Frank Rexroth (Sektionsleitung)

Wissenschaftliche Zeitschriften in der Krise?

Abstract

Periodika sind mit zentralen Aufgaben der Selbstorganisation wissenschaftlicher Disziplinen betraut. Früher und breitenwirksamer als Monographien kommunizieren ihre Beiträge gegenwärtige Trends und Paradigmenwechsel. Kontroversen und Debatten zeichnen sich plastischer ab als in der langsameren Abfolge von Büchern, die aufeinander Bezug nehmen. Rezensionen heizen die Reflexion darüber an, welche neuen Erkenntnisse akzeptabel sind und welche nicht. Zeitschriften kommunizieren spezialisiertes Fachwissen an ganze Fächer und Disziplinen, ja möglicherweise symbolisieren sie deren Identität. Bezeichnenderweise honorieren Wissenschaftskulturen, die sich zentralisierten ‚Assessment‘-Systemen überantwortet haben, die Publikation von Zeitschriftenaufsätzen stärker als diejenigen in Tagungs- und anderen Sammelbänden: Sie sprechen ihnen eine höhere Reichweite und eine gründlichere Qualitätskontrolle zu als anderen Publikationsformen. Damit tragen sie der Zentralfunktion Rechnung, die Periodika für die Steuerung der Wissenschaft besitzen können. Verschiedene Faktoren haben diese Dynamiken während der letzten Jah,re verändert. Online zu publizieren, verspricht noch schnellere Resonanz. Der Aufwuchs an zu besprechenden Publikationen macht es für die HerausgeberInnen von Zeitschriften immer schwieriger, eine genügende Menge von rezensions-willigen Beiträgern zu rekrutieren. Und mit der Ausweitung des Tagungsbetriebs und der daraus folgenden Verpflichtung auf die Textproduktion für Sammelbände hat sich neben den Zeitschriften ein starker Konkurrent (mit geringeren Ansprüchen an die Qualitätskontrolle des Publizierten) etabliert. Gleichzeitig drücken die zunehmend ‚digitale‘ Kommunikation in den Wissenschaften sowie schrumpfende Bibliotheksetats auf die Zahl der Subskriptionen und mindert die Lukrativität der Zeitschriften für die Verlage; zumindest aber legt sie nahe, diese in einer medial veränderten Welt anders zu präsentieren. Die hier vorgeschlagene Podiumsdiskussion soll die Herausforderungen thematisieren, die mit diesen Veränderungen einhergehen. Es soll dabei ebenso sehr um eine Standortbestimmung gehen wie um mögliche Strategien für die Zukunft. Verschiedene Perspektiven werden auf dem Podium repräsentiert sein: die der Wissenschaftssoziologie, die von HerausgeberInnen sowie die der Verlage.

Rudolf Stichweh (Bonn)
Martin Rethmeier (München)
Jan-Hendryk de Boer (Duisburg-Essen)
Barbara Stollberg-Rilinger (Berlin)
Julia Hillner (Sheffield)