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Vortragstitel:
Sklavenarbeit in der Todeszone: Die Be- und Entgrenzung von Gewalt in KZ-Außenlagern
Tag:
01.10.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Entgrenzung und Begrenzung der Gewalt

Abstract:

Sklavenarbeit in der Todeszone: Die Be- und Entgrenzung von Gewalt in KZ-Außenlagern

Referent/in: Marc Buggeln, Berlin


Abstract

Ab 1942 mussten KZ-Häftlinge verstärkt für die deutsche Kriegswirtschaft arbeiten. Hierfür errichteten SS und Wirtschaftsbetriebe KZ-Außenlager, die häufig auf Betriebsgeländen oder mitten in Städten oder Ortschaften lagen. Schließlich überzog 1944 ein Netz von mindestens sechshundert dieser Lager das Deutsche Reich. Die KZ-Außenlager waren Orte der Sklavenarbeit, massiver Gewalt und des Sterbens. 

Anhand des Beispiels der 86 Außenlager des KZ Neuengamme sollen die konkreten Gewaltpraxen untersucht werden. Zunächst geht es um die von der SS und dem Betriebspersonal ausgeübte Gewalt. Hier wird gezeigt, dass die SS-Führung in der Lage war das Ausmaß der Gewalt in den Lagern zu steuern und nach Bedarf zu intensivieren oder zu begrenzen. Nachdem die Gewalt 1942 zu solch hohen Todesraten geführt hatte, dass die kriegswichtigen Projekte gefährdet schienen, welche die SS mit der Arbeitskraft der Häftlinge betrieb, setzte die SS-Führung bestimmte Gewaltbegrenzungen in Kraft. Dies führte auch in den Außenlagern zum Rückgang bestimmter Gewaltphänomene, während andere Praxen bedeutsamer wurden. Insgesamt kam es dadurch zu einem deutlichen Absinken der Sterblichkeitsraten in den KZ-Außenlagern. Erst im Herbst 1944 begann die SS mit der absehbaren Kriegsniederlage, die Gewaltpraktiken wieder zu verschärfen. Die Folgen waren Gewalteskalationen, Massaker und ein dramatischer Anstieg der Sterblichkeitsziffern.

Daran anschließend wird aufgezeigt, wie die Häftlinge auf die Gewalt der SS reagierten. Je mehr Gewalt eingesetzt wurde, desto stärker atomisierte sich im Regelfall die Häftlingsgesellschaft. Dies führte auch zu steigender Gewaltausübung unter den Häftlingen selbst. Oft bildeten sich national organisierte Gewaltgruppen, die sich Überlebensvorteile gegenüber anderen Gruppen zu verschaffen versuchten.

Die KZ-Außenlager waren kein abgeschlossener Raum. Die Lagerverhältnisse wirkten in vielerlei Hinsicht auf die das Lager umgebende deutsche Gesellschaft ein, wie dies auch umgekehrt der Fall war. Da es sich bei den Außenlagern häufig um schnell errichtete Provisorien handelte, konnte die deutsche Bevölkerung mitunter die Lager einsehen. Lagerzaun und SS-Wachmannschaften bildeten nur noch eine sehr durchlässige Grenze zwischen Häftlingen und deutscher Gesellschaft. So kam es zu vielfältigen Kontakten und auch zu gewaltsamen Übergriffen auf die Häftlinge. 

Zusammengefasst geht es darum die Praxen der Gewaltbegrenzung wie der -entgrenzung der Lagerbeherrscher samt ihrer Rückwirkungen auf die Häftlingsgesellschaft zu analysieren und die durchlässigen Grenzen des Gewaltraumes KZ-Außenlager mit den gewaltvollen Beziehungen zwischen Lager und deutscher Gesellschaft zu erfassen.