Richard Pohle Christian Wendt (Sektionsleitung)

Aus Niederlagen lernen? Deutungskämpfe um die Antike nach 1918

Abstract

Im Mittelpunkt der Deutungskämpfe, die nach dem ersten Weltkrieg um die griechische Antike und ihre Bedeutung für die Gegenwart geführt wurden, standen mit Platon und Thukydides zwei Autoren, deren Denken selbst unmittelbar mit der Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg 404 v. Chr. verknüpft war. Die Sektion will diese nach 1918 von vielen Historikern und Philologen gesuchte Parallelität aufgreifen und nach dem hieraus entwickelten „Niederlagendenken“ in Deutschland und Frankreich fragen: Wie wurde jene Niederlage erinnert, welche Narrative verbanden hier Antike und Gegenwart und wie sollte deren Orientierungsleistung in den Feldern von Wissenschaft, Schule und Politik aussehen? Welche Rolle spielten Thukydides und Platon dabei in der „Historie der Besiegten“ wie in der der „Sieger“, und welche Impulse (methodisch, forschungsleitend, politisch) gingen von diesen Deutungskämpfen aus? Rezeptions- und historiographiegeschichtliche Fragen dieser Art, die in den fach- und epochenspezifischen Kontexten oft zu wenig Raum finden, will die Sektion übergreifend und doch am konkreten Beispiel diskutieren. Dabei soll zunächst anhand der Deutungskämpfe um Platon in das Thema eingeführt werden und einige der politischen und pädagogischen Dimensionen der Platon- Rezeption skizziert sowie auf die methodischen Verschiebungen hin befragt werden. Im zweiten und dritten Vortrag wird sodann dem Topos „Thukydides und wir“ (Pohlenz) nachgegangen und aus deutscher und französischer Perspektive nach dessen Bedeutung für das Verständnis und Selbstverständnis der jeweiligen Nachkriegsgesellschaft gefragt. Im abschließenden historiographiegeschichtlichen Beitrag sollen schließlich am Beispiel zweier prominenter Althistoriker (E. Meyer, E. Schwartz) sowie an Max Weber die Grenzen und Möglichkeiten der Antike-Rezeption im und nach dem Krieg diskutiert werden.

Richard Pohle (Halle an der Saale)
Platon und der Krieg. Bedingungen und Dimensionen der Antike-Rezeption nach 1918
Oliver Schelske (München)
Die Niederlage ahnen, mit ihr umgehen. Friedrich Meinecke, Ernst Troeltsch und Eduard Schwartz. Drei Perspektiven auf 1918
Christian Wendt (Bochum)
La campagne avec Thucydide – der Weltkrieg als Antikeerfahrung bei Albert Thibaudet
Marian Nebelin (Chemnitz)
Antikerezeption im Niederlagendiskurs. Deutsche Altertumswissenschaftler und die Bewältigung des Ersten Weltkriegs in der Zwischenkriegszeit