Brauchen wir eine neue deutsche Meistererzählung? - Perspektiven aus der frühen Neuzeit

Prof. Dr. Johannes Burkhardt. Foto: cp

Der Raum 103 im Hörsaalzentrum der TU Dresden war mehr als gut besucht als die Vorträge zum obigen Thema heute morgen um 9.15 Uhr begannen.
Unter Leitung von Johannes Burkhardt (Augsburg) ging es um die deutsche Geschichtsdarstellung bzw. Deutung derer im Verlauf. Als “Meistererzählung” wird allgemein in der Geschichtswissenschaft eben diese Deutung bezeichnet, die leitend wird, für eine bestimmte Epoche oder den gesamten in ihr vereinigten Zeitraum.
Wie Johannes Burkhardt einleitend äußerte, gäbe es unlängst eine Vielzahl von Erzählungen über die “Geschichte der Deutschen”. Eben diese Geschichte der Deutschen, wie sie zum Beispiel im großen Magazin Stern veröffentlicht und dargestellt wurde sei laut Burkhardt jedoch gerade zu eine “grotesk gewordene Meistererzählung”.
Aus diesem Grund gilt es für Burkhardt und die fünf Mitreferenten Georg Schmidt (Jena, München), Dietmar Schiersner (Weingarten), Gabriele Haug-Moritz (Graz), Regina Dauser (Augsburg) und Jürgen Overhoff (Potsdam, Hamburg) nicht um eine Analyse der vergangenen, verfehlten Meistererzählungen, sondern um die Erkundung der - mit dem aktuellen Wissensstand verfügbaren -  Möglichkeiten einer Darstellung des Weges der deutschen Geschichte.
Die Kernfrage des Vortrages ließ sich zusammenfassen in der Frage ob man eine neue deutsche Meistererzählung brauche und welche Ansätze bzw. durch welche Herangehensweisen man dazu beitragen könne.

Für Georg Schmidt beispielsweise ging und geht es darum eine Art Brücke zu schlagen gar vom Mittelalter hin zur Gegenwart, ohne dabei das oftmals ausgeklammerte Thema des Nationalsozialismus außen vor zu lassen, schließlich handele es sich bei der “Geschichte der Deutschen” - um den Stern Titel nochmals aufzugreifen - um eine “nicht uniform zu erzählende Geschichte der Ungleichheiten”, so Schmidt in seinem Vortrag “Das ungleiche Nebeneinander und die Einheit des historischen Erzählens”.
Dietmar Schiersner machte in seinem Vortrag zu “Mesogeschichte. Modellerzählung zwischen Region und Reich” darauf aufmerksam, dass man auch aus einer Betrachtung von regionalen Vernetzungen und Zusammenhängen diese Ergebnisse auf höhere Ebenen bzw. das gesamte Reich beziehen könne. Angemerkt werden sollte hier jedoch, dass es sich hierbei folglich um Erklärungs- und Verständnisansätze handele, nicht jedoch um eine genaue Projektion der regionalen Erkenntnisse auf das gesamte Ganze.

Der anschließende Vortrag von Gabriele Haug-Moritz (”Vom Corpus Evangelicorum zum deutschen Föderalismus”) verfolgte das Ziel Föderalismus bzw. föderative Strukturen näher zu betrachten. Erst der Föderalismus sei es nämlich, der, so Haug-Moritz, es erlaube die deutsche Geschichte in eine Europäische einzugliedern.
Regina Dauser beschäftigte sich in ihrem Vortrag - “In Europa angekommen: Das Theresianische Österreich, das ausgeliehene Kaisertum und die Signaturen der Macht” - so gleich mit der Frage in wie weit das Jahr 1740 für eine neue deutsche Meistererzählung Zäsurcharakter habe. Die Politik Maria Theresias versuchte nämlich, so Dauser, ihren Einfluss nicht nur auf deutscher, kaiserlicher Ebene, sondern vielmehr auf europäischer Ebene geltend zu machen.

Im letzten Vortrag mit dem Titel “Die Vereinigten Staaten - Gegenentwurf oder Fortsetzung des föderalen Reiches mit anderen Mitteln” von Jürgen Overhoff ging es schlußendlich um die Gegenüberstellung der deutschen Föderalismusansätze mit dem unter dem Motto “e pluribus unum” zu sehenden Föderalismus der Vereinigten Staaten von Amerika.

Vor der regen Schlussdiskussion setzte Burkhardt seinen einleitend beginnenden Vortrag “Nicht nur Ungleichheiten. Das Reich deutscher Nation und die Bundesrepublik Deutschland” fort und wies unter anderem auf aktuelle Forschungsstände verschiedenster Wissenschaftler hin und griff den am Morgen angesetzten Gedanken - die Frage welche Herangehensweisen man für eine Schreibung einer neuen deutschen Meistererzählung finden könne - wieder auf.
Es gilt also aus gegenwärtiger Perspektive, so Burkhardt, mit den aktuellsten Ständen der Wissenschaft einen gemeinsamen roten Faden zu finden, an dem entlang man erzählen könne. Klar sei für Burkhardt dieser Faden letztendlich, unter Betrachtung aller Aspekte, jedoch der Föderalismus.

Eine große Abschlussdiskussion griff nochmals alle Grundgedanken der vorgestellten Thesen auf und ließ genug Raum für durchaus abweichende, kritische Meinungen aus dem Plenum.

Die Stimmung unter den Zuhörern war dank der zeitlich sehr gut gehaltenen Vorträge und der Möglichkeit zu Rückfragen und Meinungsaustausch mit dem jeweiligen Referenten sehr gut und lud zu kurzweiligen Diskussionen ein.

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