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Vortragstitel:
Grenzwertig! Der Wendenkreuzzug 1147 und seine Motive
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Geschichte des Mittelalters
Sektion:
Am Rande des Imperiums. Der Osten des Reiches um 1150: Berlin-Brandenburg vor seiner Entstehung

Abstract:

Grenzwertig! Der Wendenkreuzzug 1147 und seine Motive

Referent/in: Michael Menzel, Berlin


Abstract

Der Wendenkreuzzug von 1147, ein Ereignis von gerademal drei Monaten, wird stets im Zusamenhang des Zweiten Kreuzzuges gesehen und gilt als Ersatz für die gelobte kriegerische Fahrt nach Jerusalem. Das kirchlich abgesegnete Geschehen jenseits der Elbe wurde von sächsischen Fürsten, Adeligen und Bischöfen durchgefochten gegen ihre slavischen Nachbarn. Zwei Heere unter dem sächsischen Herzog Heinrich dem Löwen und dem Markgrafen der Nordmark Albrecht dem Bären agierten bis zur Abodritenfestung Dobin bzw. bis zu den pommerschen Burgen Demmin und Stettin; gleichzeitig zogen polnische Verbände gegen die Prussen. Ein Ergebnis lässt sich konkret nicht benennen. 

Dennoch gilt der Wendenkreuzzug in kultureller Hinsicht nach der gescheiterten ottonischen Mission als der Beginn der zweiten, erfolgreichen Christianisierung der slavischen Gebiete zwischen Elbe und Oder. Die Stammesreligionen verschwanden, das Christentum expandierte langfristig über die Reichsgrenze. Politisch gilt der Wendenkreuzzug ebenfalls als Auftakt einer zweiten, nachottonischen Etablierung deutscher Herrschaft, wobei er den Wandel von einer königlichen zu einer fürstlichen Politik im Osten markiert. Für die Kreuzzugsgeschichte wird er immer als eine ideengeschichtliche Variante angeführt, wie es die Reconquista und später der Albigenserkreuzzug auch waren.

Der Vortrag wird zeigen, dass die „turns“, die sich hinter den Interpretationen verbergen, letztlich die Deskriptionsmodelle sind, deren sich die Akteure oder ihre Chronisten auch schon bedienten. Sie argumentierten kulturell, religiös, raum-, herrschaftsorientiert und ideell, kaschierten damit aber nur ihre persönlichen Interessen oder versuchten dem Geschehen einen übergeordneten Sinn zu geben. Im Vordergrund des Wendenkreuzzuges standen vielmehr die Rivalität Heinrichs des Löwen und Albrechts des Bären und die Desillusionierung der Kreuzritter. Die Zerstrittenheit des Wendenkreuzzuges ist bisher kaum gesehen worden. Die „turns“ (moderne wie alte) der Einordnung treffen Aspekte, die in zweiter und dritter Linie eine Rolle spielten, gehen aber an den primären persönlichen Motiven vorbei, die hier in den Vordergrund gerückt werden sollen.