Mehr als Faktencheck! Historische Forschung von Schüler:innen als geschichtskulturelles Kapital
Abstract
Geschichtswettbewerbe sollen historische Lern-, Forschungs- und Diskursprozesse anregen und den kritischen Umgang mit konkurrierenden historischen Deutungen und Narrativen fördern. Angesichts der Pluralität historischer Erfahrungen und Erinnerungen sowie einer zunehmenden politischen Instrumentalisierung historischer Fakten und Narrative gewinnen diese Zielstellungen weiter an Bedeutung. Die Etablierung historischer Forschung von Schüler:innen als geschichtskulturelle Praxis ist untrennbar mit der Geschichte des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten verbunden. 1973 als demokratiepädagogisches Projekt ins Leben gerufen, hat sich der Wettbewerb zu einer der größten historischen Laienforschungsbewegungen entwickelt und wirkt über Deutschland hinaus: Das Netzwerk EUSTORY verbindet zivilgesellschaftliche Organisationen in über 20 Ländern, die nationale Geschichtswettbewerbe durchführen.
Doch welchen Beitrag leisten Geschichtswettbewerbe für die Geschichtskultur? Was haben die Forschungsprojekte in der Region bewegt? Was sind Erfolgsbedingungen für geschichtskulturelle Partizipation von Schüler:innen? Welche Konzepte/Ideen und Rahmenbedingungen braucht zukunftsfähige Schüler:innenforschung? Die Sektion nimmt das 50. Jubiläum des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten zum Anlass, um diese Fragen an der Schnittstelle von Wissenschaft, Unterricht und geschichtskultureller Praxis öffentlich zu diskutieren. Im Sinne einer historisierenden Bestandsaufnahme werden im ersten Teil der Sektion Funktionen und Strukturen historischer Forschungen von Schüler:innen aus geschichtswissenschaftlicher und geschichtsdidaktischer Perspektive sowie aus Perspektive der Public History wissenschaftlich-analytisch systematisiert. Daran anschließend diskutieren geschichtskulturelle Akteur:innen aus kommunalem Archiv, Schule und aus der Körber-Stiftung Herausforderungen und Zukunftsperspektiven historischer Forschung von Schüler:innen.
Historische Schüler:innenforschung ist eine etablierte, aber selten theoretisch reflektierte und empirisch beforschte geschichtskulturelle Praxis. Gerade angesichts gesellschaftlicher und medialer Transformationsprozesse erweist sich eine Bestandsaufnahme jedoch als Voraussetzung, um veränderte Funktionen und Zukunftsperspektiven von Geschichtswettbewerben breit zu diskutieren. Der einleitende Beitrag moderiert daher relevante Diskurs-, Forschungs- und Entwicklungsfelder an, die im Rahmen der Sektion aus unterschiedlichen Disziplin- und Akteursperspektiven weiter entfaltet werden.
Historische Forschung von Schüler:innen als geschichtskulturelles Kapital. Forschungsperspektiven auf eine etablierte Praxis
Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten hat ohne Zweifel eine erhebliche Innovationswirkung auf die Geschichtswissenschaft gehabt. Die Wettbewerbe haben ein breites Spektrum politischer, gesellschaftlicher und alltagsgeschichtlicher Themen für die Geschichtswissenschaft erschlossen – und in dieser Hinsicht Pionierarbeit geleistet. Auch methodisch und konzeptionell war der Geschichtswettbewerb ein Initiator: beim Fokus auf die Lokalgeschichte, die ja systematisch untersucht, wie sich die großen Themen der Politik und Gesellschaft vor Ort im Alltag auswirkten; und bei der Erweiterung des Quellenspektrums, mit dem Ziel, zu verstehen, wie Menschen von großen Ereignissen und Veränderungen betroffen waren und wie sie darauf – geschichtsmächtig – reagierten.
Weite Teile der Geschichtsdidaktik verbinden mit dem Prinzip des Forschendes Lernens große Hoffnungen für gelingenden Geschichtsunterricht: So wird in dieser Methode eine Chance darin gesehen, Schüler:innen zum eigenständigen historischen Denken zu befähigen und sie aktiv an der Geschichtskultur teilhaben zu lassen. Empirische Studien zeigen jedoch, dass Forschendes Lernen äußerst voraussetzungsvoll ist. Wie also kann die Methode gewinnbringend für möglichst viele Lernende werden? Der Impuls skizziert zunächst grundlegende Perspektiven des Forschenden Lernens im Kontext des Geschichtsunterrichts mit einem Blick auf empirische Erkenntnisse und reflektiert dann die Frage, inwieweit dadurch tatsächlich eine Teilhabe aller Schüler:innen, auch solchen außerhalb des Gymnasiums, an der Geschichtskultur ermöglicht werden könnte.
Der Geschichtswettbewerb ist als ein Kind seiner Zeit auch immer Teil der Public History – und das bereits seit 50 Jahren. So spiegeln die Themen nicht nur gesellschaftlich relevante Fragestellungen, auch die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs verändern sich stetig. Vor allem die fortschreitende Digitalisierung hat die Möglichkeiten der Recherche und Darstellung von historischer Schüler:innenforschung verändert. Die damit verbundenen Potentiale und Herausforderungen für Teilnehmende, Tutor:innen aber auch Jurymitglieder diskutiert der Beitrag aus Perspektive der Public History.