Stephan Scheuzger Annette Weinke (Sektionsleitung)

Facts Between Historical Research and Dealing with the Past: Commissioned History and Knowledge Production with and for the Public

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Abstract

When societies are confronted with massive past injustices, both state and non-state actors increasingly commission ad hoc commissions - investigation commissions, expert commissions, truth commissions - as well as researchers at universities to investigate historical facts. The work within this "commissioned history" takes place in a fundamental tension. On the one hand, the commissions and historians commissioned for such projects produce knowledge about the past with a scientific claim to objectivity. The scientific nature of producing this knowledge is crucial for the intended effect in the public. On the other hand, the commissions and projects usually involve those affected - and thus parts of the public - in their work, most commonly by allowing them to make statements about the past and testify in the investigations. The memories of the experiences and expectations associated with the statements made by those who testify are not easily reconciled with the epistemological claims of the commissions and researchers. The panel discusses, with examples of different types of "commissioned history," how commissions and research projects have dealt with this tension in their reconciliation mission. It asks how the challenge of establishing historical facts was affected by the integration of memory-based narratives of those affected by past injustices into their work and the final presentation of their results.

Stephan Scheuzger (Gamprin-Bendern / Zürich)
Denen eine Stimme geben, die keine Stimme gehabt haben? Die Bedeutung von Zeugnissen in der Produktion und Präsentation von Wissen über die Vergangenheit durch Wahrheitskommissionen

Wahrheitskommissionen sind immer wieder als offizielle Einrichtungen beschrieben worden, die den Opfern von schweren Menschenrechtsverletzungen eine Stimme geben. Tatsächlich ist das Anhören von Beteiligten ein konstitutiver Bestandteil der Arbeit dieser Kommissionen gewesen. Zugleich hat deren fundamentale Funktion jedoch in der Feststellung von Fakten über vergangene Menschenrechtsverletzungen bestanden. Der Beitrag betrachtet, wie Wahrheitskommissionen den Wahrheitsanspruch an das von ihnen produzierte Wissen mit dem wesentlichen Element ihrer Tätigkeit, Anhörungen von Betroffenen durchzuführen, vereint haben, und analysiert die Bedeutung der Zeugnisse für die Arbeit der Kommissionen.

Annette Weinke (Jena)
Doing History, Performing Authenticity: Die Rolle von Aktivisten-Historikern und Opferzeugen in den Bundestagskommissionen zu Geschichte und Folgen der SEDDiktatur (1992–1998)

Ebenso wie andere Länder bediente sich auch das vereinigte Deutschland verschiedener Instrumente der Transitional Justice, um das Erbe der kommunistischen Herrschaft aufzuarbeiten, darunter zwei Enquete-Kommissionen zu Geschichte und Folgen der SED-Diktatur. Der Beitrag beleuchtet, mit welchen diskursiven und performativen Strategien die beteiligten Akteure versucht haben, mit dem Spannungsverhältnis zwischen fachwissenschaftlichen Standards und opferzentrierten Geschichtserzählungen umzugehen.
Darüber hinaus wird am Beispiel der Kommissionen die Frage nach der Rolle von Aktivisten-Historikern in der bundesdeutschen Geschichtskultur und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit aufgeworfen.

Loretta Seglias (Wädenswil)
In Zusammenarbeit mit den Betroffenen? – Die Arbeit der Unabhängigen Expertenkommission Administrative Versorgung in der Schweiz (2014–2019)

Gestützt auf das Bundesgesetz über die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen hat der Schweizer Bundesrat 2014 eine Unabhängige Expertenkommission eingesetzt. Sie erhielt den Auftrag, die Praxis administrativer Internierungen als sozialpolitisches Instrument vor 1981 zu untersuchen. Das Forschungsprogramm konzentrierte sich auf die Rolle des Staates und gesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure sowie auf die biografischen Erfahrungen von Betroffenen in der Zeit zunehmender sozialstaatlicher Sicherung. Der Vortrag beleuchtet die Arbeit der Kommission mit besonderem Blick auf die Umsetzung des Auftrags, Betroffene einzubeziehen.

Klaus Große Kracht (Hamburg)
Historische Aufarbeitung zwischen wissenschaftlichen Ansprüchen und öffentlicher Erwartung. Die fragile Faktizität des sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche

Seit Jahren erschüttert der Skandal des sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche die Öffentlichkeit. Mehrere Studien sind inzwischen veröffentlicht, die das Ausmaß der Taten unter Beweis stellen, darunter im Sommer 2022 auch eine erste dezidiert geschichtswissenschaftliche Studie (zum Bistum Münster). Ausgehend von dieser Studie wird
diskutiert werden, welche – und nicht selten konfligierenden – Erwartungen vonseiten der Betroffenen, der Kirchenleitungen sowie der Medien dem Forschungsprojekt entgegengebracht wurden und wie sich insbesondere mit ‚fragilen Fakten‘ – etwa aufgrund unklarer Aktenlage und äußerungsrechtlicher Grenzen – in der konkreten Forschung
umgehen lässt.

Sonja Matter (Bern/Fribourg)
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