Aussteigen statt Absteigen? Die Entwicklung konkurrierender Felder der Distinktion von der späten Republik zum frühen Principat

ELKE STEIN-HÖLKESKAMP (Duisburg-Essen/Siegen)

Abstract:

Auch nach der Errichtung der Monarchie durch Augustus war die römische Elite in Politik und Krieg aktiv. Ihr ökonomisches Gewicht, ihre in vierhundert Jahren kumulierte politische Erfahrung und ihre Standesmoral machten die adeligen Herren nämlich von Rom bis in die kleinste Landstadt am Rande des Imperiums unentbehrlich. Aufgaben, Ämter und Ehren erlangte man jetzt allerdings nicht mehr als Prämien für den Sieg in der Konkurrenz mit den Standesgenossen und damit als Widerspiegelung der Anerkennung durch die eigene Klasse und den ganzen populus Romanus, sondern sie wurden nun als Gunst und Gnade durch den Kaiser gewährt. Damit änderten sich die Rahmenbedingungen, unter denen die Mitglieder der Elite um Rang und Status sowie um soziale Distinktion konkurrierten. Senatoren und Ritter reagierten auf diese Veränderungen mit einem breiten Spektrum an Kompensations- und Ausgleichsstrategien. Zum einen nahmen individueller Karriereverzicht und Karriereabbruch in einem Maße zu, daß Engpässe bei der Besetzung der zentralen Stellen der Reichsverwaltung entstanden, die kaiserliche Zwangsmaßnahmen erforderlich machten. Zum anderen suchten die Angehörigen der Elite nach neuen Arenen, vor denen sie sich öffentlich präsentieren und mit ihresgleichen konkurrieren konnten. Die persönlichen Vorzüge und Leistungen, die sie in diese Konkurrenz einbrachten, waren allerdings in anderen Lebensbereichen angesiedelt: Literarisches Talent, Kunstsinn, stilvoller Konsum, gebildete Kommunikation sowie generell ein eleganter Lebensstil traten zunehmend neben die traditionellen Kompetenzen des Feldherrn und Politikers.