Dresdens unbekannten Toten ein Gesicht geben

Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller Foto: cm

Vom 13. bis 15. Februar 1945 wurde Dresden von der schlimmsten Katastrophe in der Stadtgeschichte heimgesucht. Bis heute sind in der Literatur äußerst gegensätzliche Opferzahlen bei der Auseinandersetzung mit den Luftkriegsereignissen  zu finden. Aus diesem Grund berief der Dresdner Oberbürgermeister 2004 eine Historikerkommission ein, die eine genaue Opferzahl ermitteln sollte. Auf einer Pressekonferenz und einer Podiumsdiskussion des Historikertages wurde nun ein Zwischenbericht abgeliefert.

Nach akribischen Rechnungen entkräftete die Historikerkommission die Schwankungen der Zahlen zwischen 20.000 und 500.000 getöteten Menschen in den Bombennächten: Von 18.000 Menschen, die während der Luftangriffe ihr Leben verloren, sind die persönlichen Daten mittlerweile bekannt. Die Forscher gehen jedoch davon aus, dass sich die Zahl bis zum endgültigen Abschluss der Arbeiten im nächsten Jahr auf maximal 25.000 Menschen erhöhen wird.

Den Grund für derartige Schwankungen sehen die Wissenschaftler in der teilweise propagandistischen Berichterstattungen nach Kriegsende. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die ersten Schätzungen, die nach den Luftangriffen abgegeben wurden, nun als richtig erweisen (Ende März 1945 hatte man von 22.000, höchstens aber 25.000 Toten gesprochen).

In der Kommission erschlossen sich unter anderem Historiker und Archivare über 800 laufende Archivmeter, das entspricht einer Zahl von elf Millionen Dokumenten. Archäologen, Museologen und Ingenieure untersuchten neben Bergungsabläufen und feuerwehrtechnischen Analysen in der stark zerstörten Mathildenstraße auch die Frage nach den Tieffliegerangriffen. Besonders dieser emotional geladene Aspekt konnte nun für viele Überlebende entkräftet werden. Prof. Dr Rolf-Dieter Müller, Wissenschaftlicher Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr in Potsdam, der gleichzeitig den Vorsitz der Historikerkommission inne hat, erklärte dazu: “Wir haben in diesem Zusammenhang alle Möglichkeiten sondiert. Tieffliegerangriffe wären, miltärhistorisch gesehen, strategisch unsinnig gewesen.”

Nachdem der Endbericht voraussichtlich im nächsten Jahr erscheinen wird, plant jede Arbeitsgruppe der Kommission eine gebundene Publikation. Darunter wird sich auch ein Band mit Opfernamen, Biografien und möglicherweise Bildern befinden. „Durch die Arbeit der Kommission erhalten die Opfer ein Gesicht und einen Namen“, sagte Dr. Alexander von Plato, der vor allem mit den Aussagen der Zeitzeugen arbeitete.

Während der öffentlichen Präsentation am Rednerpult: Dr. Alexander von Plato. Foto: ak

3 Response to “Dresdens unbekannten Toten ein Gesicht geben”


  1. 1 Erich Lienhart

    Zur Arbeit der Dresdner Historiker- Kommission seien einige Anmerkungen erlaubt: Ihre nun veröffentlichten Angaben zu den Opferzahlen der fürchterlichen Luftschläge auf Dresden pendeln sich offensichtlich zwischen 18 000 und 25 000 ein. Hier drängt sich ein Vergleich mit dem ebenfalls im Februar 1945 weitgehend zerstörten Pforzheim auf. Beide Städte hatten relativ bescheidene Luftschutzmöglichkeiten, was den Ausbau von besonders geschützten Anlagen betrifft. Die Bebauungsdichte in den Innenstädten war vergleichbar. In beiden Fällen entwickelte sich ein Feuersturm. In Pforzheim kam jeder dritte Einwohner ums Leben: Von 60 000 ca. 20 000. Dresden hatte vor dem Krieg ca. 630 000 Einwohner. Hinzu kommen jedoch Hunderttausende Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten, die sich vor der anrückenden Sowjetarmee in Sicherheit bringen wollten. Diese genossen naturgemäß einen noch wesentlich herabgesetzten Luftschutz gegenüber den Einheimischen, da viele sich nur vorrübergehend in Dresden aufhielten und keine feste Bleibe hatten. Die nach Berlin gemeldeten ca. 200 000 Todesopfer nach dem Luftangriff stimmten weitgehend mit den aus späteren sowjetischen Angaben überein, die aus eigenen Untersuchungen gewonnen wurden und höchstwahrscheinlich nicht nationalsozialistischen Propagandazwecken dienen sollten. In einer vorsichtigen, sehr akribischen Untersuchung, kommt der Luftkriegs- Historiker Dr. Wolfgang Schaarschmidt in seiner neuesten Veröffentlichung ( Dresden 1945- Daten-Fakten-Opfer, Ares-Verlag ) auf mindestens 100 000 Todesopfer. Die Ergebnisse der Historiker- Kommission werden in dem Moment nachvollziehbar, wenn man nur die einwandfrei identifizierten Opfer zugrunde legt. Dies dürfte bei annähernd 1000 Grad Celsius in einem flächendeckenden Feuersturm wohl kaum auf alle Opfer zutreffen. Aus diesem Grund kann für viele Dresdner das nun öffentlich präsentierte Resultat der Historiker- Kommission bestenfalls ein Zwischenergebnis, aber noch nicht das Ende der Forschung bedeuten.

  1. 1 rolf mueller
  2. 2 STIPvisiten

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