Europas Osten als Objekt kolonialer Phantasien?

viel Spaß an wissenschaftlichen Debatten. Foto: pd

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Deutsche nationalistische Stimmen des 19. Jahrhunderts, welche die Machtverhältnisse in Mitteleuropa zu Gunsten eines deutschen Großreiches verändern wollten und schon von einer kontinentalen 70-Millionen-Supermacht als Gegengewicht zu den USA und dem aufstrebenden russischen Reich träumten, erkannten ihre Chance, sich die dazu nötige territoriale und bevölkerungstechnische Ausweitung durch eine Expansion gen Osten zu beschaffen. Was lag da näher, als dem kulturell unterlegenen Polen, welches ob seiner „barbarischen Bauern“ die Ressourcen des Landes nicht effektiv ausnutzen konnte und damit sämtliche Besitzansprüche verlor, unter die Arme zu greifen? Eine zivilisatorisch-germanische Mission sollte den Slawen die Verantwortung über ihr Land abnehmen und eine nie da gewesene Hegemonie eines jungen mitteleuropäischen Staates schaffen.

Derartige Überlegungen präsentierten am Donnerstag Morgen die Referenten um Gregor Thum (Freiburg) und Izabela Surynt (Wronclaw) in ihren gezwungener Maßen kurz gehaltenen Abrissen über die deutsche Wahrnehmung von den unmittelbaren östlichen Nachbarn des deutschen Emporkömmlings. Bei aller Ernsthaftigkeit der Darstellung dieses in der Geschichte wei treichende Folgen nach sich ziehenden Bildes von den Slawen, gelang es den Vortragenden auf sehr unterhaltsame Art und Weise von den romantischen – auf fiktiven Reiseberichten beruhenden -  Diskreditierungen zu berichten, welche die größtenteils erzkatholischen Polen mit nordamerikanischen Irokesen oder sogar mit orientalischem Adel verglichen. Auch die „Beschreibungen“ der polnischen Landschaft pendelten munter zwischen wüstenähnlichem Ödland und blühenden – der nordamerikanischen Flora ähnlichen – gefährlichen Urwäldern hin und her, was uns heute regelrecht amüsant erscheint, damals jedoch als bare Münze empfunden wurde, zeitgenössischen Denk- und Handlungsmustern zu Grunde lag und den weiteren Verlauf der europäischen Geschichte stark beeinflussen sollte.

Gastautor: Norbert Herms

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