Manuel Köster Holger Thünemann Meik Zülsdorf-Kersting (Sektionsleitung)

Standardisierung oder Pluralisierung? Geschichtsunterricht in der „gespaltenen“ Gesellschaft

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Abstract

Geschichtsunterricht in Deutschland und seinen Nachbarländern ist zunehmend durch Heterogenität und Diversität geprägt. Sowohl Lehrkräfte als auch Lernende sind in vielfältige (geschichts-)kulturelle Kontexte eingebunden, sie verfolgen unterschiedliche Lebensentwürfe und verfügen über heterogene Identitätsbedürfnisse. Geschichte in einer Gesellschaft zu unterrichten, deren integrative Kräfte in jüngster Zeit eher ab- als zuzunehmen scheinen, ist eine Herausforderung, vor der Geschichtsunterricht, Geschichtsdidaktik, Theorie der Geschichte und historische Forschung gemeinsam stehen. Bildungspolitisch verbinden sich mit dieser Entwicklung aber nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen, die bislang jedoch allenfalls eingeschränkt erkannt und genutzt werden. Stattdessen lassen sich zwei Strategien des Umgangs mit zunehmender Vielfalt identifizieren: Indem entweder spezifisches Inhaltswissen in Form eines Kanons festgeschrieben oder bestimmte Kompetenzniveaus als Bildungsstandards definiert werden, wird tendenziell einer gesellschaftlichen Normierung individuellen Geschichtsbewusstseins Vorschub geleistet. Geschichtsdidaktisch werden aus der Heterogenität der Lernenden und Lehrenden erwachsende Potenziale dagegen seit langem immer wieder intensiv diskutiert. Die dabei entwickelten Positionen und Konzepte scheinen jedoch nur sehr bedingt in die schulische Praxis zu wirken. Ein Grund dafür ist in der Tatsache zu vermuten, dass die Spezifika von Unterricht als institutionalisierter Form historischen Lernens in diesen Überlegungen eine nur untergeordnete Rolle spielen. Dieses Spannungsgefüge wird in der Sektion zunächst umrissen und aus der Perspektive einer Theorie des Geschichtsunterrichts erläutert. In einem zweiten Schritt werden die Spannungen und Brüche sowie die geschichtsunterrichtstheoretische Perspektive darauf dann aus der Sicht der Geschichtsdidaktik, der Geschichtstheorie, der historischen Migrationsforschung und des Bildungsjournalismus kommentiert und diskutiert.

Holger Thünemann (Köln)
Einleitung
Meik Zülsdorf-Kersting (Osnabrück)
Heterogenität als Kontingenzfaktor im sozialen System Geschichtsunterricht
Carla van Boxtel (Amsterdam)
Between Standardisation and Pluralisation. History Education in the Netherlands
Jörn Rüsen (Essen)
Zwischen Relativismus und Leitkultur: Perspektivenvielfalt als Herausforderung für Historik und Didaktik
Christoph Rass (Osnabrück)
Schulunterricht und Geschichte in Migrationsgesellschaften. Historische Perspektiven auf Wissensproduktion und Diversität
Armin Himmelrath (Köln)
Gefangen im Nebenfach-Dilemma: Geschichtsunterricht aus bildungsjournalistischer Perspektive