Sophie Kühnlenz Johanna Strunge Cornelia Chmiel (Sektionsleitung)

Kontroverse Institutionen. Deutungskämpfe in und um Museen

Abstract

Museen verfügen seit jeher über eine breite gesellschaftliche Relevanz – von ihren bürgerlichen Wurzeln im 19. Jahrhundert bis heute. Angesichts von Publikumsrekorden historischer Dauer- und Wanderausstellungen und der Gründung zahlreicher neuer Museen – sowohl durch Initiativen „von unten“ (Geschichtswerkstätten, Gedenkstätten) als auch „von oben“ (private Kunstmuseen, historische Nationalmuseen) – scheinen Museen in den letzten Jahren weiter an Popularität gewonnen zu haben. Nicht zuletzt durch die Kontroversen um das sogenannte ‚Humboldt-Forum‘ – vor allem nach dem Rücktritt Bénédicte Savoys aus dem Expert*innenbeirat im Sommer 2017 – wird aber auch deutlich, dass Museen umstrittene Orte sind. Deutungskämpfe, Auseinandersetzungen über den Gebrauch „alter“ Objekte für neue Erzählungen, konkurrierende Narrative über die Vergangenheit in Bezug auf Identität und kollektive Erinnerung zeigen, dass Museen nicht zuletzt gesellschaftliche Räume sind, in denen Machtverhältnisse (re-)produziert und (historisch) legitimiert werden. Dieses Panel untersucht die Umstände, unter denen Museen zu Stätten von Kontroversen werden. Es analysiert Museen als Orte, an denen Darstellungen, Erzählungen und Interpretationen herausgefordert, in Frage gestellt und in neuem Licht betrachtet werden. Die Kritiken gehen dabei weit über die aktuellen Debatten um Ethnologische Museen hinaus. Welche Diskurse blieben konstant, welche lösten gesellschaftliche Debatten und Veränderungen aus? Wer sind die Kritiker*innen? Unter welchen Umständen greifen sie ein, intervenieren oder besetzen den musealen Raum? Letztlich sollen unsere Beiträge auch Gelegenheit bieten, über die Zukunft von Museen zu diskutieren. Können (westliche) Museen zu Orten des Austauschs, der Verhandlungen und des Miteinanders werden, wo gesellschaftliche Machtverhältnisse kritisch reflektiert und verändert anstatt reproduziert werden? Oder ist (und sollte) die Zukunft des Museums immer eine umstrittene (sein)?

Johanna Strunge (Göttingen)
Musealisierte Kolonialwarenläden in der Kritik

Einige Kolonialwarenläden sind im Verlauf der letzten 100 Jahre musealisiert worden. Bis heute sind sie in unterschiedlichen Museen zu sehen – Schifffahrts-, Stadt(teil)-, Freilicht- und Industriemuseen. Durch den Kauf und Konsum überseeischer Waren partizipierten viele Deutsche im Kaiserreich zumindest indirekt am kolonialen Unterfangen. In den Präsentationsweisen der Läden wird jedoch nur selten der Begriff des „Kolonialen“ erklärt. Bis vor Kurzem! Das Schifffahrtsmuseum Flensburg zeigt seinen Laden in einer Ausstellung zu Zucker, Rum und Sklaverei. Das Museum der Arbeit präsentiert die Installation „Kein Kolonialwarenladen“ und bricht gar visuell mit dem kolonialen Pathos ferner Länder im heimischen Laden. Der Beitrag untersucht diese Veränderungen und fragt: Welche Zeigepraktiken geraten wann in Kritik und welche nicht? Und wer sind hier die Kritiker*innen?

Sophie Kühnlenz (Köln)
Hausfrauentechnik. Wie Gender ins Museum kam

In Industrie- und Technikmuseen manifestieren sich gegenderte Annahmen darüber, was sammlungs- und ausstellungswürdig ist: Erfinderinnen als Ausnahme von der (männlichen) Regel, reproduktive Arbeit als irrelevanter Nebenschauplatz industriellen Fortschritts. Seit einigen Jahren finden aber auch vermehrt gendersensible Fragen im Kontext einer Kulturgeschichte von Mensch und Technik Eingang in die museale Praxis. Das Technische Museum Wien sammelt Haushaltstechnik mitsamt Nutzungsgeschichte. Der AK Frauen im Hamburger Museum der Arbeit kämpfte schon in den 1990er Jahren für reproduktive Haus- und Sorgearbeit als gleichberechtigtes Thema. Der Beitrag beleuchtet exemplarisch, wie interne Kritik den musealen Technik- und Arbeitsbegriff verändert und zur Reflexion von Gender Gaps & Bias in Sammlung und Ausstellung herausfordert.

Daniela Döring (Göttingen)
Kritik von innen. (Selbst-)Reflexion und Transformation des Museums?

Aus den jahrzehntelangen Debatten um das Museum als umkämpfter Ort der Repräsentation sind zahlreiche Forderungen hervorgegangen: statt universaler, allgemeingültiger Erzählungen soll es darum gehen, das Museum als offenen, transparenten Ort der Verhandlungen, Kontroversen und Deutungsvielfalt zu etablieren. Wie eine Antwort darauf erscheint die gegenwärtig zunehmende Popularität von selbstreflexiven und -kritischen Ausstellungen, die einen Blick hinter die Kulissen der Institution auf die eigene Museumsarbeit ermöglichen. Was passiert, wenn die Kritik von außen in die Institution selbst wandert und wie dabei Reflexivität verstanden und gestaltet wird, untersucht der Beitrag exemplarisch.

Moderation
Christine Gundermann (Köln)