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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Erinnerung als umkämpfte Ressource in der Frühen Neuzeit

Zeit: 26.09.2012, 15:15 - 18:00
Ort: P 208
Kategorie: Frühe Neuzeit

Sektionsleiter/in: Ulrich Niggemann (Marburg) / Kerstin Weiand (Marburg)

Abstract:
In der Geschichtsforschung der letzten zwei Jahrzehnte hat ein enormer Aufschwung der Erinnerungsforschung stattgefunden. Die Konjunktur der Erinnerungsforschung seit den 1990er Jahren ist dabei im Kontext einer zunehmenden Individualisierung der Erinnerung und einer Infragestellung übergreifender politischer und ideologischer Bezugssysteme zu sehen. Entsprechend richtet sich der Fokus der Forschungen vielfach auf die ‚problematische’ jüngere Vergangenheit und hier insbesondere auf den engeren Bereich der „Geschichtspolitik“, die gleichsam den modernen Einheitsstaat zur Voraussetzung hat.

Dagegen liegt ein besonderes Potential darin, Erinnerung als (immaterielle) Ressource zu untersuchen, d.h. als ein Mittel der Produktion kollektiver Sinnzuschreibungen. In dieser Hinsicht ist die Erinnerungsforschung auch gerade für ältere Epochen und insbesondere für die Frühe Neuzeit fruchtbar zu machen. Gerade weil hier umfassendere gesellschaftliche Kollektivierungsprozesse ihren Anfang nahmen und als wichtiges epochales Kennzeichen der Frühen Neuzeit gelten können, kam der Erinnerung eine wesentliche Funktion bei der Legitimierung und Etablierung neuer übergreifender Bezugssysteme zu. Der Versuch, die Deutungshoheit über bereits etablierte Erinnerungsnarrative zu gewinnen bzw. neue Erinnerungsnarrative durchzusetzen, war nicht selten unmittelbar mit dem Kampf um politische bzw. religiös-konfessionelle Macht verbunden. Dies gilt umso mehr, als Erinnerungsnarrative gerade im Rahmen erst beginnender Kollektivierungsprozesse nicht allein legitimatorische, sondern auch interpretatorische Funktionen entfalten konnten.

Die Untersuchung von Erinnerung als umkämpfter Ressource kann in dieser Hinsicht neue Einblicke in die „Produktionsfaktoren“ frühneuzeitlicher Gesellschaften geben. In der geplanten Sektion soll daher gezeigt werden, wie bestimmte Ereignisse zu erinnerungswürdigen Ereignissen wurden, und welche Gruppen sie mit Bedeutung aufzuladen versuchten. Dabei steht insbesondere die Frage nach konkurrierenden Bedeutungsgehalten und Sinnzuschreibungen im Mittelpunkt. Es geht also um den Kampf um die Ressource „Erinnerung“ und die damit verbundenen Kollektivierungsprozesse.

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