Andreas Rehberg (Sektionsleitung)

Sprach- und ethnische Konflikte in Klöstern nördlich und südlich der Alpen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit

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Abstract

Das Mönch- und Religiosentum war keineswegs immer friedfertig. Bekannterweise wurde oft und heftig über Regelkonformität und Observanz gestritten. Weniger untersucht sind dagegen Probleme der sprachlichen Kommunikation und „national“ gefärbte Spannungen bzw. Vorbehalte in klösterlichen Gemeinschaften. Die drei Beiträge setzen sich zum Ziel, diese Konflikte in Fallbeispielen aus zwei Großräumen zu untersuchen und zu vergleichen, und zwar aus dem Alten Reich (Wien, böhmischer Grenzraum) sowie aus Italien. Dabei wird bewusst der zeitliche Rahmen vom Spätmittelalter zur Früher Neuzeit geschlagen. Dass Sprache und ethnische Abstammung per se nicht trennend wirken mussten, ist im Mönchtum anzunehmen. Dass es im Untersuchungszeitraum trotzdem zu Konflikten kam, hängt gewiss mit den gesteigerten monastischen Migrationsbewegungen und besonderen politischen und kulturellen Gegebenheiten zusammen. Nicht zuletzt die durch die Humanisten aufgeheizte Stimmung und der antirömische Effekt im Laufe des 15. Jahrhunderts dürften den inneren Frieden der multiethnisch zusammengesetzten Gemeinschaften nicht selten auf die Probe gestellt haben. Auch etwaige Irritationen im Zuge der Ausbreitung des Hussitentums und der Reformation und der einsetzenden Gegenreformation sind einzubeziehen. Die Vortragenden aus drei europäischen Ländern konfrontieren unter der Moderation von Gabriela Signori (Konstanz) drei unterschiedliche Formen der Vita regularis, die in je eigener Art auf die virulenten internen Probleme reagierten. Das Panel will eine neue kulturgeschichtliche Sicht auf das Mönch- und Religiosentum eröffnen, bei dem Aspekte wie Alterität, Kulturtransfer und Akkulturation auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. Mögliche Anknüpfungspunkte an die moderne Konfliktforschung sollen einbezogen werden. Manche der zu nennenden Konflikte spitzten sich nach längeren Phasen eines guten Auskommens zu oder konnten zumindest zeitweise wenigstens eingedämmt werden. Zu untersuchen ist, ob in diesen letzteren Fällen nicht auch Hinweise für noch heute aktuelle Lösungskonzepte zu erkennen sind.

Gabriela Signori (Konstanz)
Einführung und Diskussionsleitung
Petr Hlaváček (Prag)
Ein Sprachenkonflikt in der spätmittelalterlichen Franziskanerprovinz „Bohemia“?
Dieser Beitrag geht dem Sprachenkonflikt in der Franziskanerprovinz „Bohemia“ nach, die von dem Italiener Giovanni Capestrano reformiert wurde (1452). Diese neue Einheit der franziskanischen Observanz in Mitteleuropa zeichnete sich durch eine große regionale, nationale und sprachliche Vielfalt ihrer Mitglieder aus. Ursprünglich umfasste es nicht nur die böhmischen Länder, sondern auch Österreich, die Steiermark und die polnisch-litauischen Länder. Die Franziskanische Kommunität setzte sich dementsprechend aus Italienern sowie deutschsprachigen, tschechischen, polnischen und ungarischen Ordensbrüder zusammen. Bald kam es zu ersten Konflikten, die vorgeblich „racione ydeomatis“ oder aus der „nacionum diversitas“ heraus begründet wurden. Der Vortrag analysiert, welche Rolle (in einer Ordensgemeinschaft) die Volkssprachen für die „Nationenbildung“ in Mitteleuropa des Spätmittelalters spielten (Tschechen – Deutsche) und welche Formen der „Landespatriotismus“ (in Schlesien) annahm.
Maximilian Alexander Trofaier (Wien)
Konstruierte Fremdheit. Die Beziehungen der irischen Mönche des Schottenklosters in Wien zu ihrem Umfeld
Hier werden die Beziehungen der irischen Mönche des Schottenklosters in Wien zu ihrem städtischen Umfeld untersucht. Die 1155 gegründete Abtei gehörte zweieinhalb Jahrhunderte hindurch zum Verband der irischen Schottenklöster, welcher durch seine ethnische Geschlossenheit gekennzeichnet war. Vor die Wahl gestellt, entweder auch einheimische Benediktinermönche zu akzeptieren oder aber auf die Abtei zu verzichten, verließen die Iren im Jahr 1418 Wien. Die in der Folge einsetzende Historiographie warf den irischen Mönchen Unvermögen, Fehlverhalten und Charakterdefizite vor – eine Einschätzung, die bis heute nachklingt. Der Vortrag geht der Frage nach, inwieweit die Wiener Iren tatsächlich einen Fremdkörper darstellten, der an seiner Integrationsunwilligkeit und seinem Widerwillen gegen das Miteinander gescheitert sei, und stellt dabei Überlegungen zur Rolle der Schottenmönche im religiösen, wirtschaftlichen und politischen Leben der Stadt und des Landes sowie zu ihren Beziehungen zum Hof, zur städtischen Bevölkerung und zu anderen geistlichen Institutionen an.
Andreas Rehberg (Rom)
Ein Kampf um Subiaco und Farfa. Die Verdrängung der deutschen Mönche aus zwei Klöstern im Hinterland von Rom nach 1500
Der Beitrag geht der Verdrängung der nordalpinen – vor allem aus dem Reich und Frankreich stammenden – Benediktiner aus den Klöstern in Subiaco und Farfa im Hinterland von Rom nach 1500 nach. Auffällig viele Mönche von jenseits der Alpen waren zunächst im Rahmen von Reformbemühungen durch die jeweiligen Kommendataräbte nach Subiaco (aus den führenden Familien Roms) und – ab 1477/79 – auch nach Farfa geholt worden. Untersucht werden die geographische Zusammensetzung der Gemeinschaft, die Einwirkung in das ökonomische und kulturelle Umfeld und die zunehmende Konfrontation mit den Kommendataräbten, die bis zum Appellation an Papst und Kaiser sowie den Reichstag und letztendlich zur Vertreibung der deutschen Mönche 1567 führte. Bei den gegen die deutschen Mönche angeführten, nationalistisch gefärbten Beschuldigungen spielten auch Vorwürfe des exzessiven Lebenswandels (Trunksucht!) und der Verschleuderung des Klosterbesitzes eine Rolle. Die Abtei Farfa wurde der italienisch geprägten Kongregation von Monte Cassino angeschlossen.