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Europas Osten als Objekt kolonialer Phantasien?

viel Spaß an wissenschaftlichen Debatten. Foto: pd

Viel Spaß an wissenschaftlichen Debatten. Foto: pd

Deutsche nationalistische Stimmen des 19. Jahrhunderts, welche die Machtverhältnisse in Mitteleuropa zu Gunsten eines deutschen Großreiches verändern wollten und schon von einer kontinentalen 70-Millionen-Supermacht als Gegengewicht zu den USA und dem aufstrebenden russischen Reich träumten, erkannten ihre Chance, sich die dazu nötige territoriale und bevölkerungstechnische Ausweitung durch eine Expansion gen Osten zu beschaffen. Was lag da näher, als dem kulturell unterlegenen Polen, welches ob seiner „barbarischen Bauern“ die Ressourcen des Landes nicht effektiv ausnutzen konnte und damit sämtliche Besitzansprüche verlor, unter die Arme zu greifen? Eine zivilisatorisch-germanische Mission sollte den Slawen die Verantwortung über ihr Land abnehmen und eine nie da gewesene Hegemonie eines jungen mitteleuropäischen Staates schaffen.

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Abgleiten in “Allmachtsphantasien”

Prof. Dr. Martin Jehne. Foto: ak

Herr Prof. Jehne, Sie sind Sprecher des Historikertages…

Moment, das stimmt so nicht ganz. Ich bin Sprecher des Ortskommitees, das den Historikertag veranstaltet. Den Historikertag richtet der Verband aus - und der ist auch für alle Inhalte zuständig, die Sektionsthemen, das Logo, etc. Das Ortskommitee übernimmt die Organisation am Veranstaltungsort, den Kontakt mit den Institutionen, die Infrastruktur, eben alles was zur faktischen Ausführung gehört.

Ist ein so großer geisteswissenschaftlicher Kongress an einer Technischen Universität die erste Ungleichheit?

Nein! Wir sind keine technische Uni, wir heißen bloß so. Die TU Dresden hat eine starke technisch–naturwissenschaftlich Tradition, die auch gepflegt wird – wogegen nichts zu sagen ist. Nur löst der Name TU leicht die Assoziation aus, es gebe nur Technik- und Naturwissenschaften. Und das trifft nicht zu. Seit der Erneuerung nach der Wiedervereinigung haben wir in Dresden leistungsfähige und akzeptierte Geistes- und Sozialwissenschaften. Die TU ist eine Volluniversität und betont dies auch. Die Geisteswissenschaften sind hier ja auch nicht nur Hilfsarbeiter, in dem Sinne dass wir Abrundungsangebote machen und Geschlechterstereotypen bedienen. Getreu dem Motto: Wir haben hier Ingenieurswissenschaften, was in erster Linie junge Männer studieren, die haben Freundinnen, also brauchen wir auch ein Institut für Germanistik. So ist es ja eben nicht. Wir betreiben hier anerkannte Forschung und bilden konkurrenzfähige Absolventen und wissenschaftlichen Nachwuchs aus.

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“Ungleiche Nachbarn?”

Der Begriff der „ungleichen Nachbarn“, den Hans Mommsen und Jiří Kořalka in Zusammenhang mit den nationalen Emanzipationsprozessen der Deutschen, Tschechen und Slowaken verwendeten, dient der im Rahmen des 35. Tages der Landesgeschichte stattfindenden Sektion als Motto. Hinzugefügt wurde ein kritisches Fragezeichen, das auf die in der aktuellen Forschung differenzierteren Ergebnisse hinweist. Lange Zeit hätten nationale Sichtweisen in dem Forschungsbereich dominiert.

Geleitet von Frau Dr. Martina Schattkowsky und Herrn Dr. Petr Lozoviuk aus dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde Dresden (ISGV), verfolgen die Vortragenden vom Spätmittelalter bis in das 20. Jahrhundert Fragen der böhmisch-sächsischen bzw. tschechisch-deutschen Nachbarschaft. Dabei wird, gemäß der neuen Lesart, von einem Grenzraum ausgegangen, der weniger eine Linie darstellt, als vielmehr fließende Übergänge sowie indifferente Zonen in sich birgt und sich darin  gewissermaßen „Raumordnungssysteme überlappen“. Betrachtet werden vor allem vermeintliche oder tatsächliche Asymmentrien auf konfessioneller, politischer, alltagskultureller, agrarhistorischer und historiografischer Ebene.
Petr Lozoviuks Ansatz fällt gewissermaßen etwas aus dem Rahmen der historischen Betrachtungen seiner Kollegen. Als Ethnograf widmet er sich in seinem Vortrag vor allem der deutschen und tschechischen Volkskunde der Zwischenkriegszeit. Dabei werde er der Frage nachgehen, inwiefern die deutsche und tschechische Volkskunde dazu beigetragen hat, dass zwischen Tschechen und Deutschböhmen eine kulturell-distinktive Trennlinie gesehen wurde.

Die Sektion findet morgen, am Mittwoch dem 1. Oktober von 9 Uhr 15 bis 13 Uhr im Raum 101 statt.

Der Unverbrauchte

Torsten Hänel. Foto: ak

“Torsten, Hilfe! Der Raum ist überfüllt, was soll ich machen?” An solche Sätze wird sich Torsten Hänel gewöhnen müssen, wenn er während des Kongresses im Tagungsbüro sitzt und den Überblick behält. Als „Sorgenmutti und Empfangsdame“ charakterisiert er lakonisch seinen Aufgabenbereich. Da er aber erst in den letzten Wochen zum Team gestoßen ist, sieht er die ganze Sache relativ entspannt. Literweise Kaffee kann man aber trotzdem trinken. Der ist schließlich eher Grundnahrungs- denn Genussmittel.
Die Idee, neben der Arbeit für den Historikertag noch seine Magisterarbeit anzufangen, empfindet er als Größenwahn – er tut es trotzdem. Dennoch nimmt Torsten bewusst am Historikertag teil – auch wenn er ihm manchmal wie eine “letzte Ehrerbietung der TU an die Geisteswissenschaften” erscheint. Der Sparzwang lässt grüßen. Wenigstens erleichtern die Aufzüge im HSZ die Wege ganz beachtlich. Mit dem Rollstuhl die Treppen am Blauen Haus zu überwinden war da schon anstrengender. Besonders für die, die tragen mussten. Hatte allerdings auch mehr Spaßpotential, als das einfache Knöpfchendrücken, um gen 3. Stock zu entschweben.

Als die Taschen fliegen lernten…

Fotos: ak

Montag, 29. September 2008. Noch hat der Historikertag nicht offiziell begonnen. Dennoch gleicht das HSZ einem Bienenstock. Das Anmeldungsteam probt den Ernstfall, bzw. den Einfall der geschichtsträchtigen Massen, das Tagungsbüro fürchtet den Ausfall, nämlich den der internen Handys, und beschließt, im Notfall muss die Raumbetreuung eben sprinten. Was sind schon drei Stockwerke? Und überhaupt schadet ein wenig sportliche Betätigung den angehenden Historikern ganz bestimmt nicht - am Schreibtisch oder in der Bibliothek können sie noch lange genug sitzen. Und da ein gutes Fitness-Studio mit locker 40 Euro im Monat zu Buche schlägt, was für den studentischen Haushalt meist inakzeptabel ist, eröffnete das fürsorgliche Organisationsteam des Histiorikertages seinen Studentischen Hilfskräften die Möglichkeit, sich optimal auf die anstrengende Kongresswoche vorzubereiten: Kraft- und Koordinationstraining für die Schulter- und Rückenmuskulatur. Um wenigstens ein wenig in unserem Metier zu bleiben, wurden nicht Hanteln, sondern Papier gestemmt - wohl verpackt. Die liebevoll gepackten Kongresstaschen lagerten im Fritz-Förster-Bau und sollten nun schnellstmöglich ihren endgültigen Bestimmungsort im HSZ erreichen, bevor sie ab morgen an die Teilnehmer des Historikertages weitergegeben werden. Ungefähr 2000 Stück, jede 2,5 kg schwer. Gemessen. Gefühlt waren es spätestens nach der 500. deutlich mehr. Und im Laufe des Tages hatten die Helfer die einmalige Möglichkeit, so gut wie jede einzelne der Taschen persönlich kennen zu lernen. Die beste Methode, der Flaschenhalssituation an der Tür zum Taschenlager auszuweichen, war nämlich eine Kette zu bilden. Was auch erstaunlich gut klappte. Allerdings waren einige Stellen auf dem Weg zum Auto oder auch ins HSZ etwas dünner mit Menschen besetzt, so dass die Taschen einen Teil der Strecke auf dem Luftweg zurücklegen mussten. Es hat ihnen nicht geschadet. Zumindest denen nicht, bei denen die Landung in den erwartungsvollen Armen klappte. Was immerhin bei einer beruhigend hohen Anzahl der Fall war. Die Übrigen gaben immerhin noch Anlass zu schallendem Gelächter, wenn derjenige, der nicht gefangen hatte, schnellstmöglich versuchte, seine Füße vor der stürzenden Tasche in Sicherheit zu bringen. Stundelang wurde so Tasche für Tasche vom Lager über den Flur, durch die Vorhalle des Fritz-Förster-Baus, zum Auto gehoben. Das Team arbeitete wortwörtlich Hand in Hand. Nach einem kurzen Intermezzo auf 4 Rädern, dann vom Auto in den Flur des HSZ, bis in den späten Nachmittag. Nahezu feierlich ward dann die Ankunft des letzten schwarzen Bündels zelebriert. Sorgfältig abgelegt auf dem mehrere Kubikmeter fassenden Stapel. Ein kurzes Atem anhalten, rutscht es oder rutscht es nicht?
Es hielt und die Spannung löste sich in einem kurzen Applaus. Feierabend! Oder doch nicht? “Leute, die können hier nicht liegen bleiben, der Hausmeister sagt, dass geht wegen des Feuerschutzes nicht” - entsetztes Schweigen. Und ein spitzbübisches Grinsen. “Reingelegt.” Auf dem Weg nach Hause zeichnete sich schon das erste Stadium beginnenden Muskelkaters ab. Und wenn irgend jemand der Beteiligten heute Nacht im Schlaf sprechen sollte, könnte das durchaus ein anfeuerndes “flieg, Tasche, flieg” sein.