Der neue Wettbewerb um die öffentlichen Ämter. Ambitus und „also-rans“ in den Jahren nach dem Hannibalkrieg

HANS BECK (Montreal)

Abstract:

Der Wettbewerb um die öffentlichen Ämter der Republik verschärfte sich in den beiden Jahrzehnten nach dem Hannibalkrieg dramatisch. Der Bewerberdruck stieg schon rein quantitativ an; zu keinem Zeitpunkt zuvor gab es ein derart breites Bewerberfeld für die Obermagistraturen wie in den 190er und 180er Jahren. Da sich die Zahl der zu besetzenden Stellen nur marginal nach oben bewegte, zeitigten die Wahlen nach dem 2. Punischen Krieg ein besonders hohes Maß an Wahlverlierern (‘also-rans’). Der Senat reagierte auf die Krise mit einer doppelten Strategie: zum einen wurde eine fortschreitende Verregelung des Wettbewerbs initiiert. Zum anderen dekretierten die patres eine hohe Anzahl von Gesetzen gegen Wahlbestechung (ambitus). Mit beiden Maßnahmen wandelten sich die Grundlagen des politischen Wettbewerbs und die Wirkkraft der darin eingesetzten Kapitalien. Mein Vortrag führt diese Beobachtungen zusammen, wobei sich das Interesse auf diejenige Gruppe von Personen richtet, die im Wettkampf um die öffentlichen honores gerade nicht erfolgreich waren. Im Rahmen des Regelwerks, das für den Wettbewerb galt, und in Anbetracht der meritokratischen Grundlagen der Nobilität, in der die Anerkennung von Leistung und Verdienst wiederum ausschließlich von der Ökonomie politischen Wahlerfolges diktiert wurde, war das Phänomen des Verlierers kulturspezifisch kodiert. Die ‘Konkurrenz unter Anwesenden’ schuf eine einzigartige Konkurrenz-, Kommunikatons- und auch Krisensituation. In den Jahren nach 200 unternahm die Nobilität den Versuch, das damit verbundene Konfliktpotential durch genuin politische Maßnahmen zu entschärfen. Für kurze Zeit hatte der Senat damit auch Erfolg; vor allem wurde die Niederlage vor den Wahlcomitien nach den neuen Richtlinien des Wettbewerbs für Verlierer akzeptierbar. Die Spannungen zwischen individuellem Wettbewerbsdenken und Respekt vor dem Kollektiv des Standes waren demnach prinzipiell einhegbar, der Weg in die perpetuierte Krise keineswegs ohne Alternative.

English Version:

The two decades after the conclusion of the Hannibalic War witnessed a staggering increase in the competition for the public offices at Rome. The sheer number of applicants skyrocketed. At no time before in the history of the republic were there so many qualified candidates for the higher magistracies as in the 190s and 180s BCE. Since the number of available offices rose only marginally, the annual elections produced a substantial number of also-rans. The senate responded to this crisis with a twofold strategy: on the one hand, it regulated the competition through the stipulation of cursus-laws. On the other hand, the senate decreed a series of laws against corruption and electoral fraud (ambitus). Both sets of measures altered the very basic assumptions of the competition for high-office holding; in particular, they changed the use and distribution of (symbolic and material) assets as they were previously in place. In my paper, these various thematic threads will be realigned. I will pay particular attention to those candidates who did not succeed with their candidacy. The political competition at Rome was governed by, and carried out within, a particular frame of reference. This, in conjunction with the nobility’s inherent quality as an elite defined by merit and achievement (the appreciation of which was once again in the clutches of the economy of electoral success), led to a specific cultural code for also-rans, and their ability to process the reality of the defeat. The ‘competition among those present’ created a unique situation of competition, communication, and crisis. In the aftermath of the Hannibalic War, the nobility made the genuine attempt to solve this conflict by law. For a short period of time, the senate actually succeeded with this policy; in particular, it made defeat before the voting assemblies an acceptable outcome that did not harm the social status of also-rans. So tension between individual ambition and respect for the essential collectivity of the elite could well be reconciled, and the republic was by no means on autopilot towards a perpetuated crisis without alternative.