Archive for the 'Sektion' Category

“Goethe war nicht nur ein Italienliebhaber …”

Das Collegium Carolinum in München ist ein interdisziplinärer Forschungsverband für die Geschichte und Gegenwart Tschechiens sowie der Slowakei. Unter anderem gibt der Verband eigene Publikationen heraus, veranstaltet wissenschaftliche Tagungen und initiiert Forschungen zur Geschichte der böhmischen Länder und Ostmitteleuropas. Als Serviceeinrichtung ist das CC eigentlich unumgänglich für Slavisten.

Dr. Robert Luft ist Senior Researcher am Collegium Carolinum. Er arbeitet seit 1990 an dem 1956 vom Freistaat Bayern unter Beteiligung der BRD eingerichteten Institut, in den Jahren von 1991 bis 2006 auch als Geschäftsführer. Er schildert im folgenden Interview u.a. seine Eindrücke vom Historikertag, auf dem er selbst in einer der vom VGD veranstalteten Sektionen einen Vortrag über den tschechischen Geschichtsunterricht gehalten hat.

Sie arbeiten seit 18 Jahren am Collegium Carolinum. Hat es Sie schon vorher, abgesehen von Studienaufenthalten, nach Osteuropa gezogen? Gab es einen gewissen Anstoß für das starke Interesse an Tschechien bzw. an Osteuropa?

Ich habe mich bereits sehr früh im Geschichtsstudium der Geschichte des östlichen Mitteleuropa zugewendet, was einerseits an meiner Neugierde auf andere Kulturen und die Welt hinter dem „Eisernen Vorhang“ lag, andererseits am guten Klima des sehr kleinen Lehrstuhls für osteuropäische Geschichte, wo eine sehr intensive und persönliche Ausbildung erfolgte, die sich positiv vom Massenfach der allgemeinen Geschichte abhob. Ein einjähriger Studienaufenthalt in Wien führte dann dazu, dass ich mich auf die Geschichte der Tschechoslowakei konzentrierte und seit 1982 zu Sprach- und Forschungsaufenthalten in die Tschechoslowakei fuhr, wo sich mir die Kultur rasch durch Freundschaften mit jungen tschechischen Historikern erschloss.

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Bleibt im vatikanischen Geheimarchiv vieles zu geheim?

“Dan Browns Illuminati zeigt ein so völlig falsches Bild vom vatikanischen Archiv“, so Michael Matheus, „dass man sich fragt, ob Brown den Unterschied zwischen einer Bibliothek und einem Archiv kennt“. Solche Romane verstärken die Mythen, die sich um das vatikanische Archiv ranken. Nur weil an der Eingangstür „secreta“ steht, denkt jeder, es handle sich um einen geheimen Ort. Doch „secreta“ bedeutet hier schlicht und ergreifend „privat“.

Mit diesen Worten ist Matheus ein guter Einstieg in diese Sektion gelungen. Eine Sektion, die auf die Bedeutung kritischer Aufarbeitung von Quellen hinweisen will. Denn ohne Editionen keine Geschichtswissenschaft.

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Vom Gefühl “in between” zu sein

Zu  den geschichtsdidaktischen Veranstaltungen des VGD gehörte auch die Sektion “Folgen von ungleichen Bürgerrechten von Jugendlichen und ihren Eltern für Geschichtsunterricht und politische Bildung” von
Dr. Béatrice Ziegler aus der Schweiz.

Die Probleme einer multiethnischen Gesellschaft erforderten eine verstärkte Neuorientierung des Geschichtsunterrichts, bemerkte Ziegler in ihrer Einleitung. Die Anerkennung von multipler Diversität und das Verständnis der Egalität, würde Lernende, gleichsam einer Ressource, in ihrem Lernprozess unterstützen.

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Vergangenheitsnarrative – Narrations of the Past

Die Referenten der Sektion Foto:kk

Die Referenten der Sektion. Foto:kk

Auf welche Weise konstruieren Zeitzeugen ihre Erfahrungen zu sinnvollen Lebensgeschichten? Und welche Rolle spielt die Rekonstruktion von Vergangenem für die individuelle und kollektive Sinnstiftung?

Diesen Fragen stellten sich am Morgen in der Sektion „Vergangenheitsnarrative“ vier Wissenschaftler/innen, die an englischen Universitäten forschen und mit ihren jeweiligen Vorträgen Zwischenergebnisse ihrer Forschungsprojekte präsentierten. Alle Beiträge vereinten, dass sie sich mit    verschiedenen Vergangenheitskonzepten nach 1945 beschäftigten und dass sie Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Geschichtsinterpretation, Identitätskonstruktion und Vergangenheitsnarration einzelner Beispiele suchten.

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Wie gut sind unsere Fachzeitschriften?

Podiumsdiskussion, Foto:bp

Leider kann diese Frage nicht nach der gestrigen Sektion beantwortet werden. Es wurden nur die verschiedenen Standards bei der Annahme oder Ablehnung eines Artikels ausführlich diskutiert. Dabei kristallisierten sich schnell zwei Positionen heraus: die Verfechter einer Redaktion und diejenigen, die ein Double-Blind-Review bevorzugten. Einig waren sich aber alle Teilnehmer, dass Begutachtungen transparenter gestaltet werden sollten, damit Bewerber wissen, auf was sie sich da einlassen.

Ulrike Gleixner, die die Podiumsdiskussion moderierte, stellte am Ende fest, dass es keine kontroverse Diskussion war, da es scheinbar verschiedene Verfahren gäbe, die Qualität der Fachzeitschriften zu sichern.

Lediglich Barbara Stollberg-Rilinger aus Münster erreichte mit ihrer Aussage, dass es unterschiedliche Wissenschaftskulturen gibt und es deshalb keine Veranlassung, naturwissenschaftliche Standards für geisteswissenschaftliche Fachzeitschriften zu übernehmen, Applaus und Zuspruch. Die Geisteswissenschaftler sollten endlich die Courage besitzen, selbstbewusst aufzutreten und sich der vermeintlichen Übermacht der Naturwissenschaft nicht beugen.

Kunst-Transfers. Thesen und Visionen zur Restitution von Kunstwerken.

Prof. Dr. Gilbert Lupfer. Foto: pd

Prof. Dr. Gilbert Lupfer. Foto: pd

Unter diesem Titel fand gestern im Hans-Nadler-Saal des Residenzschlosses eine Tagung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden statt, die gleich drei Anlässe vereinte. Zum einen fand sie natürlich anlässlich des Historikertages statt, andererseits waren aber auch der 10. Jahrestag der Washingtoner Konferenz sowie der 50. Jahrestag der Rückkehr von Kunstwerken aus der Sowjetunion Beweggrund. Diese Versammlung war nach einer ersten in Potsdam die zweite ihrer Art und wurde von Stefan Koldehoff vom Deutschlandfunk moderiert, der auch durch einen kurzen historischen Anriss die Veranstaltung einleitete. Anschließend stellte Prof. Dr. Gilbert Lupfer, Leiter eines Projektes zur Provenienzforschung der SKD und im Wintersemester auch eines Seminars zu diesem Thema an der TU, die moralischen, wissenschaftlichen und logistischen Herausforderungen dieses Forschungsbereiches anhand von Beispielen erfolgter Restitutionen in Dresden dar.

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Europas Osten als Objekt kolonialer Phantasien?

viel Spaß an wissenschaftlichen Debatten. Foto: pd

Viel Spaß an wissenschaftlichen Debatten. Foto: pd

Deutsche nationalistische Stimmen des 19. Jahrhunderts, welche die Machtverhältnisse in Mitteleuropa zu Gunsten eines deutschen Großreiches verändern wollten und schon von einer kontinentalen 70-Millionen-Supermacht als Gegengewicht zu den USA und dem aufstrebenden russischen Reich träumten, erkannten ihre Chance, sich die dazu nötige territoriale und bevölkerungstechnische Ausweitung durch eine Expansion gen Osten zu beschaffen. Was lag da näher, als dem kulturell unterlegenen Polen, welches ob seiner „barbarischen Bauern“ die Ressourcen des Landes nicht effektiv ausnutzen konnte und damit sämtliche Besitzansprüche verlor, unter die Arme zu greifen? Eine zivilisatorisch-germanische Mission sollte den Slawen die Verantwortung über ihr Land abnehmen und eine nie da gewesene Hegemonie eines jungen mitteleuropäischen Staates schaffen.

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Reisen für alle?

Tourismus ist heutzutage ein Massenphänomen. Pauschalreisen erfreuen sich ebenso großer Beliebtheit wie Individualreisen. Ein jeder kann und darf reisen. Ob alt oder jung, Mann oder Frau, schwarz oder weiß. Das war nicht immer so. Und wenn wir ehrlich sind, gibt es auch im so vermeintlich fortschrittlichen 21. Jahrhundert noch immer Ungleichheiten auf diesem Gebiet. Doch das war nicht das Thema der einzigen Sektion, die sich mit dem Reisewesen und -verhalten „Reisen für alle? Tourismus in den USA und Deutschland im 20. Jahrhundert“ auseinandersetzte.

Die Referenten Foto: jk

Einer chronologischer Aufteilung folgend, machte den Anfang Wiebke Kolbe, die sich den deutschen Seebädern und deren touristische Entwicklung annahm. Während sich ursprünglich nur die Privilegierten und Vermögenden einen Urlaub an der See leisten konnten, so wandelte sich um 1900 dieses Bild. Nun machten auch vermehrt Bürger Urlaub am Strand. Der Strandurlaub, wie wir ihn heute kennen, entwickelte sich nach und nach. Dennoch blieben Viele ausgeschlossen. Den Arbeitern wurde kein oder nur geringer Urlaub von drei Tagen im Jahr zugesprochen, während die Beamten und Angestellten einen Jahresurlaub von sieben bis vierzehn Tage erhielten.

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Festakt in der Kreuzkirche

Kreuzchor. Fotos: ak

Glasklar tönten die hellen Stimmen des Kreuzchors am gestrigen Abend durch die steinerne Schlichtheit der Kreuzkirche, die mit drei Werken aus der „Geistlichen Chormusik“ die Festveranstaltung zum 47. Historikertag eröffneten.

Helma Orosz, Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden, begrüßte alle Anwesenden, insbesondere den tschechischen Minister und Vorsitzenden des Legislativrates der Tschechischen Regierung Cyril Svoboda. In einer kurzen Ansprache stellte sie Dresden als eine Stadt dar, deren Bürgerinnen und Bürger sehr großes Interesse an der eigenen Geschichte haben und durchaus bereit sind, diese auch kritisch zu betrachten. Das gute Einvernehmen mit dem Partner sei den Dresdnern eine Herzensangelegenheit, denn man könne sich mit Fug und Recht als Grenzstadt zur Tschechischen Republik bezeichnen. So erinnerte sie an die turbulenten und kritischen Tage im Herbst 1989, als die vollbesetzten Züge aus Prag am Dresdner Hauptbahnhof ankamen und sich die Menschen auf der Prager Straße sammelten, um für ihre Freiheit zu demonstrieren. An jene Zeit, als die Kreuzkirche nicht nur ein Ort des Gebetes, sondern auch ein Ort der Diskussion war.

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Mehr Akzeptanz von Paradox und Widerspruch

Dafür sprach sich Rolf Michael Schneider im Rahmen seines Vortrages „Der Orient in Rom: Das Fremde im Zentrum der Macht“ aus. Er sowie vier weitere Referenten boten in der Sektion „ Politisch-Kulturelle Ungleichheiten im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident“ ein weitgefächertes Programm. Einleitende Worte fand Sitta von Reden, die besonders auf die Unterschiede aufmerksam machte, mit denen sich kulturelle Ungleichheiten in der Antike konstituierten. So sei vor allem die Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Analysemöglichkeiten von Diskursen und sozialer Realität zu berücksichtigen, sowie die verschiedenartigen Wahrnehmungen von Ungleichheiten im Alltag innerhalb einer Kulturgruppe.

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