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Vortragstitel:
Substitut – Imitat – Surrogat: Soft Drink- Innovationen im Nationalsozialismus und in der DDR
Tag:
30.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Die Technisierung der Ernährung und die Grenzen des „Natürlichen“

Abstract:

Substitut – Imitat – Surrogat: Soft Drink- Innovationen im Nationalsozialismus und in der DDR

Referent/in: Uwe Fraunholz, Dresden


Abstract

Surrogate bieten sich als Studienobjekte einer kulturwissenschaftlich informierten Technik- und Wirtschaftsgeschichte in besonderem Maße an, da sich an diesem Beispiel Fragen der Innovation und Produktion ebenso exemplarisch verdeutlichen lassen wie Aspekte des Konsums, der Aneignung und der Distinktion. Obwohl den Ersatzstoffen das Odium der Minderwertigkeit anhaftet, muss ihr Einsatz nicht per se eine Qualitätsverschlechterung bedeuten. Vielmehr haben zahlreiche Alternativen im Laufe ihrer Karriere überlegene Produkteigenschaften bewiesen. Surrogate erlangen eine besondere Bedeutung in Ökonomien, die - freiwillig oder unfreiwillig - auf Autarkie orientiert sind. Ihre massenhafte Vergesellschaftung kann als Manifestation einer entsprechenden Leitbildorientierung institutioneller Prägekraft interpretiert werden.

Der Vortrag untersucht die Entwicklung und Funktion des Leitbilds „Autarkie“ in der deutschen Innovationskultur des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum steht dabei der diachrone Vergleich zwischen den Innovationssystemen und Konsumversprechen des Nationalsozialismus und der DDR. Das Ziel besteht darin, anhand einer Produktbezogenen Fallstudie aus dem Genussmittelbereich zu ermitteln, in welchem Maße das Leitbild Autarkie Einfluss auf Innovationsprozesse in der Lebensmittelforschung ausübte. Dabei soll die gesellschaftliche Bedingtheit von Innovationen in den Vordergrund der Betrachtung gestellt werden und der Konsument als eigenständiger Faktor einer „quadruple helix of innovation“ vorgeschlagen werden. Letztlich soll somit ein Baustein zur Weiterentwicklung einer kulturgeschichtlich informierten Innovationstheorie, die sich der sozialen Konstruiertheit von Innovationen bewusst ist, geliefert werden.

Als Beispiele dienen unterschiedliche Strategien der Reaktion auf einen Mangel an Coca-Cola im Zweiten Weltkrieg und in der DDR. Während in der Essener Niederlassung mit „Fanta“ ein Ersatzgetränk auf Molkebasis kreiert wurde, das sich in der Nachkriegszeit mit veränderter Zusammensetzung zu einem erfolgreichen Markenartikel entwickelte, bemühten sich die Miltitzer Aromaforscher mit „Club-Cola“ um möglichst perfekte Nachahmung, setzten mit der Rezeptur von „Vita-Cola“ aber auch eigenständige Akzente.