From Villager to Vali. Local Patrons of Two Foreign Schools for Girls in Late Ottoman Beirut

JULIA HAUSER (Göttingen)

Abstract:

Die wachsende Forschung zu „cultural brokers“ im osmanischen Reich nimmt zumeist bestimmte soziale Gruppen in den Blick: wohlhabende jüdische oder christliche Familien aus Handel und Wirtschaft, die über enge Verbindungen zu europäischen Konsulaten und den Status der Extraterritorialität verfügten. Zweifellos waren diese Personen von entscheidender Bedeutung, weshalb eine Untersuchung ihrer Rolle für ausgewogenere Perspektiven auf das späte Osmanische Reich als vermeintlich semikolonialem Raum unabdingbar ist. Zusätzlich sind Quellen zu ihren Aktivitäten, wenngleich oftmals nur mit Mühe zu finden, immerhin in einem gewissen Ausmaß vorhanden.
Dennoch, so soll in diesem Vortrag auf Grundlage von Quellen aus dem Umkreis eines deutschen protestantischen Schulkomplexes im spätosmanischen Beirut gezeigt werden, kamen Vermittler in kulturellen Begegnungen auf dem Gebiet des osmanischen Reichs nicht ausschließlich aus diesen Kreisen. Im Gegenteil erfordert die Analyse bestimmter Begegnungen einen breiteren Fokus, um die bedeutsamen Beiträge von Personen anderen sozialen, geschlechtlichen oder religiösen Profils nicht zu übersehen.
Diese breitere Perspektive ist keineswegs unproblematisch. Viele „cultural brokers”, zumal Personen von niederem sozialen Status, hinterließen kaum Spuren in den Quellen. Material ausländischer Organisationen hingegen eröffnet häufig nur Momentaufnahmen auf kulturelle Vermittlung. Darüber hinaus tendiert es dazu, die lokale Verwurzelung dieser Akteure auszublenden, ihre vermeintlichen Loyalitäten zu ausländischen “Mächten” hingegen im Übermaß zu betonen, insgesamt also ihre Identität weit weniger ambivalent darzustellen, als sie es in der Praxis gewesen sein mag. Schließlich ist die oft fragmentierte Archivlandschaft vor Ort für Historiker, die sich dem Thema aus der Perspektive der europäischen Geschichte nähern, eine Herausforderung.
Trotzdem können mikrohistorische Analysen dieser Art Forschungen zu kulturellen Begegnungen und „cultural brokers” im Osmanischen Reich neue Perspektiven eröffnen. Zum einen zeigt sich auf diese Weise, dass auch Individuen, die nicht aus vermögenden christlichen oder jüdischen Familien stammten, als Kulturvermittler agierten, und dass Kulturvermittlung vielfältigere Formen annehmen konnte als bislang beachtet. Zum anderen wird an einigen besprochenen Fällen auch deutlich, dass das Konzept der Hybridität einer Ausdifferenzierung bedarf, da sich die Strategien mancher Akteure eher im Sinne situativer Positionierung als beständiger pluraler Loyalitäten fassen lassen.

English Version:

Emerging research on cultural brokers in the Ottoman Empire often focuses on certain social groups: wealthy Jewish or Christian families with a business background, close connections to European consulates, and extraterritorial status. These individuals were doubtlessly of central importance, which makes examining their role a necessity for arriving at a more balanced perspective on the late Ottoman Empire and its alleged semi-colonial status. Moreover, sources on their activities, although difficult to retrieve, are available to a certain extent.
Nevertheless, or so will be argued in this paper by drawing on sources related to a German Protestant school compound in late Ottoman Beirut, they are not the only intermediaries worth considering in analyses of cultural encounters between locals and foreigners in the Ottoman Empire. Indeed, examinations of specific encounters seem to call for a broadening of focus in order not to overlook the significant contributions of individuals with a different social, gendered or religious profile.
To be sure, this wider perspective is not without problems. Many intermediaries, at least those of lower social status, left scanty traces in historical record. Sources from the orbit of foreign organizations offer mere glimpses at cultural brokerage in many cases. Moreover, they tend to downplay brokers’ rootedness in local society while overemphasizing their alleged foreign allegiances, thus rendering their identity less ambiguous than it may have been in practice.
On the other hand, microhistorical analysis of this kind offers some insights to research on cultural encounters and cultural brokerage in the late Ottoman Empire more generally. First, it may direct scholars’ awareness to cases in which individuals other than affluent Christians and Jews acted as cultural intermediaries. In relation to this, it widens our understanding of the ways in which cultural brokerage could take place. Finally, in line with other papers in this panel, it helps to develop a differentiated perspective on the concept of hybridity. At least in some cases, actors’ strategies over time appear in terms of situative positioning rather than ongoing and simultaneous allegiances.