Winfried Süß Martin Sabrow (Sektionsleitung)

Klio vor dem Kadi. Geschichtsschreibung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht

Abstract

Das Panel thematisiert einen Konflikt zwischen historischer und juristischer Anschauungswelt, der sich nicht abstrakt lösen lässt, sondern nur über einzelne Fallbeispiele ausgetragen werden kann und dafür entsprechenden Entfaltungsraum braucht.
Ausgehend von einer juristischen Beleuchtung der spannungsreichen Beziehung wissenschaftlicher Autonomie und rechtlichen Entfaltungsgrenzen sucht die vorgeschlagene Sektion in einem Roundtable-Gespräch die rechtlichen Untiefen der öffentlichen Auseinandersetzung mit historischen Fragen auszuloten. Anders als in dem fachlich wie medial aufmerksam begleiteten Fall David Irving geht es in der vorgeschlagenen Sektion nicht um die gerichtliche Feststellung historischer Faktenfälschung und auch nicht um die Differenz von gerichtlicher Wahrheitsfindung und historischer Erkenntnisbildung um den Vergleich unterschiedlicher disziplinärer Eigenlogiken. Vielmehr soll der fachliche und öffentliche Blick auf einen Modus zeithistorischer Deutungskämpfe gelenkt werden, der – so die dem Panel zugrunde liegende Annahme – in unserer Zeit zunehmende Verbreitung erfährt und in seinen geschichtskulturellen Folgen von nicht zu überschätzendem Problemgehalt ist: die Nutzung des Rechts bei der Abwehr historischer Wissens- und Urteilsverbreitung.
Die Sektion im Schnittfeld von Zeitgeschichte und Public History greift damit zentrale Fragestellungen des 53. Historikertags auf. Sie sucht am Beispiel des Konflikts von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht für das sich immer drängender stellende Problem der rechtlichen Auseinandersetzung um fachliche Äußerungen zu sensibilisieren und die Legitimitätsansprüche der beiden aufeinanderstoßenden Institutionsordnungen von Recht und Wissenschaft gegeneinander abzuwägen. Der geplante Ablauf sieht nach einer Einführung aus unterschiedlicher Perspektive durch einschlägig befasste Juristen die Diskussion und Systematisierung einzelner Fallbeispiele aus der fachwissenschaftlichen Praxis vor.

Martin Sabrow (Berlin/Potsdam)
Moderation
Wolfgang Schulz  (Hamburg) Marcellus Puhlemann (Berlin)
1. Äußerungsrecht und Geschichtsschreibung in juristischer Perspektive
Rüdiger Hohls (Berlin) Volkhard Knigge (Buchenwald) Stephan Malinowski (Edinburgh) Winfried Süß (Potsdam)
2. Fallbeispiele

2.1 Rezensionskritik auf dem Rechtsweg. Das Beispiel H-Soz-und-Kult (R. Hohls);

2.2 Ein Mythos vor Gericht: Stefan Jerzy Zweig, das „Kind von Buchenwald“ (V. Knigge);

2.3 Die Hohenzollern und der Nationalsozialismus. Erfahrungen eines Gutachters (S. Malinowski);

2.4 Der Streit um das Preußenerbe (W. Süß)