin)
Lesben und Schwule in der frühen DDR

MICHAEL SCHWARTZ (München/Berlin)
Entkriminalisierung und Öffentlichkeit. Mediale Reaktionen zur Reform des Homosexuellen-Strafrechts im doppelten Deutschland 1968/69

Abstract:
Lange Zeit galt es in der deutschen Geschichtswissenschaft als ein wenig seriöses Unterfangen und geradezu karriereschädlich, (Homo-)Sexualitätsgeschichte zu betreiben, egal, ob in eigenständiger Form oder integriert in eine umfassendere Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte. Dies hat sich erst in den letzten Jahren mit zahlreichen innovativen Arbeiten aus allen Epochen geändert. Doch nach wie vor hinkt die deutsche Forschung der amerikanischen und britischen Geschichtswissenschaft hinterher, in der sich Ansatz, Thema und Erkenntnisinteresse inzwischen zu einer historischen Subdisziplin spezialisiert haben, die überdies in regem Austausch mit benachbarten Fächern wie Politikwissenschaft, Soziologie, Literaturwissenschaft, Sexualwissenschaft, Jura und Psychologie steht.
In unserer Sektion wollen wir die Geschichte der Homosexualität in Deutschland im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf dem ‘Gewinner-Verlierer’-Muster in den Blick nehmen. Trotz eines fulminanten Starts der deutschen Schwulenbewegung um 1900 (im Jahr 1897 wurde in Berlin mit dem Wissenschaftlich-humanitären Komitee die weltweit erste Schwulen-Lobby gegründet), ließen die Rückschläge nicht lange auf sich warten. Mit einem zunehmenden homosexuellen (Selbst-)Bewusstsein bildete sich auch eine spezifisch moderne Homophobie heraus, durch deren gesellschaftliche Verbreitung bereits am Ende des Kaiserreichs eine Reform oder Abmilderung des berüchtigten Strafparagraphen 175 in weite Ferne rückte. Er wurde in seiner von den Nationalsozialisten verschärften Fassung erst 1969 und 1972 reformiert und 1994 ersatzlos gestrichen.
In der Sektion wollen wir das Augenmerk auf eine Geschichte der Homosexualitäten richten, die sich immer auch im Wechselspiel mit der Geschichte der Heterosexualitäten vollzog; mitunter deckungsgleich oder komplementär, mitunter gegenläufig und widerstreitend.
In der gemeinsamen Diskussion wird sich auch die neue Bundesstiftung Magnus Hirschfeld vorstellen und Fördermöglichkeiten für HistorikerInnen und Kooperationsmaßnahmen für GeschichtslehrerInnen präsentieren.