Drucken

Vortragstitel:
Von der klassischen Pflanzenzüchtung zur grünen Gentechnik
Tag:
30.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Die Technisierung der Ernährung und die Grenzen des „Natürlichen“

Abstract:

Von der klassischen Pflanzenzüchtung zur grünen Gentechnik. Transformationen des biopolitischen Raums

Referent/in: Thomas Wieland, München


Abstract

Die Entwicklung der Gentechnik Anfang der 1970er Jahre gilt als wichtiger Schritt in der Formierung eines neuen biopolitischen Raums, der Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher wie auch öffentlich-politischer Debatten ist. In diesen werden die neuen Möglichkeiten zur technischen Manipulation von Organismen auf molekularer Ebene häufig als epochaler Umbruch mit zum Teil dramatischen Auswirkungen auf den Menschen und seine Umwelt gekennzeichnet. Die Biologie scheint mit der Gentechnik in ein neues Zeitalter einzutreten, in dem sie nicht mehr nur auf das Verstehen von Lebensvorgängen, sondern auf ihre Um- bzw. Neukonstruktion abzielt.

Nun steht zwar außer Frage, dass es sich bei der Gentechnik um weit mehr als eine bloße Methodenrevolution in der Biologie handelt. Die Um- bzw. Neukonstruktion von Lebensvorgängen wurde aber nicht erst mit der Gentechnik möglich. Das wird besonders offensichtlich, wenn man auf die Geschichte der wissenschaftlichen Pflanzenzüchtung blickt, die sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herausbildete. Ähnlich wie heute die Gentechnik wurde damals die Mendelsche Genetik von vielen Zeitgenossen als ein epochaler Umbruch verstanden, der der Pflanzenzüchtung neue Wege eröffnen und ihr eine neue politisch-ökonomische Bedeutung verleihen würde. Tatsächlich lassen sich bereits in der „klassischen“ Pflanzenzüchtung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Entwicklungen identifizieren, die aktuelle Veränderungen durch die grüne Gentechnik vorwegzunehmen scheinen. Als Beispiel sei die weltweite Aneignung genetischer Ressourcen durch die Saatzuchtindustrie genannt, die heute von Kritikern als „Biopiraterie“ gebrandmarkt wird.

Der Vortrag diskutiert die Transformationen des biopolitischen Raums mit dem Aufkommen der grünen Gentechnik. Durch den diachronen Vergleich mit der „klassischen“ Pflanzenzüchtung sollen aktuelle Entwicklungen historisch eingeordnet und dadurch stärker konturiert werden.