Grußwort des Niederländischen Botschafters Wepke Kingma

 

Es freut mich, dass die Niederlande gerade bei einem Historikertag in Münster als Partnerland anwesend ist. In dieser Stadt ist im Jahre 1648 unsere Unabhängigkeit besiegelt worden und hier findet man das Zentrum für Niederlande-Studien. Darüber hinaus hat das Motto dieses Jahres „Gespaltene Gesellschaften“ eine wichtige Bedeutung im niederländischen Kontext.

Ich meine damit nicht die in fast allen Gesellschaften zu beobachtende Schere zwischen Reich und Arm, oder zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, sondern die „Versäulung“. Die Versäulung beschreibt eine Entwicklung, die die niederländische Gesellschaft für einen Großteil des 20. Jahrhunderts stark geprägt hat. Sozialwissenschaftler sind der Meinung, dass die Versäulung eine wichtige Rolle bei der Emanzipation der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gespielt hat.

Diese Periode liegt aufgrund von Entwicklungen wie Individualisierung, Säkularisärung und Immigration jetzt hinter uns. In Zeiten von Globalisierung und Migrationsbewegungen verlangen nun andere gefühlte Bruchlinien unsere Aufmerksamkeit, wie es der britische Soziologe David Goodhart in seinem Buch „The Road to Somewhere“ schreibt.

Wie können wir vermeiden, dass große Gruppen von Bürgern sich von der Politik und dem gesellschaftlichen Diskurs abwenden, da sie sich nicht in den gewählten Volksvertretern oder Medien meinen wiederzuerkennen, die durch ihre Ausbildung, Sprachkompetenzen und Tätigkeitsfelder „anywhere“ funktionieren können?

Diese neue politische Realität ist vielerorts schon spürbar und stellt unsere Demokratien vor neue Herausforderungen. Ich bin davon überzeugt, dass ein korrekte historische Perspektive dabei von großem Wert ist. Sie trägt dazu bei, dass ich den Ergebnissen dieser Konferenz erwartungsvoll entgegen blicke.

Wepke Kingma