Grußwort des Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Armin Laschet

 

Nordrhein-Westfalen ist jung – und zugleich reich an Geschichte und Geschichten. Der Bogen lässt sich weit spannen: von Aachen als Residenz Karls des Großen und als Krönungsstätte der römisch-deutschen Kaiser und Könige über Münster, der Stadt des Westfälischen Friedens von 1648, weiter über das Ruhrgebiet, dessen Kohle und Stahl die Industrialisierung Deutschlands und das Wirtschafts­wunder erst möglich gemacht haben, bis hin zu Bonn, 50 Jahre lang Regierungs- und Parlamentssitz der deutschen Nachkriegsdemokratie, mit der zumindest die junge Bundesrepublik nach Europa und in die internationale Staaten­gemeinschaft zurückkehrte.

Armin Laschet Historikertag 2018

Wirklich ertragreich für spätere Generationen ist aber weniger die Aufzählung großer Ereignisse, sondern der Blick auf ihre Ursachen, auf die Herausforderungen der damaligen Zeit und auf die Entwicklungen, die unser Leben bis heute prägen. Wir können und wir sollten daraus lernen.

Die Frage, was eine Gesellschaft spaltet, stellt sich im 21. Jahrhundert, im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung, von religiösem Fundamentalismus und nationalistischen Bestrebungen mitten in Europa immer dringender. Wir sind Zeugen großer Veränderungsprozesse, die die Stabilität ganzer Staaten gefährden, weil sich ihre Gesellschaften in Verlierer und Gewinner aufspalten könnten.

Was aber hält eine Gesellschaft zusammen? Gemeinsame Werte? Die gleiche Herkunft? Dieselbe Religions- oder Glaubensgemeinschaft? Gemeinsame kulturelle Wurzeln und Interessen? Ich glaube, es sind vor allem gemeinsame Erfahrungen und das Bewusstsein darüber, was gelungen ist, nicht nur, aber ganz besonders in Krisensituationen und langen Perioden tiefgreifender Veränderungen. Wir in Nordrhein-Westfalen haben intensive Erfahrungen damit. Ich denke da an den Strukturwandel bei Kohle und Stahl mit seinen enormen wirtsc

haftlichen und sozialen Folgen für unser Land. Nach vielen Jahrzehnten kraftvollen Wachstums, aber auch großer Krisen werden in diesem Jahr die letzten beiden Zechen geschlossen. Eines aber werden wir niemals vergessen: Unter Tage ist auch ein besonderer sozialer Zusammenhalt entstanden. Jeder musste sich auf den anderen verlassen können, unabhängig von Religion und Herkunft. Auch deshalb wurden die Krisen im Bergbau mit großen Kraftanstrengungen bewältigt. Die Menschen haben zusammengestanden. Das sollten wir niemals vergessen und auch aus dieser gemeinsamen Geschichte lernen, wenn es darum geht, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stärker zu machen.

Ich freue mich darüber, dass die Niederlande, mit dem uns Nordrhein-Westfalen seit Jahrzehnten eine starke Partnerschaft und echte Freundschaften verbinden, das Partnerland dieses größten geisteswissenschaftlichen Kongresses in Europa ist.

Dem 52. Deutschen Historikertag wünsche ich spannende Vorträge, lebhafte Diskussionen und neue Erkenntnisse.

Armin Laschet