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Vortragstitel:
Muslimische Wissenschaftler im yuanzeitlichen China (13./14. Jh.). Das Beispiel der Ärzte
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Geschichte des Mittelalters
Sektion:
Migration als transkulturelle Verflechtung im mittelalterlichen Jahrtausend

Abstract:

Muslimische Wissenschaftler im yuanzeitlichen China (13./14. Jahrhundert). Das Beispiel der Ärzte

Referent/in: Angela Schottenhammer, Mexiko


Abstract

Bis noch vor wenigen Jahren wurde die Yuan-Dynastie (1279-1367) in China – eine sogenannte Fremdherrschaft, da die regierende Elite Mongolen waren – in der westlichen Sinologie immer wieder als finsterstes Mittelalter betrachtet, das sich durch Kriege, Tod und Barbarei auszeichnete. Nur wenige „Pionierstudien“ lenkten die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass gerade während der Zeit, als China Teil des mongolischen Reiches war, ein reger wissenschaftlicher Austausch zwischen China und dem Westen stattfand. Dies betraf u.a. den Bereich der Medizin. Denn die mongolische Herrscherelite legte großen Wert auf medizinische Qualität und förderte medizinisches Wissen, Ärzte sowie die landesweite Etablierung von „Wohlfahrtsapotheken“(huimin yaoju 惠民藥局). Die Entwicklung im Bereich der Medizin war so positiv, dass Paul-David Buell kürzlich sogar von einer „medical globalization“ sprach.  Joseph Needham betonte, dass während der Regierungszeit des Khans Khubilai (r. 1260-1294) “(t)here was a general move…to raise the intellectual standing of the physicians.” In diesem Zusammenhang gründete der Yuan-Kaiserhof vier medizinische Schulen in der Hauptstadt, die durchweg von persisch-iranischen medizinischen Praktiken beeinflusst waren.  Und natürlich kamen auf diesem Wege auch verstärkt muslimische Ärzte aus dem Iran nach China, wo sie ihre Medizin und ihre Rezepturen (yaofang 藥方) anwandten. Diese Entwicklung mag sogar manche Chinesen dazu bewogen haben, den Arztberuf zu ergreifen und sich muslimischer Heilpraktiken zu bedienen. Allgemein attrahierte die positive Politik des Yuan-Hofes gegenüber Ärzten, die traditionell in China eher eine bescheidene soziale Rolle innehatten, mehr Angehörige der chinesischen Elite als in früheren Dynastien. 

Zwei der wohl wichtigsten medizinischen Texte sind beispielsweise das Yinshan zhengyao 飲膳正要 (Prinzipien einer korrekten Diätetik), ein Text zur Diätetik, der von einem kaiserlichen Hofarzt am mongolischen Hof, Hu Sihui 忽思恚, verfasst und kürzlich von Paul-David Buell und Eugene Anderson ins Englische übertragen wurde, sowie ein mingzeitliches Manuskript mit zahlreichen Rezepturen, die in der persischen Medizin in Gebrauch waren, das Huihui yaofang 回回藥方 (Muslimische Medizinische Rezepturen).  Möglicherweise war das Huihui yaofang ursprünglich Teil einer Enzyklopädie oder eines Handbuches zur Praxis der muslimischen Medizin, welches Ärzten in China als Handbuch diente.

Im folgenden Beitrag möchte ich einige Beispiele für den intensiven wissenschaftlichen Austausch im Bereich der Medizin geben und eine vorsichtige Einschätzung wagen, inwieweit muslimische Medizin nicht allein in Kreisen der mongolischen Elite praktiziert sondern auch Eingang in das soziale Leben der Bevölkerung fand.