Blog zum 47. Historikertag 2008 http://historikertag.de/blog Sat, 21 Feb 2009 04:55:47 +0000 http://wordpress.org/?v=2.6.1 en “Goethe war nicht nur ein Italienliebhaber …” http://historikertag.de/blog/?p=2153 http://historikertag.de/blog/?p=2153#comments Sun, 19 Oct 2008 08:38:42 +0000 md http://historikertag.de/blog/?p=2153 Das Collegium Carolinum in München ist ein interdisziplinärer Forschungsverband für die Geschichte und Gegenwart Tschechiens sowie der Slowakei. Unter anderem gibt der Verband eigene Publikationen heraus, veranstaltet wissenschaftliche Tagungen und initiiert Forschungen zur Geschichte der böhmischen Länder und Ostmitteleuropas. Als Serviceeinrichtung ist das CC eigentlich unumgänglich für Slavisten.

Dr. Robert Luft ist Senior Researcher am Collegium Carolinum. Er arbeitet seit 1990 an dem 1956 vom Freistaat Bayern unter Beteiligung der BRD eingerichteten Institut, in den Jahren von 1991 bis 2006 auch als Geschäftsführer. Er schildert im folgenden Interview u.a. seine Eindrücke vom Historikertag, auf dem er selbst in einer der vom VGD veranstalteten Sektionen einen Vortrag über den tschechischen Geschichtsunterricht gehalten hat.

Sie arbeiten seit 18 Jahren am Collegium Carolinum. Hat es Sie schon vorher, abgesehen von Studienaufenthalten, nach Osteuropa gezogen? Gab es einen gewissen Anstoß für das starke Interesse an Tschechien bzw. an Osteuropa?

Ich habe mich bereits sehr früh im Geschichtsstudium der Geschichte des östlichen Mitteleuropa zugewendet, was einerseits an meiner Neugierde auf andere Kulturen und die Welt hinter dem „Eisernen Vorhang“ lag, andererseits am guten Klima des sehr kleinen Lehrstuhls für osteuropäische Geschichte, wo eine sehr intensive und persönliche Ausbildung erfolgte, die sich positiv vom Massenfach der allgemeinen Geschichte abhob. Ein einjähriger Studienaufenthalt in Wien führte dann dazu, dass ich mich auf die Geschichte der Tschechoslowakei konzentrierte und seit 1982 zu Sprach- und Forschungsaufenthalten in die Tschechoslowakei fuhr, wo sich mir die Kultur rasch durch Freundschaften mit jungen tschechischen Historikern erschloss.


Waren Sie bereits öfter auf  Historikertagen?

Abgesehen von dem Historikertag 1996 in München, sozusagen vor der Haustür, war ich lange nicht mehr auf einem Historikertag. Nach dem Studium habe ich in den 1980er Jahren regelmäßig an Historikertagen teilgenommen, später nicht mehr.

Das Partnerland war diesmal, wie vor vier Jahren in Kiel ein osteuropäisches Land. Haben Ihnen die Anzahl und die Auswahl der Themen mit Bezug auf das Partnerland gefallen?

Ich finde es auffällig, dass Tschechien als Partnerland erst jetzt Berücksichtigung fand. Tschechien steht in der deutschen Wahrnehmung stets deutlich hinter Polen zurück, obwohl es gute Gründe gäbe, dass das Nachbarland Tschechien stärker ins Bewusstsein rücken sollte. Die Sektionen zur Geschichte Tschechiens und zur deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte auf dem Dresdner Historikertag fand ich alle sehr gelungen und qualitativ hochwertig. Unzufrieden bin ich mit der mangelnden Integration tschechischer bzw. böhmisch-mährischer Themen in andere Sektionen, was allein die Möglichkeit geboten hätte, Historikerinnen und Historikern der deutschen Geschichte eine transnationale Perspektivenerweiterung zu ermöglichen.
Für Diskussionsstoff sorgte die Rede des kurzfristig eingesprungenen tschechischen Festredners, des Ministers und früheren tschechischen Außenministers Cyril Svoboda. Die Rede wendete sich eher an eine tschechisch katholische Wählerschaft als an deutsche Historiker. Spannend war daran, dass eine derart explizit katholische Weltsicht gerade aus einem der atheistischsten Länder Europas präsentiert wurde. Was weiß ein deutscher Zeitungsleser oder eine deutsche Historikerin über die Rolle des (politischen) Katholizismus in Böhmen und Mähren und das tschechische Europabild?

Sie sind Mitglied der 2002 gegründeten Gemeinsamen Deutsch-Tschechischen Schulbuchkommission.
Gibt es neben dieser noch andere und kann man sagen, dass ganz Europa vernetzt mit ihnen ist?

Deutsche und tschechische Historiker arbeiten bereits seit 1988 im Bereich der Schulbuchforschung zusammen. 2002 wurde diese Zusammenarbeit durch die Kommissionsgründung hier in Dresden vermittelt über das Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig institutionalisiert. Vorbild sind die deutsch-französische und die deutsch-polnische Schulbuch-Kommission, die bereits nach 1945 bzw. seit den 1970er Jahren sehr erfolgreich tätig sind. Deutschland ist mit der Schulbuchforschung international führend und mit den verschiedenen Schulbuchkommissionen beispielgebend. Es wurde zum Vorbild für die israelisch-palästinensische Schulbucharbeit oder für chinesisch-japanische bzw. koreanisch-japanische Verhandlungen etc. Im Rahmen des Europarats und der UNESCO finden internationale Schulbuchdebatten statt.

Wie kann man sich die Arbeit der Kommission in etwa vorstellen?

Die deutsch-tschechische Schulbuchkommission untersucht für bestimmte Zeitepochen und unter thematischen Fragestellungen die Schulbücher beider Länder „über Kreuz“. Das heißt von deutschen Historikern werden die tschechischen Schulbücher analysiert, von tschechischen Wissenschaftlern die deutschen Schulbücher. Dabei geht es gar nicht so sehr um faktographische Fehler, sondern vor allem um Lücken und um Sichtweisen. Dazu gehören daher auch Fachreferate über historische Fragestellungen, die in beiden Ländern unterschiedlich bewertet werden. Ganz aktuell zum Beispiel das Jahr 1968, dass in Deutschland ganz anders wahrgenommen wird als in Tschechien. Wichtig ist für die Arbeit der Schulbuchkommission sind aber auch allgemein die Medien und das allgemeine öffentliche Geschichtsbewusstsein, da beide großen Einfluss auf das in der Schule vermittelte Geschichtswissen haben. Es ist deutlich, dass das Schulbuch in der Praxis an den Schulen keinen so großen Einfluss hat. Trotzdem ist es wichtig was im Schulbuch steht und was fehlt. Zur Arbeit der Schulbuchkommission gehört es daher nicht nur den Autoren von Schulbüchern und den Kultusministerien Empfehlungen zu geben, sondern auch für Geschichtslehrer Materialien oder Hinweise zu erarbeiten. Lehrerhandbücher, Unterrichtsquellen und der große Bereich der Geschichtslehreraus- und -fortbildung gehören ebenfalls zur Arbeit der Schulbuchkommissionen.

In Ihrem Vortrag sprachen Sie von einem national orientierten Geschichtsunterricht in der Tschechischen Republik. Hat die Arbeit der Deutsch-Tschechischen Schulbuchkommission bisher zu keiner “Neutralisierung” beitragen können?

Die Vorstellung, dass eine „nationale“ Orientierung falsch und gefährlich sei, ist eine typisch deutsche Sichtweise. Sie ist aus der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts verständlich, wird aber weder von Franzosen oder Italienern noch von Polen oder Tschechischen geteilt, die nur einen aggressiven oder expansiven Nationalismus ablehnen. Auch wenn es gute Gründe gibt, die Wirkungen des Nationalismus sehr kritisch zu sehen, kann nicht übersehen werden, dass nationales Denken, nationale Identität, nationales Bewusstsein auch positive, integrative und stabilisierende, ja sogar demokratisch wirkende Funktionen haben kann. Die deutsche „Nationalismus kritische“ Position zum Maßstab für alle Völker machen zu wollen, ist eigentlich schon wieder eine Form deutscher Überheblichkeit oder deutscher Nabelschau.
In den vergangenen knapp 20 Jahren ist in der tschechischen Kultur und bei tschechischen Historikern eine ganz deutliche Orientierung an mitteleuropäischen, zwischenstaatlichen und transnationalen Fragestellungen und Interpretationen entstanden. Die tschechische Nationalgeschichte wird zunehmend in eine mitteleuropäische Beziehungsgeschichte eingebettet. Inzwischen wird fast selbstverständlich die fast tausendjährige Geschichte der Deutschen in Böhmen und Mähren bis hin zu Vertreibung und Aussiedlung thematisiert. Dies gilt für die Wissenschaft stärker als für Schulbücher, Lehrpläne und den Unterrichtsalltag. Zu dieser Erfolgsgeschichte haben zu einem Teil auch die deutsch-tschechische Schulbuchkommission und die Deutsch-Tschechische Historikerkommission beigetragen, die beide stets auch Referenten aus Österreich, der Slowakei oder Polen herangezogen haben. In der tschechischen Geschichtswissenschaft besteht aber noch immer eine Angst vor einem Bedeutungsverlust durch Aufspaltung. Deshalb hat es der regionalhistorische Ansatz in Tschechien so schwer.

Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden die Lehrpläne der Bundesrepublik in Ostdeutschland übernommen. Die Tschechische Republik hatte keine didaktische Schablone - ist es vielleicht auch deshalb schwerer, den tschechischen Geschichtsunterricht wirklich neu zu gestalten?

Ob es nach 1990 in den neuen Bundesländern so klug war, die Lehrpläne und Schulbücher aus Westdeutschland zu übernehmen, ist die Frage. Schließlich kam zumindest in den westdeutschen Geschichtsschulbüchern zu wenig DDR vor. Das mangelnde Wissen über die DDR bei ostdeutschen Schülern resultiert daraus und daraus, dass viele ostdeutsche Geschichtslehrer nicht in die Neuausrichtung von Geschichte aktiv einbezogen waren, aus welchen Gründen auch immer. Mir scheint der tschechische Weg dagegen fast als Vorbild: zwar dauert es länger, aber die entwickelten neuesten Lehrpläne sind sehr modern und in einer tschechischen Diskussion über die eigene Vergangenheit im Staatssozialismus erarbeitet worden.

Sie sprachen davon, in der tschechischen Geschichte habe es eine „Spannung“ zwischen Nation und Territorium gegeben und dies würde noch heute im Geschichtsunterricht zur Unschärfe in der Betrachtung von Staat und Nation führen. Um was für eine „Spannung“ handelt es sich dabei?

Im tschechischen Geschichtsbild gibt es einmal die tschechische Nation, die seit dem Frühmittelalter in Böhmen und Mähren lebte und sich insbesondere durch die tschechische Sprache definiert. Daneben gibt es den „tschechischen Staat“, in unserer Bezeichnung das Königreich Böhmen, dessen Kernland Böhmen vom Mittelalter bis zur Auflösung der Habsburgermonarchie 1918 durchgängig existiert hat. In Böhmen lebten aber seit dem Hochmittelalter eine große deutschsprachige Bevölkerung, teilweise ein Drittel aller Einwohner. Wenn man im Schulbuch in einem Kapitel über den Demokratisierungsschub des Jahres 1848 spricht und die ersten tschechischen Vereine oder den großen Historiker und Politiker František Palacký nennt, wird von der tschechischen Nation gesprochen, einige Seiten weiter geht es dann über die Industrialisierung und die Zahl der Webstühle, Dampflokomotiven etc. Dabei werden dann sinnvollerweise Gesamtzahlen genannt. Indirekt wird damit nahegelegt, dass die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes, die jenige des tschechischen Volkes gewesen sei. Dass auch Böhmen, erst recht Mähren und Schlesien, mehrnationale Gebilde waren, geht dann verloren. Tschechischen Schülern ist dann nicht verständlich, wenn ein in Aussig / Ústí nad Labem oder Reichenberg / Liberec Geborener sagt, er könne kein tschechisch.

Während der Sektionspause, nach Ihrem Vortrag, konnte ich mit einem Dozenten aus Ústí nad Labem sprechen. Dieser stimmte mit Ihnen zwar in einigen Punkten überein, doch Ihre Aussage, der tschechische Geschichtsunterricht sei durch „nationale Paradigmen“ geprägt, kam ihm überspitzt vor.

Wenn die gesamte historische Entwicklung vom Frühmittelalter bis zum 21. Jahrhundert einzig an der Geschichte der eigenen Nation vorgestellt wird, ist eine nationale Verengung der Perspektive nicht zu vermeiden, ja oft auch gar nicht mehr zu erkennen. Das gilt auch für Deutschland. Geschichte kann aber nur verstanden werden, wenn man alternative Entwicklungswege kennt und in ihrer Dynamik nachvollzogen hat. Mein Plädoyer zielt auf ein generell besseres Geschichtsverständnis.

Was sollte man als Slavistik-Student/in auf jeden Fall über das Collegium Carolinum wissen?
Gibt es Angebote vom CC speziell für Studenten, z.B. Recherchemöglichkeiten auf der Homepage?

Man sollte nicht nur als Slawistin und Slawist wissen, dass es in Deutschland eine Forschungseinrichtung gibt, die sich mit der Geschichte des Nachbarlandes Tschechien beschäftigt und in deutscher oder englischer Sprache Handbücher und Fachtexte veröffentlicht. Wer sich also ohne tschechische Sprachkenntnisse über tschechische Geschichte informieren will, ist bei uns richtig.
Für Studierende gibt es einmal im Jahr eine öffentliche Veranstaltung, das sogenannte Bohemisten-Treffen, an dem jeder teilnehmen kann. Bei diesem Treffen werden neue laufende Forschungsvorhaben von der Magisterarbeiter bis zur Habilitation oder zum mehrbändigen Werk in Kurzvorträgen oder in schriftlichen Exposes vorgestellt. Dabei reicht das Spektrum von der Westslawistik und Geschichte über Geographie, Kunstgeschichte, Wirtschaftswissenschaften bis zu Politik- oder Musikwissenschaft. Das nächste Treffen, wird am Freitag, den 20. März 2009, in München stattfinden. Für Doktoranden zu tschechischen Themen gibt es zudem Stipendien des Collegium Carolinum.
Auf unserer Homepage „www.collegium-carolinum.de“ finden Sie Informationen über die in den Vorjahren präsentierten Vorhaben, aber auch Literaturhinweise zu speziellen Themen, so betreue ich eine Online-Bibliographie zur Geschichte der Juden in den böhmischen Ländern. Es gibt Hinweise auf unserer Veröffentlichungen, zum Beispiel auf das „Biographische Handbuch zur Geschichte der böhmischen Länder“, auf die Fachzeitschrift „Bohemia“ oder auch – für Übersetzer wichtig – ein Online-Verzeichnis der deutschen und tschechischen Namensformen von historischen Landschaften (Berge, Flüsse, Seen).

Wieso halten Sie es für besonders wichtig, die bohemistische Forschung auszuweiten und zu stärken?

Es gibt zwei Probleme: erstens ist unser Geschichtsbild und unsere gesellschaftlich-politische Wahrnehmung auf die großen Völker und zweitens auf westliche Kulturen ausgerichtet. Beides lässt gerade für die tschechische Kultur nur wenig Platz und Aufmerksamkeit. Obwohl die Grenze Deutschlands mit Tschechien länger ist als diejenige mit Polen, finden bei uns polnische Themen mehr Beachtung als tschechische. Tschechien ist uns ein naher und verwandter, durch die slawische Sprache aber doch als sehr fern und fremd wahrgenommener Nachbar. Diese Fremdheit wurde durch den Eisernen Vorhang noch vertieft. Hier besteht weiterhin ein Bedarf, in Deutschland mehr Wissen und mehr Information zu vermitteln. Die deutsche und tschechische Geschichte sind eng ineinander verwoben, daraus ergeben sich noch viele offene Fragen für die Geschichtswissenschaften wie für benachbarte kulturwissenschaftliche Disziplinen.

Glauben Sie, es wird irgendwann auch (mehr) „Tschechophile“ geben, genauso wie es Frankreich- bzw. Italienliebhaber (vor allem) hier in Deutschland gibt?

Die gibt es bereits, wenn auch deutlich weniger als im Falle der Toskana-Liebhaber. Manche sind davon Prag-Liebhaber geworden, aber auch andere Städte und Regionen haben ihre deutschen Liebhaber gefunden. Ein Teil von Ihnen hat in Tschechen in den vergangenen 20 Jahren studiert oder als Lektorin/Lektor, Praktikant etc. gearbeitet. Einige von Ihnen haben sich im Verein MITOST (Verein für Sprach- und Kulturaustausch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa www.mitost.de) organisiert. Wir sollten uns bewusst machen, dass Goethe nicht nur ein Italienliebhaber war, sondern auch ein besonders intensiver Nutzer der westböhmischen Bäder sowie Freund der böhmischen Geologie.
Ich hoffe, dass es noch mehr „Tschechophile“, „Bohemophile“ oder „Moravophile“ geben wird. In zehn oder fünfzehn Jahren wird es vermutlich auch einige Deutsche mit Ferienhäusern in Tschechien geben, zahlenmäßig werden es im Vergleich zu Spanien- oder Türkeireisenden aber immer nur wenige sein.

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Bleibt im vatikanischen Geheimarchiv vieles zu geheim? http://historikertag.de/blog/?p=2120 http://historikertag.de/blog/?p=2120#comments Sun, 05 Oct 2008 11:29:24 +0000 jkk http://historikertag.de/blog/?p=2120 “Dan Browns Illuminati zeigt ein so völlig falsches Bild vom vatikanischen Archiv“, so Michael Matheus, „dass man sich fragt, ob Brown den Unterschied zwischen einer Bibliothek und einem Archiv kennt“. Solche Romane verstärken die Mythen, die sich um das vatikanische Archiv ranken. Nur weil an der Eingangstür „secreta“ steht, denkt jeder, es handle sich um einen geheimen Ort. Doch „secreta“ bedeutet hier schlicht und ergreifend „privat“.

Mit diesen Worten ist Matheus ein guter Einstieg in diese Sektion gelungen. Eine Sektion, die auf die Bedeutung kritischer Aufarbeitung von Quellen hinweisen will. Denn ohne Editionen keine Geschichtswissenschaft.

Die vorgestellten Projekte, wie die DENQ-Software (Digitale Editionen Neuzeitlicher Quellen), zeigten, dass Grundlagenforschung durchaus sehr attraktiv und modern sein kann. Auch die Vorträge von Silvano Giordano über „Wahrnehmung und Wirklichkeit: Das Reich aus der Sicht Urbans VIII“ und Ludwig Schmugges „Ehen vor der römischen Pönitentiaire“ bestätigten die Bedeutung der Grundlagenforschung. Denn nur anhand von Quellen hat man erfahren, dass, aus Urbans Sicht, Deutschland ein Land voller Haretiker sei, in dem sich ständig neue Sekten bilden. Oder dass das kanonische Recht, die freiwillige Eheschließung für beide Geschlechter eher förderte und nicht wie allgemein angenommen verhinderte.

Hubert Wolf, Foto:pd

Den wohl interessantesten Vortrag hat Hubert Wolf aus Münster über „Das geheimste aller geheimen Archive“ gehalten. In gewisser Weise stellte er die Inquistition vor. Er zeigte, dass eben diese mehr war als Ketzer und Hexen auf den Scheiterhaufen zu verbrennen, es war ebenso die totale Kontrolle des Buchmarktes. Mit der Erfindung der beweglichen Letter von Gutenberg war für die Katholische Kirche das Buch das gefährlichste Medium, um andere Meinungen über die Kirche zu verbreiten. Es gibt kaum ein Buch was nicht angezeigt und untersucht wurde. Friedrich der Große, Thomas Hoppe, Huldreich Zwingli, ja sogar Adolph Freiherr Knigge und Karl May sind dabei. Bis Anfang der 90er Jahre war das Archiv das bestgehütetste Geheimnis des vatikanischen Archivs. Das internationale DFG-Projekt zu dem Thema “Römische Inquisition und Indexkongregation” wird ihre bisherigen Ergebnisse auf einer Tagung im Dezember vorstellen. Mit der Öffnung des Archives können nun alle Schritte eines Zensurverfahrens präzise nachgezeichtnet werden. So weiß man, dass im 19. Jahrhundert 2200 Bücher von der Indexkongregation verhandelt und 1600 davon verboten wurden. Auch ist die Anzahl der Mitarbeiter jetzt bekannt. Im 18. Jahrhundert waren es noch 1100, während es ein Jahrhundert später nur noch 900 waren. Grundsätzlich mussten Bücher denunziert werden, bevor sie untersucht wurden. Karl Marx oder Charles Darwin befinden sich nicht auf der Liste der untersuchten Bücher, da sie nie angezeigt wurden. Eine Zeitspanne von einem halben Jahr bis hin zu drei Jahre umfassend, könnte ein Buch verboten werden, wenn es die einzelnen Stufen durchlaufen hatte. Gutachter und Kardinalsitzungen mussten aufzeigen, warum ein Buch verboten werden sollte. Die letzte Instanz war aber immer der Papst. Wird ein Plakat mit Buchtiteln ausgegeben und an den Hauptkirchen in Rom angebracht, gilt ein Buch als verboten.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde musste natürlich Hubert Wolf die meisten Fragen beantworten. Aber auch kritische Stimmen zum Stand der Grundlagenforschung wurden laut. So müsse diese verstärkt versuchen junge Wissenschaftler an sich zu binden. Matheus äußerte sich in so fern dazu, als dass das Deutsche Historische Institut (DHI) in Rom bereits mehrere Projekt diesbezüglich laufen habe. Der Einwurf, dass das Bachelor/Mastersystem die Forschung erschweren wird, wurde von Wolf wie folgt kommentiert: “Bachelor/Master sind und bleiben eine ausgemachte Schweinerei!”

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Vom Gefühl “in between” zu sein http://historikertag.de/blog/?p=2108 http://historikertag.de/blog/?p=2108#comments Sat, 04 Oct 2008 13:36:32 +0000 md http://historikertag.de/blog/?p=2108 Zu  den geschichtsdidaktischen Veranstaltungen des VGD gehörte auch die Sektion “Folgen von ungleichen Bürgerrechten von Jugendlichen und ihren Eltern für Geschichtsunterricht und politische Bildung” von
Dr. Béatrice Ziegler aus der Schweiz.

Die Probleme einer multiethnischen Gesellschaft erforderten eine verstärkte Neuorientierung des Geschichtsunterrichts, bemerkte Ziegler in ihrer Einleitung. Die Anerkennung von multipler Diversität und das Verständnis der Egalität, würde Lernende, gleichsam einer Ressource, in ihrem Lernprozess unterstützen.

Gleich zu Anfang stellte Johannes Meyer-Hamme seine Schülerbefragung vor. Er hat sich in den Geschichtsunterricht einer Hamburger Klasse der Sekundarstufe II mit einem besonders hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund begeben. Obwohl die Studie keineswegs repräsentativ ist, konnte Meyer-Hamme einige interessante Beobachtungen anstellen, die der Weiterentwicklung einer die historische Identität jedes Schülers beachtende Geschichtsdidaktik dienen sollen.
Historische Identität, wie sie Meyer-Hamme beschreibt, resultiert aus einer „historischen Selbstverortung“, die sich über die Sprache, die Religion und  die Herkunftsregion jedes Jugendlichen vollzieht. Meyer-Hamme  stellte zwei Tendenzen bei den Schülern fest: ein türkischer Schüler konnte sich erst, als es im Geschichtsunterricht um die Türken ging, für den Unterricht begeistern.
Ein bosnischer Schüler, der selbst als Flüchtling mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen ist, reflektierte das im Geschichtsunterricht aufgenommene Wissen und nahm den Begriff Nation als Konstrukt wahr. Er wünsche sich, im Gegensatz zum türkischen Schüler, keine Beschäftigung mit der Geschichte Bosniens im Unterricht.

Die Schüler müssten lernen mit Ungleichheiten der verschiedenen Kulturen umzugehen. Weniger Problematisches, aber dafür sehr Relevantes solle den Unterricht dominieren. Lehrer sollten sich vor allem auch davor hüten, an Migrantenkindern entsprechende Kulturalisierungen vorzunehmen (z.B.: „Wie war das denn bei euch?“).

Dr. Michele Barricelli sprach zum Thema „Eine Gesellschaft freier und ungleicher Bürger! Projekte zur Anerkennung von authentischer Verschiedenheit und menschenrechtlicher Gleichheit im Geschichtsunterricht.“ Barricelli referierte, ausgehend vom Begriff diversity aus den Cultural studies von „shared and divided memories“ und der Vielfalt vom Geschichtsbewusstsein. Der theoretische Anfang seines Vortrages wurde auch wieder von einer Projektvorstellung abgelöst.

Es sind18 Lehramtsstudierende, deren Eltern aus dem Ausland stammen interviewt worden. Dass Barricelli in Berlin nicht mehr ausfindig machen konnte, ist schwer vorstellbar, aber dem Drittel der Migrantenkinder in Berlin steht tatsächlich nur ein sehr geringer Prozentsatz an aus dem Ausland stammenden Lehrern gegenüber. Ein Punkt der von entscheidender Wichtigkeit bei der Verbesserung der Lernsituation multienthnischer Schulklassen sei.

Barricelli fragte die 18 angehenden Referendare z. B. welche Vorteile ein Lehrer mit Migrationshintergrund für entsprechende Klassen haben könne. Viele sahen es als besonders wichtig an, dass sie den Schülern etwas aus ihrer Kultur nahebringen könnten. Auch das Gefühl vieler Einwandererkinder „In-between“ zu sein, sich also weder in der alten noch in der neuen Kultur wirklich integriert zu fühlen, könnten solche Lehrer nachfühlen und dadurch überhaupt als wichtiges Thema anerkennen.

In den letzten beiden Vorträgen ging es dann auschließlich um die Vorstellung von Projekten.
Zum einen referierte Valentin Eck über das von der EU finanzierte Projekt TEESAEC, in dem der Wissensstand über die Europäische Union von Schülern aus verschiedenen EU-Ländern getestet werden soll.
Dominik Allenspach stellte zum Schluss die Evaluationsmethode eines Lerntools vor, das zur Verbesserung eher leistungsschwacher Schüler konzipiert wurde.

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, war es Béatrice Ziegler nicht möglich die Schlussfolgerungen vorzutragen und eine Abschlussdiskussion einzuleiten. Gerade bei dem brisanten Thema wäre dies sicherlich sehr spannend gewesen.
Wie ich finde, sind die tatsächlichen Folgen für den Geschichtsunterricht, wie im Titel der Sektion angekündigt, als Themenschwerpunkt nicht ausreichend hervorgetreten. Vielmehr standen Interviews und Studien im Vordergrund, so dass die eigentlichen Themen mehr oder weniger untergegangen sind.

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Vergangenheitsnarrative – Narrations of the Past http://historikertag.de/blog/?p=2039 http://historikertag.de/blog/?p=2039#comments Fri, 03 Oct 2008 16:00:24 +0000 kk http://historikertag.de/blog/?p=2039 Die Referenten der Sektion Foto:kk

Die Referenten der Sektion. Foto:kk

Auf welche Weise konstruieren Zeitzeugen ihre Erfahrungen zu sinnvollen Lebensgeschichten? Und welche Rolle spielt die Rekonstruktion von Vergangenem für die individuelle und kollektive Sinnstiftung?

Diesen Fragen stellten sich am Morgen in der Sektion „Vergangenheitsnarrative“ vier Wissenschaftler/innen, die an englischen Universitäten forschen und mit ihren jeweiligen Vorträgen Zwischenergebnisse ihrer Forschungsprojekte präsentierten. Alle Beiträge vereinten, dass sie sich mit    verschiedenen Vergangenheitskonzepten nach 1945 beschäftigten und dass sie Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Geschichtsinterpretation, Identitätskonstruktion und Vergangenheitsnarration einzelner Beispiele suchten.

Bill Niven nahm sich der Literatur zur Flucht und Vertreibungs- Thematik an. Er erforscht, wie das kollektive Gedächtnis an die ehemaligen deutschen Ostgebiete, als auch an die Flucht und Vertreibung der Deutschen durch Bücher in der BRD geprägt wurden. Die Darstellung und Rezeption  der deutschen Vertreibungsthematik wurde oft als Tabu angesehen, und vorhandene Literatur - meist Erfahrungsberichte in Form von Romanen, wurde als Trivialliteratur abgetan. Doch laut Bill Niven ist dieses Tabu nie vorhanden gewesen, das Thema Vertreibung war in der deutschen Literatur durchweg präsent seit den 50er Jahren. Notwendig wäre deswegen eine Morphologiegeschichte der Flucht- und Vertreibungsliteratur.

Julia Riddiford referierte anschließend über Vergangenheitsnarrative, die bei Naziprozessen entstanden sind und den Nachweis der individuellen Schuld an den NS-Verbrechen liefern sollten. Insbesondere ging sie auf die Vergangenheitsnarrative ein, die entweder von sogenannten Nazijägern, also privaten Akteuren selbst verfasst wurden oder in denen Nazijäger als Protagonisten auftraten. Bekannte Vertreter waren u.a. Simon Wiesenthal oder Hermann Langbein, die vor allem in ihrer Zusammenarbeit mit den Medien, die öffentliche Auseinandersetzung mit den Tötungsverbrechen des Nationalsozialismus vorantrieben.

Anhand eines Einzelschicksals, der Erinnerungen des ostdeutschen Journalisten Bernt von Kügelgen, untersucht Christiane Winkler Heimkehr- Erinnerungen. Das Buch „Nacht der Entscheidung“ von Kügelgen ist 1983 in der DDR und ein Jahr später in der BRD erschienen und ist eine antifaschistische Konversionserzählung eines ehemaligen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs. Winkler setzte sich mit dem autobiographischen Text intensiv auseinander und sieht darin ein prozesshaftes und kollektives Erinnerungskonzept. Denn Erinnerung ist für Winkler nur als vielschichtiges Erinnerungsnetzwerk zu verstehen, dass gemeinsam konstruiert wird.

Unter dem Thema die „Ungleichheit des Gleichzeitigen“ beschäftigte sich Mary Fulbrook mit der Bedeutung von Generation als Begriff und dem Verständnis von Generationen als Konstruktionen. Die renommierte Deutschlandkennerin vom University College London sprach über gemeinsame Herausforderungen in einem bestimmten Lebensalter und (militärische/politische) Mobilisierung von Menschen am Beispiel der Entwicklung der Kriegsjugendgeneration, sowie der ersten und zweiten Generation der Hitlerjugend. Fulbrook plädiert dabei dafür, dass strukturelle Analysen wie Geburtskohorten mit lebensgeschichtlichen Vergangenheitsnarrativen zusammen gebracht werden müssen, um die Geschichte zu verdeutlichen.
Bei der folgenden Diskussion moderierte Christiane Winkler, wo abschließende Fragen geklärt werden konnten, aber hauptsächlich Lob für die Vortragenden ausgesprochen wurde.

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Podiumsdiskussion zur friedlichen Revolution 1989/90 http://historikertag.de/blog/?p=2075 http://historikertag.de/blog/?p=2075#comments Fri, 03 Oct 2008 15:58:16 +0000 nm http://historikertag.de/blog/?p=2075 Blick in das Auditorium. Foto: cm

Blick in das Auditorium. Foto: cm

Entgegen der Erfahrungen der vergangenen Tage standen bei der Podiumsdiskussion „Die friedliche Revolution und die Vereinigung 1989/90: das Volk, die Volkswirtschaft“ heute Vormittag die Schicksale der Bürger der ehemaligen DDR mehr im Vordergrund. Im Kontext mit historischen Fakten aus der Wirtschafts- und Sozialgeschichte konnte die Waage zwischen Information und Gedenken gut gehalten werden.

Dabei stellte Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke die These auf, dass die DDR-Volkswirtschaft den größten Anteil an dem Ausbruch der friedlichen Revolution hatte. Keiner der weiteren Podiumsdiskutanten führte eine Gegenthese an. Die Ansätze der Referate, auf die jeweils eine Diskussion folgte, waren jedoch sehr unterschiedlich.

Werner Plumpe, Ulrike Poppe, Klaus-Dietmar Henke (v.l.). Foto: ak

Werner Plumpe, Ulrike Poppe, Klaus-Dietmar Henke (v.l.). Foto: ak

So beschäftigte sich die Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe mit der „Bevölkerung und der Dissidenz vor der friedlichen Revolution“. In diesem Zusammenhang schloss sich die Diskussion an, wie die Anordnungen im wirtschaftlichen Sektor des damaligen SED-Regimes in der Bevölkerung wahrgenommen wurden. Auf einer emotionalen und persönlichen Ebene führte der mittlerweile pensionierte Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche Christian Führer die Argumentation an. „Vor allem beim Erwerben von materiellem Besitz gab es Spannungen, die die Westbürger nie hatten. Da hat man nämlich nicht zwei Jahre auf ein Ersatzteil für das Auto gewartet“, erklärt Führer. Auf diese Weise konnten letztendlich die verschiedenen Eindrücke von unterschiedlichen Mentalitäten diskutiert werden.

Neben der Wissenschaftlichkeit aller Referate nahmen jedoch einige Diskussionsbeiträge stark populistische Züge an, was der objektiven Rezeption und Aufarbeitung der DDR-Historie möglicherweise im Wege stehen könnte.
[Mehr Bilder der Teilnehmer]

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Wie gut sind unsere Fachzeitschriften? http://historikertag.de/blog/?p=2041 http://historikertag.de/blog/?p=2041#comments Fri, 03 Oct 2008 15:40:28 +0000 jkk http://historikertag.de/blog/?p=2041

Podiumsdiskussion, Foto:bp

Leider kann diese Frage nicht nach der gestrigen Sektion beantwortet werden. Es wurden nur die verschiedenen Standards bei der Annahme oder Ablehnung eines Artikels ausführlich diskutiert. Dabei kristallisierten sich schnell zwei Positionen heraus: die Verfechter einer Redaktion und diejenigen, die ein Double-Blind-Review bevorzugten. Einig waren sich aber alle Teilnehmer, dass Begutachtungen transparenter gestaltet werden sollten, damit Bewerber wissen, auf was sie sich da einlassen.

Ulrike Gleixner, die die Podiumsdiskussion moderierte, stellte am Ende fest, dass es keine kontroverse Diskussion war, da es scheinbar verschiedene Verfahren gäbe, die Qualität der Fachzeitschriften zu sichern.

Lediglich Barbara Stollberg-Rilinger aus Münster erreichte mit ihrer Aussage, dass es unterschiedliche Wissenschaftskulturen gibt und es deshalb keine Veranlassung, naturwissenschaftliche Standards für geisteswissenschaftliche Fachzeitschriften zu übernehmen, Applaus und Zuspruch. Die Geisteswissenschaftler sollten endlich die Courage besitzen, selbstbewusst aufzutreten und sich der vermeintlichen Übermacht der Naturwissenschaft nicht beugen.

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Es war eine runde Sache… http://historikertag.de/blog/?p=2047 http://historikertag.de/blog/?p=2047#comments Fri, 03 Oct 2008 15:01:11 +0000 jkk http://historikertag.de/blog/?p=2047 Pressekonferenz

Pressekonferenz

Der 47. Historikertag geht nicht nur mit diesem Blog neue Wege, sondern auch mit dem heutigen Pressegespräch, das in bequemer Atmosphäre in Form schwarzer Sofas und Kaffee stattfand. Prof. Dr. Jehne, Dr. Fäßler und Prof. Dr. Funke, der noch bis 19 Uhr den Vorsitz des Historikerverbandes innehat, stellten sich abschließenden Fragen der Presse. Dabei zeigten sie sich mit der Organisation und dem Ablauf des Historikertages sehr zufrieden. Viel positive Resonanz und Zuspruch kam von Kollegen und Kongressteilnehmern. „Es war einfach eine runde Sache“, so Funke. Die äußere und inhaltliche Form überzeugten durch ihre Stimmigkeit. Auch die Teilnehmerzahlen sprechen für sich: 3.000 Besucher waren auf dem Historikertag. Allein 2.100 meldeten sich vorher für alle vier Kongresstage an. Zwischen 400 und 500 waren Tagesgäste. Lediglich die Schülerzahlen konnten nicht mit denen aus Konstanz, dem Austragungsort des Historikertages 2006, mithalten.

Die Mischung in den Sektionen aus jungen Historikern und etablierten Historikern spiegelte die Akzeptanz des Kongresses wieder, was auch die thematische Vielfalt der Sektionen zeigte.

Natürlich wollten wir auch wissen, wie der Weblog und die Zeitung beim Verband angekommen sind. Durchweg positiv, was das gemeinschaftliche Nicken bestätigt. Auf jeden Fall hat dieser Blog die Chance, eine neue Tradition zu begründen. Dr. Fäßler erklärte zusätzlich, dass er in seinem abschließenden Bericht das Dokumentationsseminar besonders hervorheben möchte und sich für seine Beibehaltung einsetzen will.

Wie nach jedem Historikertag sollen auch bei diesem die Abstracts in einem Berichtsband zusammengefasst werden. Auch wenn ein „Buch in der Hand zu haben geradezu ein erotischer Impuls ist“, fände Jehne es doch besser, wenn man sich dem schnelleren Medium Internet widmete und über eine Opensource die Abstracts zur Verfügung stellte.

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Preise für den Nachwuchs http://historikertag.de/blog/?p=1950 http://historikertag.de/blog/?p=1950#comments Fri, 03 Oct 2008 10:51:10 +0000 bp http://historikertag.de/blog/?p=1950 Gestern Abend wurden im Rahmen der Festveranstaltung in der Kreuzkirche die diesjährigen Preisträger des vom VHHD ausgeschriebenen Doktorandenforums ausgezeichnet. Die Gewinnerin des ersten Preises, Corina Bastian, wurde bereits im Blog vorgestellt. Ihr Dissertationsvorhaben mit dem Thema “Weibliche Diplomatie - Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins während des spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714)” überzeugte die vierköpfige Jury. Den zweiten Platz erhielt Klaus-Peter Horn “Überleben in der Familie - Heilung durch Gott. Körperlich beeinträchtigte Menschen in den Mirakelberichten”. Platz Drei ging an Annett Heinl. Auch ihr Thema “Hilfe für den “fernen Nächsten” - Die Etablierung kirchlicher Entwicklungshilfen am Beispiel von Brot für die Welt und Misereor” konnte sich gegenüber 34 anderen Dissertationsvorhaben durchsetzen.
Weiterhin wurde, in Anerkennung ihrer herausragenden wissenschaftlichen Leistung, der mit 5.000 Euro dotierte Hedwig-Hintze-Preis dieses Jahr an Andreas Victor Walser sowie Martin Lücke für ihre Dissertationen verliehen. Anschließend zeichnete Prof. Peter Funke in seiner Funktion als Vorsitzender des VHHD noch zwei Preisträgerinnen mit dem Förderpreis für NachwuchswissenschaftlerInnen aus, namentlich Svenja Goltermann und Margrit Pernau, die mit ihren Habilitationsschriften die Jury überzeugen konnten und somit je 6.000 Euro für ihre Forschungsarbeit erhielten. Der Verband der Historiker Deutschlands fördert und unterstützt mit seinen Preisvergaben qualitativ herausragende und innovative Projekte innerhalb der Geschichtswissenschaft und ermöglicht den Preisträgern ihre Forschungsvorhaben einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen und darüber hinaus Kontakte für ihre weitere berufliche Zukunft zu knüpfen.

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Gartenstadt Hellerau - Vorbild für folgende Kunstströmungen http://historikertag.de/blog/?p=1984 http://historikertag.de/blog/?p=1984#comments Fri, 03 Oct 2008 10:03:27 +0000 nm http://historikertag.de/blog/?p=1984

Herbst in Hellerau Foto: cm

Die berühmten Bilder des „Indian Summer“ aus Nordamerika waren in den letzten Tagen nur allzu greifbar. Die Führung durch die Gartenstadt Hellerau am gestrigen Nachmittag verschaffte den Besuchern einen kleinen Eindruck von einem jahreszeitlichen Spektakel, das man sonst nur von Bildern kennt. Doch das waren nicht die einzigen Impressionen, die die nicht nur Geschichts-, sondern auch Kunstinteressierten mitnehmen konnten.

Der ehemalige Vorort Hellerau wurde 1909 von dem Möbelfabrikanten Karl Schmidt im Zuge des Neubaus seiner „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“ gegründet. Dem reformorientierten Schmidt (der sich seit 1938 Schmidt-Hellerau nannte) war das Wohlergehen seiner Mitarbeiter sehr wichtig. Aus diesem Grund beraumte er kurz nachdem die ersten Arbeiter ihre Tätigkeit aufgenommen hatten, eine Umfrage an, die ihm zeigen sollte, wie seine Mitarbeiter derzeit leben und was sie eigentlich von ihrer Wohnsituation erwarteten. Die Ergebnisse leitete er an den Architekten Richard Riemerschmid weiter, den er beauftragt hatte, eine Gartenstadt für seine Arbeiter zu entwerfen. In Zusammenarbeit mit weiteren Architekten wie Herrmann Muthesius, Heinrich von Tessenow oder Kurt Frick entstand innerhalb weniger Jahre eine komplett auf dem Reißbrett entworfene Siedlung mit Kleinhäusern, Landhäusern und Villen.

Die Idee einer Gemeinschaft außerhalb der Großstadt entstand am Ende des 19. Jahrhunderts durch die industrielle Revolution in England, als die Städte wuchsen und der Lebensstandard der Menschen gleichzeitig sank. Ebenezer Howard ist der Erfinder der Gartenstadt. In seinem zentralen Werk „Garden Cities of Tomorrow“ von 1902 publizierte er die Idee einer kreisförmig aufgebauten Stadt, die unabhängig von einer Metropole existieren kann. Die ideale Gartenstadt konnte nach seinem Dafürhalten jede kulturelle und wirtschaftliche Institution vorweisen. Alle wichtigen Einrichtungen für das alltägliche Leben ballten sich im Kern der Stadt, während sich Fabriken und große Unternehmen außerhalb der Wohngebiete befinden sollten.

Die Ideen von Ebenezer Howard waren sowohl Riemerschmid als auch Schmidt bekannt. Allerdings konnte diese Utopie einer funktionierenden, fast schon autark lebenden Stadt nirgends umgesetzt werden. Dresden-Hellerau ist noch heute ein Zeugnis einer reformorientierten Architektur, deren Ansätze sich auch in späteren Kunstströmungen, wie dem Bauhaus, wiederfinden lassen.

Deutsche Werkstätten in Dresden-Hellerau

Deutsche Werkstätten in Dresden-Hellerau Foto: cm

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Kunst-Transfers. Thesen und Visionen zur Restitution von Kunstwerken. http://historikertag.de/blog/?p=1953 http://historikertag.de/blog/?p=1953#comments Fri, 03 Oct 2008 09:22:01 +0000 pd http://historikertag.de/blog/?p=1953 Prof. Dr. Gilbert Lupfer. Foto: pd

Prof. Dr. Gilbert Lupfer. Foto: pd

Unter diesem Titel fand gestern im Hans-Nadler-Saal des Residenzschlosses eine Tagung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden statt, die gleich drei Anlässe vereinte. Zum einen fand sie natürlich anlässlich des Historikertages statt, andererseits waren aber auch der 10. Jahrestag der Washingtoner Konferenz sowie der 50. Jahrestag der Rückkehr von Kunstwerken aus der Sowjetunion Beweggrund. Diese Versammlung war nach einer ersten in Potsdam die zweite ihrer Art und wurde von Stefan Koldehoff vom Deutschlandfunk moderiert, der auch durch einen kurzen historischen Anriss die Veranstaltung einleitete. Anschließend stellte Prof. Dr. Gilbert Lupfer, Leiter eines Projektes zur Provenienzforschung der SKD und im Wintersemester auch eines Seminars zu diesem Thema an der TU, die moralischen, wissenschaftlichen und logistischen Herausforderungen dieses Forschungsbereiches anhand von Beispielen erfolgter Restitutionen in Dresden dar.

Ein Beispiel ist die jüdische Familie von Klemperer, die viele Meißner Porzellane aus dem 18. Jahrhundert besaß und bei ihrer Flucht 1938 zurückließ. Nachdem sie diese 51 Jahre später zurückbekamen, gingen die Meisterstücke durch eine Schenkung in den Museumsbesitz über. Auch wenn es in Dresden noch weitere bemerkenswerte Resultate in der Provenienzforschung zu verbuchen gibt, sind die Erträge im Allgemeinen doch eher spärlich. Sowohl Steffen Reiche (MdB, Berlin) als auch die folgenden Tagungsteilnehmer plädierten dafür, dass auf europaweiter Ebene nach Lösungen gesucht werden muss. Dass „diesen Lösungen, die fair und gerecht sein sollen, ein faires und gerechtes Verfahren vorangehen sollte, welches sich vor allem durch Transparenz und Öffentlichkeit auszeichnen und auf gleicher Augenhöhe mit den Betroffenen geführt werden soll“, betonte Georg Heuberger (Leitender Museumsdirektor; Representative in Germany, Jewish Claims Conference) nachdrücklich. Bénédicte Savoy, Professorin für Kunstgeschichte an der TU Berlin, die unter dem Arbeitstitel „An Bildern schleppt ihr hin und her…“ [Goethe] Restitutionen und Emotionen in historischer Perspektive beleuchtete, stellte die lange Dauer des Gedächtnisses heraus, welches erst Ruhe gibt, wenn eine faire Lösung gefunden ist.

Gastautorin: Katrin Sommer

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