Humanitäre Entwicklung und Rassismus in Afrika südlich der Sahara 1920–1990

(29. September 2010 - 9.15 bis 13 Uhr - HS 1.501)

Leitung: Prof. Dr. Hubertus Büschel, Gießen / Dr. Daniel Speich, Zürich



1. Moderation

Referent/in: Prof. Dr. Rebekka Habermas, Göttingen


2. Kulturen des Helfens. Die deutsche katholische Mission und die „Entwicklung“ Afrikas in der Zwischenkriegszeit

Referent/in: Dr. Richard Hölzl, Göttingen


3. „Rasse“ und Rassismus in den „Humanitären Entwicklungswissenschaften“ in Tansania, Togo und Kamerun 1920–1970

Referent/in: Prof. Dr. Hubertus Büschel, Gießen


4. Rassismus und makroökonomische Theorie um die Mitte des 20. Jahrhunderts

Referent/in: Dr. Daniel Speich, Zürich

5. Medical Aid as a Subject of the Cold War History: Development, Race, and the Global Cold War

Referent/in: Prof. Dr. Young Sun Hong, New York


6. „Die Afrikanisierung eines Spitals“. Aus der Praxis medizinischer Entwicklungshilfe im ländlichen Tansania der 1970er und 80er Jahre

Referent/in: Marcel Dreier M.A., Basel


7. Kommentar

Referent/in: Prof. Dr. Patrick Harries, Basel



Abstract

In den späten 1920er Jahren sprachen sich Anthropologen wie Bronislaw Malinowski, Lucien Lévy Bruhl und andere für die „Tatsache“ aus, dass afrikanische Gesellschaften südlich der Sahara in den britischen und französischen Kolonien und Mandatsgebieten neuartige „humanitäre Wege der Entwicklung“ bräuchten, die sich zunehmend „über kulturelle Grenzen“ hinwegsetzen könnten. Die so genannten „Bantu-Menschen“ – so das Argument zu jener Zeit – würden sich nur angemessen entwickeln können, wenn Sie in ihren alltäglichen Lebensumständen „sanft“ angeleitet und unterstützt würden – und zwar ganz besonders, in dem man jegliche „rassistischen“ Vorstellungen vermeide. Die kolonialen Entwicklungsexperten müssten künftig generell  aufhören, in Kategorien wie „Rasse“ zu sprechen und auch zu denken. Alltäglicher Rassismus in „Übersee“, so jene Anthropologen,  sei ein Kolonialverbrechen, aufs schärfste zu verurteilen und zu beenden. 

Diese Diskurse waren mit persönlichen und institutionellen Vernetzungen verbunden, beispielsweise zwischen Missionsinstitution und Forschungseinrichtungen zur Kolonialwissenschaft. Zunehmend interdisziplinär bildete sich zwischen Kolonialbeamten, Missionaren, Anthropologen, Psychologen und beispielsweise Agrarökonomen eine sich explizit als „humanitär“ beschreibende Entwicklungsexpertise und –praxis aus, die für den „besten Weg der Entwicklung in Schwarzafrika“ – so der zeitgenössische Diskurs der Protagonisten dieser Wissenschaft – stehen sollte. Immer mehr Anthropologen und Psychologen begannen in „Feldstudien“ „teilnehmende Beobachtungen“ anzustellen, untersuchten als „typisch afrikanisch“ angesehene Formen von Armut ebenso wie „the African Mind“, um zukunftsweisende Entwicklungswege und –praktiken aufzuzeigen.  Nahezu alle Beteiligten hoben immer wieder den anti-rassistischen Impetus dieser von ihnen betriebenen neuartigen „humanitären und Grenzen überschreitenden Entwicklung“ hervor. Letztlich wurden hier die Grundlagen der Entwicklungsexpertise gelegt, die auch die postkoloniale Entwicklungszusammenarbeit begleitete. 

In der Sektion soll die Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit der zeitgenössischen Konzepte und Diskurse von „Rasse“ und Rassismus, die hier verhandelt wurden, untersucht sowie nach Traditionslinien und Brüchen zwischen Kolonialismus und Postkolonialismus gefragt werden. Ein besonderer Schwerpunkt soll auf Fallstudien liegen: Hier soll analysiert werden, wie europäische und afrikanische Missionare, Entwicklungsexperten oder –helfer in ihren Praktiken vor Ort jene Konzepte und Diskurse aufnahmen und mit gestalteten. Ganz gezielt wird nach der Verbindung von Mission, Entwicklungszusammenarbeit, Gewalt und Rassismus zu fragen sein, die – wie zu zeigen sein wird – nicht zuletzt auch ein ganz maßgeblicher Hintergrund des Handelns afrikanischer Akteure des Entwicklungsunterfangens war, und zwar im Kolonialismus und Postkolonialismus. 

Insgesamt ist es ein Ziel der Sektion differenziert zu analysieren, wie auf den ersten Blick geradezu paradox anmutend Diskurse und Praktiken von „humanitärer Entwicklung“, die immer wieder die Kategorie „Rasse“ negierten, auch „klassische Rassismen“ perpetuieren konnten oder sie transformierten in neue Formen von „Kulturrassismen“. Mithin beförderten sie auch brachiale Gewalt, die Zuschreibungen von „Primitivität“ und soziale Exklusionen. 

Vorträge Epoche
Kulturen des Helfens Neuere/Neueste Geschichte
Rasse und Rassismus in den Humanitären Entwicklungswissenschaften Neuere/Neueste Geschichte
Rassismus und makroökonomische Theorie um die Mitte des 20. Jahrhunderts Neuere/Neueste Geschichte
Medical Aid as a Subject of the Cold War History: Development, Race, and the Global War Neuere/Neueste Geschichte
Die Afrikanisierung eines Spitals. Aus der Praxis medizinischer Entwicklungshilfe Neuere/Neueste Geschichte