Magnus Ressel Kerstin Weiand (Sektionsleitung)

Der Traum von der christlichen Einheit. Kreuzzugsideologie und -pläne als Medium zur Überwindung der Spaltungen des frühneuzeitlichen Europas

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Abstract

Kreuzzüge erscheinen in vielen einschlägigen Darstellungen häufig als etwas „mittelalterliches“, ein Phänomen, das im späten 14. Jahrhundert an sein eher unrühmliches Ende kam. Die österreichischen und venezianischen Türkenkriege der folgenden Jahrhunderte werden üblicherweise nicht als Kreuzzüge bezeichnet, zu sehr fehlt ihnen die gesamteuropäische Unterstützung und zu klar scheint die politische Dimension der Konflikte. Eine solche Betrachtungsweise unterschätzt jedoch die mannigfaltige Lebhaftigkeit und Bedeutung des Kreuzzugsgedankens auch in der Frühen Neuzeit. In den letzten Jahren ist eine bedeutende Forschung zu Kreuzzügen im 15. und 16. Jahrhundert entstanden, die die herkömmliche Einschätzung der Kreuzzugsbewegung als ein Phänomen des Mittelalters dekonstruieren konnte. Aus der Perspektive der Frühen Neuzeit zeigt sich dabei eine markante Popularität des Kreuzzugsgedankens bis ins frühe 18. Jahrhundert. Es mag sogar sein, dass sich der Kreuzzugsgedanke in den ersten Jahrhunderten der Frühen Neuzeit angesichts der allerorten in Europa aufkommenden Türkenfurcht noch verstärkte. Im vormodernen Europa erscheinen die Aufrufe zum Kampf gegen die Muslime als ein höchst bedeutsamer Debattenstrang, der als wichtiges Substrat der christlich gedachten Einheit Europas anzusehen ist. Der Traum von der Befreiung des Balkans, Griechenlands, Konstantinopels und schließlich Jerusalems hatte in der Frühen Neuzeit eine hohe Bedeutung als Repertorium für Appelle zur Einheit und für die Versöhnung. Entsprechend lag solchen Appellen zum Teil ein in hohem Maße integratives, bisweilen sogar irenisches Momentum inne. Im Panel wird versucht, eine erste Durchleuchtung des Phänomens Kreuzzug als Ideologie und Praxis, vor allem aber als einen Diskursstrang „Alteuropas“ aus primär frühneuzeitlicher Perspektive auszuloten.

Benjamin Weber (Toulouse)
Tamquam angelum pacis: The Common Fight for Christendom and the Papacy as Peace-maker in 15th century Europe.
From the end of the 14th century, the rise of Turkish power in Asia Minor and the Balkans, gave new strength to papal discourses upon the necessity of uniting Christianity to fight against its common enemy. It offered the papacy legitimacy for a constant intervention in European policies, sending its legates Tamquam angelum pacis, to unite Christian kings against the Turks. It appears, however, that the 15th century papacy slowly gave up these hopes of general crusade to focus on a new strategy, which would be compatible with European divisions or even be able to take advantage of these divisions.
Kerstin Weiand (Marburg)
Heiliger Krieg und europäischer Friede – Der Kreuzzug in der päpstlichen Diplomatie des 16. Jahrhunderts
Bereits im 15. Jahrhundert wurden die intellektuellen Auseinandersetzungen mit der osmanischen Expansion – gedeutet als Heiliger Krieg und als Kreuzzug – von humanistischer Seite mit der Frage nach der Identität eines christlichen Europas verknüpft. Kreuzzugsdebatten waren damit immer zwei komplementäre, verschränkte Funktionsebenen inhärent: Eine nach außen gerichtete, abgrenzende und aggressive sowie eine nach innen gerichtete, integrative Funktionsebene. Die Verschränkung dieser beiden Ebenen beleuchtet der Vortrag, indem er mit Blick auf die päpstliche Diplomatie im ausgehenden 16. Jahrhundert nach dem Kreuzzug als Friedensdiskurs und als Praktik der politischen Integration fragt.
Magnus Ressel (Frankfurt am Main)
Der Ordo Militae Christianae (1612-1635) als überkonfessionelle Verbindung des europäischen Hochadels
Aus dem großen Türkenkrieg (1593-1606) kehrte eine Reihe an Kriegsfreiwilligen des europäischen Hochadels zurück, die eine gemeinsame Fronterfahrung verband. Ein wesentliches Ziel von ihnen war die Wiederholung des Kampfes gegen die Osmanen unter Einbeziehung möglichst aller Mächte Europas. Als Medium zur Überbrückung der tiefgreifenden Spannungen innerhalb des christlichen Europas gründeten sie kurz vor Ausbruch des großen Konfessions- und Staatenkrieges einen Kreuzzugsorden, dessen Hauptanliegen ein europaweiter Angriff auf das osmanische Reich war. Im Vortrag sollen Ideologie, Erfolge und Grenzen der „Militiae Christianae“ beleuchtet werden.
Zsuzsa Barbarics-Hermanik (Graz)
„Kreuzzug gegen die Osmanen“ als politisches Instrument der Habsburger in der Frühen Neuzeit
Der Vortrag analysiert jene Prozesse, im Rahmen derer die Übertragung des Kreuzzugsgedankens auf die „Türkenkriege“ erfolgte und wie dieser fortan als integrierter Bestandteil der Herrschaftsideologie der habsburgischen Kaiser fungierte. Demnach ließen sich diese in Berufung auf die Gefahr, die aus der Expansion des Osmanischen Reiches hervorging, als „Schirmherren der Christenheit“ propagieren, um damit die innere Stabilität ihrer Territorien zu stärken, der dort vorherrschenden konfessionellen Spaltung entgegenzuwirken und nicht zuletzt, um ihre Untertanen zur Zahlung von Angaben zu bewegen. Ein besonderes Augenmerk wird in diesem Zusammenhang der Rolle der Druckmedien der Zeit als Instrumente der kaiserlichen Propaganda sowie den Parallelen zur Herrschaftsideologie und –praxis der osmanischen Sultane gewidmet.
Markus Friedrich (Hamburg)
Kommentar