Henning Türk Pia Nordblom (Sektionsleitung)

Vom Hambacher Fest 1832 bis zum rechtskonservativen „Neuen Hambacher Fest“ 2018/19 – Deutungskämpfe um einen demokratiegeschichtlichen Erinnerungsort

Abstract

„Alle Geschichte ist eine Geschichte von Kämpfen um die Deutung von Geschichte. […] Wer über historische Deutungsmacht verfügt, übt mittelbar auch politischen Einfluss aus“ (Heinrich August Winkler). Diesen Kampf um die Deutungsmacht veranschaulicht die Sektion am Beispiel des Hambacher Fests von 1832, das als Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte angesehen wird. Besonders deutlich wird diese Umdeutung der Geschichte beim sogenannten „Neuen Hambacher Fest“ 2018/19, bei dem die rechtskonservativen Organisatoren versuchten, sich in eine vermeintliche Traditionslinie von 1832 bis in die Gegenwart zu stellen. Die historische Forschung hat die bisherigen Deutungskämpfe um das Hambacher Fest vor allem im Hinblick auf die Jubiläumsfeierlichkeiten untersucht. Dagegen möchte die Sektion bisher von der Forschung vernachlässigte Aspekte in den Vordergrund rücken und auf diese Weise einen neuen, innovativen Blick auf die Deutungskämpfe um das Hambacher Fest werfen. Die vier Beiträge nehmen daher das Hambacher Schloss als Ort der Deutungskämpfe in den Blick, widmen sich den materiellen Aspekten der Hambach-Erinnerung und untersuchen die Vermittlung des Hambacher Fests in Schulbüchern. Wie wurde das Hambacher Fests jenseits von Festschriften und Jubiläen im kollektiven Gedächtnis verankert? Wie wurde in der Vergangenheit und wie wird in der Gegenwart das Hambacher Fest an die Bevölkerung vermittelt? Auf diese Weise sollen die aktuellen Versuche, über das „Neue Hambacher Fest“ die Sichtweise auf die größte politische Kundgebung des Vormärz erneut umzuschreiben, historisch eingeordnet werden.

Henning Türk (Potsdam/Bonn)
Die Schenkung des Hambacher Schlosses an die Wittelsbacher 1842: Eine konservative Überschreibung des Hambacher Fests?

In diesem Vortrag steht der Ort des Festes, das Hambacher Schloss selbst, im Mittelpunkt. Hinterfragt werden soll die ungewöhnliche Schenkung des Schlosses durch Pfälzer Bürger an den bayerischen Kronprinzen Max 1842. Dieser erhielt das Schloss als Hochzeitsgeschenk, das seitdem als Maxburg firmierte. Sollte mit dieser Geste der Loyalität zum bayerischen Herrscherhaus die Erinnerung an das Hambacher Fest von konservativer Seite überschrieben werden? Wie wurde diese Demutsgeste der Pfälzer gegenüber den Wittelsbachern zeitgenössisch wahrgenommen? Und welche Auswirkungen hatte die Schenkung für die weitere Erinnerung an das Hambacher Fest?

Pia Nordblom (Mainz)
Das Hambacher Fest und die Sprache der (Alltags)Künste

Der Beitrag nimmt in den Blick, auf welche Weise mit künstlerischen Mitteln an das Hambacher Fest erinnert wurde. In ausgewählten Sichtachsen sollen Aneignungsformen der Künste bei der Vermittlung und Deutung des Hambacher Fests untersucht werden. Dabei reicht die Palette von zeitgenössischen bis zu gegenwärtigen Deutungsnarrativen.

Meike Hensel-Grobe (Mainz)
Phantasten, Rädelsführer, Vordenker – Repräsentationen des Hambacher Festes und seiner Akteure in Schulgeschichtsbüchern

Schulgeschichtsbücher beanspruchen, wie u.a. Simone Lässig aufgezeigt hat, staatlich approbiertes und gesellschaftlich legitimiertes Wissen zu erfassen und an eine jüngere Generation zu vermitteln. Sie repräsentieren damit einen auf Aushandlungsprozessen beruhenden Deutungskonsens, zumindest der Bildungseliten, und kommunizieren gesellschaftliche Wahrnehmungsmuster und Geschichtsbilder. Wolfgang Jacobmeyer beispielsweise charakterisierte Schulgeschichtsbücher als „nationale Autobiographien“. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche Deutungsmuster von Nation und gesellschaftlicher Identität in den Erzählungen zum Hambacher Fest in deutschen Lehrwerken aus dem 19.-21. Jahrhundert repräsentiert sind.

Wilhelm Kreutz (Mannheim)
Das Neue Hambacher Fest und die Deutungen durch den Rechtskonservatismus

Der Beitrag behandelt aktuelle Versuche, die Erinnerung an das Hambacher Fest umzudeuten. Er nimmt dazu das von rechtskonservativen Kreisen organisierte „Neue Hambacher Fest“ in den Blick. Auf welche Weise versuchten die Initiatoren, sich in eine Kontinuität zum Hambacher Fest von 1832 zu stellen? Welche performativen Formen, wie etwa den Zug mit deutschen Fahnen zum Hambacher Schloss, übernahm das „Neue Hambacher Fest“? Welchen Bezug nahmen die Reden und die mittlerweile veröffentlichte Festschrift auf 1832?

Ewald Grothe (Gummersbach/Wuppertal)
Kommentar und Moderation