Fürstliche Verlierer? Europäische Monarch(i)en zwischen Niedergang und Behauptung im 19. Jahrhundert

DANIEL SCHÖNPFLUG (Berlin)
Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer

HEIDI MEHRKENS (St Andrews)
Krone zu vergeben. Der politische und dynastische Wettstreit um vakante Throne im 19. Jahrhundert

JASPER HEINZEN (Bern)
Monarchisches State-Building im Schatten des Sieges. Hohenzollern’sche Herrschaftslegitimierung auf Kosten anderer Dynastien im Kaiserreich

DANIEL SCHÖNPFLUG (Berlin)
Das Ende der Allianzheirat? Verwandschaft und Politik der Hohenzollern im 19. Jahrhundert

TORSTEN RIOTTE (Frankfurt am Main)
Von der „kleinen“ Exterritorialität. Das Problem der „Staatsangehörigkeit“ fremder Fürsten in der Habsburgermonarchie

THOMAS BISKUP (Hull)
Natur, Dynastie und Empire. Das Haus Hannover und die Transformation der Gartenkultur im 18. und 19. Jahrhundert

Abstract:
Das lange 19. Jahrhundert mündete in der Katastrophe eines Weltkriegs, der das Ende für zahlreiche Dynastien und Monarchien bedeutete. Dennoch hat sich die jüngere Forschung von einer Deutung verabschiedet, die diese Epoche allein von ihrem Ausgang her versteht. Vielmehr rücken die Anpassungsleistungen und Behauptungsstrategien der Monarchie in den Fokus. Sie erscheint zunehmend als „Gewinnerin“ oder zumindest nicht mehr als „Verliererin“ des 19. Jahrhunderts. Diese These hat die Forschung bisher vor allem durch die Geschichte von Repräsentationen und Symbolpolitik untermauert. Die Referate der Sektion zeigen, dass es notwendig ist, durch einen europäisch vergleichenden, transnationalen Zugang den Zusammenhang zwischen Monarchie, Politik und Gesellschaft neu zu denken; sie erweitern das Thema in dreifacher Hinsicht:
Erstens eröffnet ein Blick von der Person des Herrschers auf die Dynastie zentrale Aspekte monarchischen Selbstverständnisses auch in der Moderne. Im Anschluss an die Napoleoni­schen Kriege musste man sich zum einen mit den Standesgenossen auseinandersetzen, die ihren Thron verloren, ihr Herrschaftsgebiet neu definiert hatten oder sich zunehmender Opposition im eigenen Land gegenübersahen. Zum anderen boten neue Staatengebilde erhebliche Chancen.
Eine Neuakzentuierung soll zweitens auch in Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Staats­in­teresse und Monarchie vorgenommen werden. Auch hier sind bisher nur Teile des Konflikts auf­gedeckt worden. Während sich die Forschung mit der Umwandlung dynastischen Vermögens in Staatsvermögen auseinandergesetzt hat, lässt sich anhand von Schulden- und Entschädigungs­prozessen zeigen, dass sich die Monarchie in dem zunehmend verengenden Raum des kodifizierten Rechts gegenüber dem Rechtsstaat neu ausrichten musste.
Die dritte Erweiterung bezieht sich schließlich auf die Grenzen des Politischen. Mit welchem Selbst­verständnis sammelten, förderten und unterstützten Monarchen Kunst, Kultur und Wissenschaften? Auch hier erscheint es notwendig, zu hinterfragen, wie sich der Übergang von einer „repräsenta­tiven“ Hofkultur hin zur „modernen“ Kultur- und Wissenschaftsförderung fassen lässt, denn die wissenschaftlichen Institutionen und öffentlichen Sammlungen des 19. Jahrhunderts blieben den dynastischen Kontexten, aus denen sie hervorgingen, noch vielfach verbunden. Damit behauptete die Monarchie einen Platz in für die Gesellschaften des 19. Jahrhunderts zentralen Bereichen.

English Version:
The changing fortunes of a European institution. Legitimating hereditary monarchy during the long 19th century

The long nineteenth century ended in the catastrophe of the Great War. Some of the most powerful monarchies in Europe were swept away by this event, and with them the age of kings and queens. The previously dominant monarchical order dissolved in a whirlwind of social, cultural and political change. Despite this cataclysmic outcome, recent historiography notes that the institution of monarchy enjoyed great popularity during the nineteenth century. Focusing less on the final years than on the period between the Congress of Vienna and the turn of the century, historians have come to appreciate the skill with which dynasties adapted to the variegated challenges of the post-revolutionary era. By aligning monarchical self-legitimation with popular politics, the institution and its protagonists were able to accumulate symbolic capital that more than made up for the loss of constitutional power. So far, however, this line of enquiry has been explored within the specific context of public representation and symbolic politics. The panel seeks to break fresh ground with a comparative, transnational approach to three subsidiary themes.
First, a closer look at the responsibilities of the sovereign as the head of an extended family accentuates more strongly than hitherto the impact of social obligations on monarchical decision-making. We argue that dynastic survival in Europe’s shifting political landscape became contingent on family connections. In the aftermath of the Napoleonic Wars, a large number of dynasties lost their crowns, changed their sovereignty or needed to tackle new forms of opposition. At the same time, new territories emerged which expanded the opportunities available to dynasties for monarchical succession.
Second, the emergence of the modern nation-state affected monarchical rule beyond politics. While current research has done much to explain the transformation of dynastic fortune, we contend that the struggle and, to a large extent, failure of dynasties to defend an exclusive extra-legal judicial position throws into relief a clash between monarchical rule and a modern state based on central administration and codified law.
Third, we will employ a broad definition of politics. While it is widely recognized that monarchical patronage of the arts, architecture, and science served to enhance royal prestige and enriched court culture, there still exists some disagreement as to how the transformation of art and science in turn changed the image of monarchy during the course of the nineteenth century. In engaging with this debate, we will follow up techniques of monarchical self-promotion but also discuss the extent to which royal families mirrored the interests and tastes of their subjects.