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Vortragstitel:
Emin Pascha – Ein Europäer als Administrator im Sudan
Tag:
01.10.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Grenzüberschreitungen an imperialen Randzonen. Biographische Zugänge zum transkulturellen Austausch

Abstract:

Emin Pascha – Ein Europäer als Administrator im Sudan

Referent/in: Tanja Bührer, Bern


Abstract

Erst nach monatelangen beschwerlichen Reisen traf im April 1886 die britische „Befreiungsexpedition“ unter Henry Morton Stanley auf Emin Pascha, den durch den Aufstand der Mahdisten isolierten Gouverneur der südlichen Sudanprovinz „Äquatoria“. Stanley musste jedoch bald feststellen, dass Emin gar nicht gerettet werden wollte. Als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Schlesien aufgewachsen, hatte der gescheiterte Medizinstudent seinen beruflichen Werdegang alsbald ins Osmanische Reich verlegt. Während er in einem Brief nach Hause behauptete, aus Opportunismus zu einem angepassten Türken und Muslimen geworden zu sein, begründete er bei einem Tischgespräch seinen Religionswechsel damit, dass er ein Messer an der Kehle gehabt habe. Jedenfalls sollte Emin während seiner folgenden Tätigkeit im ägyptischen Sudan auch gegenüber Europäern stets als ein in Deutschland ausgebildeter Türke vorstellig werden. Nach dem Zusammenbruch der ägyptischen Vorherrschaft über den Sudan wurde Emin geradezu zum Repräsentanten „Äquatorias“, den Grossbritannien und das Deutsche Reich gleichermassen für ihre Expansionspläne zu vereinnahmen suchten. Emins Versuch, sich dem zu entziehen, mochte in seinem idealistischen Ziel eines Zentrums westlicher Zivilisation im Herzen Afrikas, frei vom arabischen Joch der Sklaverei und europäischer Ausbeutung, oder seinem egozentrischen Streben nach einem persönliches Reich begründet gewesen sein. In einem Brief vom Oktober 1886 äusserte er jedenfalls die Hoffnung, dass die Briten ihn wie James Brooke („der weisse Raja von Sarawak“, 1803-1868) weitgehend unabhängig wirken liessen. Aufgrund seiner bedrängten Lage musste Emin jedoch Äquatoria mit Stanley in Richtung Sansibar verlassen. Unterwegs liess er sich von der deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietsverwaltung für den Sonderauftrag abwerben, ihre Interessen gegenüber den arabischen Handelskolonien unter muslimischer Identität zu vertreten. Emin ging eigenmächtig vor, trat immer wieder mit den Briten in Verhandlung, und es war unklar, ob er sich nicht wieder auf den Weg in „seine Provinz“ machte. Und womöglich hatte ihn gerade seine Erfahrung unvorsichtig gemacht: 1892 wurde er von arabischen Sklavenhändlern ermordet.