Archive for the 'Allgemein' Category

Mehr Akzeptanz von Paradox und Widerspruch

Dafür sprach sich Rolf Michael Schneider im Rahmen seines Vortrages „Der Orient in Rom: Das Fremde im Zentrum der Macht“ aus. Er sowie vier weitere Referenten boten in der Sektion „ Politisch-Kulturelle Ungleichheiten im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident“ ein weitgefächertes Programm. Einleitende Worte fand Sitta von Reden, die besonders auf die Unterschiede aufmerksam machte, mit denen sich kulturelle Ungleichheiten in der Antike konstituierten. So sei vor allem die Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Analysemöglichkeiten von Diskursen und sozialer Realität zu berücksichtigen, sowie die verschiedenartigen Wahrnehmungen von Ungleichheiten im Alltag innerhalb einer Kulturgruppe.

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Kalt, aber authentisch

Dr. Nora Goldenbogen (Bild: fs)

Dr. Nora Goldenbogen (Bild: fs)

Die Führung “Jüdisches Leben in der DDR” heute mittag war eine kalte Angelegenheit. Nach gut zwei Stunden Stadtrundgang bei windigem Herbstwetter fröstelten nicht wenige der 15 zumeist weiblichen Teilnehmer ein bisschen. Das hielt sie aber nicht davon ab, eine spannende Reise durch die jüdische Geschichte Dresdens nach 1945 zu unternehmen.

Dr. Nora Goldenbogen, die Leiterin der Führung, erzählte anhand der Stationen sehr umfassend vom Aufbau einer neuen Gemeinde nach dem Krieg, erläuterte die Konsolidierung in den 50er Jahren und den folgenden Einbruch der Mitgliederzahlen durch den aufkommenden Stalinismus in der DDR. Am Schluss der Geschichte steht die Einweihung der Neuen Synagoge Dresdens 2001, die in einer Extra-Führung besichtigt werden kann.

Nora Goldenbogen, selbst Mitglied der jüdischen Gemeinde und im Hatikva e.V. aktiv, hat viel der heute von ihr dargestellten Geschichte selbst miterlebt und kennt bzw. kannte nicht wenige der genannten Personen. Insbesondere der Rundgang auf dem jüdischen Friedhof, bei dem sie anhand der Gräber über wichtige Personen informierte, machte deutlich, dass sie auch auf persönliche Erinnerungen an diese Menschen zurückgriff. Nach Meinung der Teilnehmer und Nora Goldenbogens wäre noch viel mehr zu erzählen gewesen. Doch neben der störenden Kälte hatten die meisten nachfolgende Termine zu erreichen. Empfohlen sei, für alle die nicht genug erfahren haben oder deren Neugier geweckt wurde, der Hatikva e.V., der immer wieder thematische Stadtführungen und Friedhofsrundgänge anbietet.

Die Verlagsausstellung ist am interessantesten

Christian Kirchen

Christian Kirchen. Foto: pd

Für den Promotionsstudenten Christian Kirchen aus Bayreuth, der seit dem Jahr 2000 keinen Historikertag verpasst hat, bietet der Kongress viele Möglichkeiten. “Ich möchte natürlich mein Interesse an der Materie befriedigen. Außerdem kann man hier Menschen treffen, deren Namen man sonst nur auf Buchtiteln liest. Auch bekannte Gesichter wiederzutreffen, ist schön. Doch dieses Jahr interessiert mich besonders die Verlagsausstellung - ich promoviere gerade über den Afrikaforscher Emin Pascha, und möchte eine Biographie über ihn schreiben. Und da sich viele Verlage auf Biographien spezialisiert  haben, kann ich einige Ideen mitnehmen.”

“Orange ist für Sie ab jetzt die Signalfarbe”

Wer noch nie etwas vom Moving Wall Konzept oder Open Access Programmen gehört hat, der konnte beim Vortrag der DGIA (Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland) in Zusammenarbeit mit der Bayrischen Staatsbibliothek (BSB) Neues erfahren. Das Neueste - und Schwerpunkt des Vortrages - war jedoch die Präsentation der in Orange unterlegten Online-Plattform perspectivia.net.

Michael Kaiser - Foto: pd

Michael Kaiser - Foto: pd

Auf dieser Plattform wird es ab dem 31. Oktober möglich sein, auf ausgewählte Publikationen direkt zuzugreifen. Über die Entstehung und Idee der Plattform sprachen am gestrigen Abend Michael Kaiser (DGIA) und Gregor Horstkemper (BSB).

Bei perspectivia.net handelt es sich um eine frei zugängliche Webseite, deren Inhalte gratis angeboten werden. Daher auch der Name einer Open Access Plattform. Bis zum Start des Portals wird die Zeitschrift Francia vollständig retrodigitalisiert bereit stehen. Die klassische Form der francia bleibt jedoch erhalten. Wie Gregor Horstkemper erklärte, benutze man dabei das bibliothekarische Konzept der Moving Wall, bei dem die online Ausgaben der Zeitschrift jeweils mit Abstand eines Vierteljahres zur klassisch erscheinenden Ausgabe bereit gestellt werden.

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Dresdens unbekannten Toten ein Gesicht geben

Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller Foto: cm

Vom 13. bis 15. Februar 1945 wurde Dresden von der schlimmsten Katastrophe in der Stadtgeschichte heimgesucht. Bis heute sind in der Literatur äußerst gegensätzliche Opferzahlen bei der Auseinandersetzung mit den Luftkriegsereignissen  zu finden. Aus diesem Grund berief der Dresdner Oberbürgermeister 2004 eine Historikerkommission ein, die eine genaue Opferzahl ermitteln sollte. Auf einer Pressekonferenz und einer Podiumsdiskussion des Historikertages wurde nun ein Zwischenbericht abgeliefert.

Nach akribischen Rechnungen entkräftete die Historikerkommission die Schwankungen der Zahlen zwischen 20.000 und 500.000 getöteten Menschen in den Bombennächten: Von 18.000 Menschen, die während der Luftangriffe ihr Leben verloren, sind die persönlichen Daten mittlerweile bekannt. Die Forscher gehen jedoch davon aus, dass sich die Zahl bis zum endgültigen Abschluss der Arbeiten im nächsten Jahr auf maximal 25.000 Menschen erhöhen wird.

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Zwischen Orient und Okzident

Das Thema des Historikertages “Ungleichheiten” wurde in der heutigen Sektion “Transkulturelle Vergleiche zwischen Ost und West” in Bezug auf die beiden Religionen Christentum und Islam sowie deren kulturelle Verschiedenheit hin diskutiert.

Das Programm wurde eingeleitet durch Wolfram Drews (Köln, Bonn), dessen Publikation mit dem Titel “Die Karolinger und die Abbasiden von Bagdad” (Berlin 2009) zu Beginn kurz angerissen und daraufhin die Herrscherdynastien und Legitimationsstrategien im frühen Mittelalter vorgestellt wurden. Gerade die Herrschaftslegitimation Karls des Großen im Karolingerreich bezeugt eindrucksvoll das sakral legitimierte Herrschertum sowie die enge Beziehung zwischen Papsttum und Kaiser im 8. Jahrhundert. Im Morgenland des 9. Jahrhunderts versuchten die Kalifen dasselbe umzusetzen, doch aufgrund fehlender normativer Religionsformen scheiterte ihr Vorhaben.

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Abgleiten in “Allmachtsphantasien”

Prof. Dr. Martin Jehne. Foto: ak

Herr Prof. Jehne, Sie sind Sprecher des Historikertages…

Moment, das stimmt so nicht ganz. Ich bin Sprecher des Ortskommitees, das den Historikertag veranstaltet. Den Historikertag richtet der Verband aus - und der ist auch für alle Inhalte zuständig, die Sektionsthemen, das Logo, etc. Das Ortskommitee übernimmt die Organisation am Veranstaltungsort, den Kontakt mit den Institutionen, die Infrastruktur, eben alles was zur faktischen Ausführung gehört.

Ist ein so großer geisteswissenschaftlicher Kongress an einer Technischen Universität die erste Ungleichheit?

Nein! Wir sind keine technische Uni, wir heißen bloß so. Die TU Dresden hat eine starke technisch–naturwissenschaftlich Tradition, die auch gepflegt wird – wogegen nichts zu sagen ist. Nur löst der Name TU leicht die Assoziation aus, es gebe nur Technik- und Naturwissenschaften. Und das trifft nicht zu. Seit der Erneuerung nach der Wiedervereinigung haben wir in Dresden leistungsfähige und akzeptierte Geistes- und Sozialwissenschaften. Die TU ist eine Volluniversität und betont dies auch. Die Geisteswissenschaften sind hier ja auch nicht nur Hilfsarbeiter, in dem Sinne dass wir Abrundungsangebote machen und Geschlechterstereotypen bedienen. Getreu dem Motto: Wir haben hier Ingenieurswissenschaften, was in erster Linie junge Männer studieren, die haben Freundinnen, also brauchen wir auch ein Institut für Germanistik. So ist es ja eben nicht. Wir betreiben hier anerkannte Forschung und bilden konkurrenzfähige Absolventen und wissenschaftlichen Nachwuchs aus.

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Brauchen wir eine neue deutsche Meistererzählung? - Perspektiven aus der frühen Neuzeit

Prof. Dr. Johannes Burkhardt. Foto: cp

Der Raum 103 im Hörsaalzentrum der TU Dresden war mehr als gut besucht als die Vorträge zum obigen Thema heute morgen um 9.15 Uhr begannen.
Unter Leitung von Johannes Burkhardt (Augsburg) ging es um die deutsche Geschichtsdarstellung bzw. Deutung derer im Verlauf. Als “Meistererzählung” wird allgemein in der Geschichtswissenschaft eben diese Deutung bezeichnet, die leitend wird, für eine bestimmte Epoche oder den gesamten in ihr vereinigten Zeitraum.
Wie Johannes Burkhardt einleitend äußerte, gäbe es unlängst eine Vielzahl von Erzählungen über die “Geschichte der Deutschen”. Eben diese Geschichte der Deutschen, wie sie zum Beispiel im großen Magazin Stern veröffentlicht und dargestellt wurde sei laut Burkhardt jedoch gerade zu eine “grotesk gewordene Meistererzählung”.
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Historikerkuscheln in Bus und Bahn

"Gruppenkuscheln". Foto: bw

Scheinbar ist nicht ganz Dresden auf den 47. Deutschen Historikertag vorbereitet. Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) jedenfalls sind es nicht. Wer heute morgen den Weg zum Hörsaalzentrum mit den Öffentlichen angetreten hat, dem ist sicher trotz der geringen Temperaturen nicht kalt gewesen. Großes Gedränge, wenig Platz und kaum Atmungsfreiheit sowie die daraus resultierenden Verspätungen erinnert die dresdner Universitätsangehörigen schon jetzt an das bald beginnende Wintersemester und die stets überfüllten Unibusse. Unseren Gästen dürfte diese Erfahrung jedoch neu gewesen sein. Besonders die Linien 72 und 76, welche zwischen den Haltestellen Hauptbahnhof und Technische Universität verkehren, waren proppevoll. Leider wurden von der DVB auch zu den Stoßzeiten nicht mehr Fahrzeuge eingesetzt.

Wer dem Historikerkuscheln entkommen will, dem bleibt nur: Beine in die Hand nehmen und den 15minütigen Weg zu Fuß zurücklegen.

Eröffnungsansprache des Bundespräsidenten

Horst Köhler. Foto: ak

“Ohne Unterschied macht Gleichheit keinen Spaß.” Knapper als Dieter Hildebrandt kann man die Spannungsverhältnisse wohl nicht umreißen, die im Mittelpunkt des 47. Deutschen Historikertages stehen: Ungleichheiten. Einerseits können sie das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen verletzen und damit auch die Stabilität eines Gemeinwesens gefährden. Andererseits sagt uns die Lebenserfahrung, dass Ungleichheiten zum Menschsein dazugehören, dass sie ein Ansporn zu Leistung und Anstrengung sein können und dass absolute Gleichheit weder möglich noch auch nur wünschenswert ist. Und aus der Geschichte wissen wir, dass Gleichmacherei mit Gewalt nicht zu weniger Ungleichheit, sondern nur zu mehr Unmenschlichkeit geführt hat. Continue reading ‘Eröffnungsansprache des Bundespräsidenten’