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Vortragstitel:
Wirtschaftskrisen und die Transformation globaler Ordnung im 20. Jahrhundert
Tag:
30.09.2010
Epoche:
Podiumsdiskussion
Sektion:
Wirtschaftskrisen und die Transformation globaler Ordnungen im 20. Jahrhundert

Abstract:

Wirtschaftskrisen und die Transformation globaler Ordnungen im 20. Jahrhundert

Leitung: Prof. Dr. Alexander Nützenadel, Berlin


Einführung und Diskussionsleitung

Referent/in: Prof. Dr. Alexander Nützenadel, Berlin
 

Podiumsdiskussion 

Charles S. Maier, Boston

Susanne Lütz, Berlin

J. Adam Tooze, New Haven

Herfried Münkler, Berlin

Nikolaus Wolf, Berlin

Vincent Houben, Berlin  

Henrik Enderlein, Berlin
 

Abstract

Die Große Depression der 1930er Jahre hat nicht nur in vielen Ländern Demokratie und Wohlstand zerstört, sondern auch zu einem Zusammenbruch der internationalen Ordnung geführt. Zugleich war die Erfahrung der Weltwirtschaftskrise ein wichtiger Faktor für die Entstehung des Bretton-Woods-Systems nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Befund macht deutlich, dass ökonomische Krisen ein transformatives Potential besitzen, das weit über den nationalen Raum hinausgeht. Die Podiumsdiskussion thematisiert den Zusammenhang von Wirtschaftskrisen und internationalem Ordnungswandel im 20. Jahrhundert. In einem interdisziplinären Gespräch werden historische, ökonomische und politikwissenschaftliche Perspektiven zusammengeführt.

Als Ausgangspunkt dienen die Überlegungen von Hansjörg Siegenthaler, der wirtschaftliche Krisen, institutionellen Wandel und soziales Lernen aufeinander bezogen hat. Siegenthaler beschreibt moderne wirtschaftliche Entwicklung als eine Abfolge von Perioden struktureller Stabilität, in denen es zwar wirtschaftliche Schwankungen gibt, die gesellschaftlichen Normen und Regelsysteme aber unverändert bleiben, und Krisenperioden, die durch einen elementaren Verlust von Steuerungsvertrauen gekennzeichnet sind. Kri senphasen sind damit stets Phasen »fundamentalen Lernens«, in denen sich neue kognitive und institutionelle Regelsysteme herausbilden. 

Ein derart erweiterter Krisenbegriff eröffnet Interpretationsspielräume, die von der Wirt schafts- wie auch der internationalen Politikgeschichte bislang kaum genutzt worden sind. Schon Reinhart Koselleck hat darauf hingewiesen, dass der Krisenbegriff als Refle xionsbegriff zu fassen ist, der historische Entwicklungen und Brüche nicht nur wiedergibt, sondern sie in übergreifende Sinnzusammenhänge einordnet. Krisen sind somit stets Ausdruck einer bestimmten Zeiterfahrung, d. h. »Faktor und Indikator eines epochalen Umbruchs«. Zugleich geht jede Krise mit einem Auseinanderfallen von »Erfahrungsräu­men« und »Erwartungshorizonten« einher, wodurch die Gegenwart als Moment historischer Kontingenz und zeitlicher Beschleunigung interpretiert wird. Jede Krise beinhaltet somit auch eine prognostische Dimension, welche den Ausweg aus einer als prekär wahrgenommenen Gegenwart weist.

Diese Überlegungen sollen im Rahmen der Podiumsdiskussion erstmals auf die internationale Wirt schafts- und Politikgeschichte des 20. Jahrhunderts angewendet werden. Auch wenn die historische Perspektive im Vordergrund steht, sind Vergleiche zur Gegenwart ausdrücklich erwünscht. 

Für die Podiumsdiskussion sind international renommierte Experten aus unterschiedlichen Disziplinen (Politikwissenschaften, Geschichte, Ökonomie) vorgesehen. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass verschiedene Perspektiven und inhaltliche Standpunkte vertreten sind, um eine möglichst lebendige und kontroverse Diskussion zu gewährleisten.