Stefan Rinke Birgit Aschmann Robert Kindler (Sektionsleitung)

Diktaturdeutungen: Zum Umgang mit der jüngsten Vergangenheit in Europa und Lateinamerikas seit 1990

Stefan Rinke (Berlin)
Einleitung und Zusammenfassung
Birgit Aschmann (Berlin)
Vom Absturz eines Vorbilds. Spaniens Transitionsdebatten zwischen Populismus und Separatismus

Lange Zeit galt Spaniens Transition als mustergültiger Übergang zur Demokratie, der für die Diktaturbewältigung anderer Staaten als Vorbild gehandelt wurde. In der jüngeren Zeit hat sich dieses Bild signifikant verändert: Verstärkt werden Defizite hervorgehoben und eine „neue Transition“ eingefordert. Mit einem kritischen Blick auf die Vergangenheit werden zugleich vermeintlich demokratische Mängel der Gegenwart angegriffen. Der Vortrag fragt danach, inwieweit die historiographische Entwicklung und das öffentliche Bild dabei einerseits von populistischen Bewegungen und andererseits vom (vor allem katalanischen) Separatismus beeinflusst wurden oder etwa von gesamteuropäischen Prozessen und globalen Transfers geprägt waren.

Stefan Rinke (Berlin)
Der Kampf um Begriffe: Diktaturverarbeitung in der chilenischen Öffentlichkeit seit 1990

Die Aufarbeitung der Pinochet-Diktatur nach der Rückkehr zur Demokratie 1990 gestaltete sich von Beginn an schwierig, zumal der Ex-Diktator noch mehr als ein Jahrzehnt einen dunklen Schatten auf die chilenische Entwicklung warf. Doch auch heute noch ist das Erbe der Diktatur ein Anlass für die neu aufgeflammten Proteste. Der Vortrag wird nach der umstrittenen Balance zwischen Sühne und Versöhnung im öffentlichen Diskurs des Landes fragen und insbesondere den Diktaturbegriff in den Geschichtsnarrativen in den Blick nehmen.

Robert Kindler (Berlin)
Der Terror der Anderen. Stalinismuskontroversen im postsowjetischen Raum

Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991 wurde die Auseinandersetzung mit dem Stalinismus „nationalisiert“. In den neu- bzw. wiederentstandenen Staaten mussten je eigene geschichtspolitische Antworten auf die Frage gefunden werden, wer Täter und Opfer der Diktatur gewesen waren und wie künftig mit ihrem Erbe umzugehen sei. Die offiziellen Narrative unterschieden sich erheblich voneinander. Sie reichten von radikal antikommunistischen Positionen bis hin zu Interpretationen des Stalinismus als Phase starker Staatlichkeit. Doch unabhängig davon, ob sie den Terror ablehnten oder als notwendiges Übel akzeptierten, in einem Punkt waren sich praktisch alle Protagonisten einig: Der Terror war stets der Terror der Anderen; die Verantwortlichen für Gewalt und Schrecken kamen von außen. Deshalb waren und sind die – oft außerordentlich kontrovers geführten – postsowjetischen Debatten über den Stalinismus stets transnationale Auseinandersetzungen. Sie berühren die Verhältnisse der Staaten untereinander, vor allem aber haben sie erhebliche Auswirkungen auf die jeweiligen Beziehungen zu Russland. Der Vortrag fragt anhand exemplarisch ausgewählter Debatten in der Ukraine, Russland und Kasachstan danach, wie sich Diktaturdeutungen in den vergangenen drei Jahrzehnten veränderten und wie sie die postsowjetische Transformationsgeschichte beeinflussten.