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Vortragstitel:
Die Heimkehrerstudie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Die antidemokratische Mentalität im Blickfeld der kritischen Theorie

Abstract:

Die Heimkehrerstudie des Frankfurter Instituts für Sozialforschung - antidemokratische Einstellungen unter Wehrmachtsveteranen in den 50ern

Referent/in: Johannes Platz, Trier / Köln


Abstract

Der Vortrag untersucht eine unveröffentlichte Studie zu antidemokratischen Einstellungen unter Spätheimkehrern aus russischer Kriegsgefangenschaft, die das Frankfurter Institut für Sozialforschung im Auftrag der Bundeszentrale für Heimatdienst (BzH), der Vorgängerin der Bundeszentrale für politische Bildung, zwischen 1956 und 1960 anfertigte. Die Bundeszentrale förderte die Integration und politische Bildung der Heimkehrer und war aus diesem Grund an einer Expertise über die demokratische Gesinnung dieser Personengruppe sehr interessiert. Angeregt wurde die Arbeit durch den ersten Vertreter der Politischen Psychologie und Gründungsvorsitzenden des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP), Walter Jacobsen, der in der BzH arbeitete. Von der Bundeszentrale beauftragt, untersuchte das Frankfurter Institut die Demokratieverträglichkeit der im Verband der Heimkehrer (VdH) zusammengeschlossenen Spätheimkehrer aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Es schloss damit an die Exilarbeiten zu Vorurteilen bei Veteranen im Rahmen der Studies in Prejudice an. Zur Forschergruppe gehörten u.a. Ludwig von Friedeburg, Klaus Liepelt und Manfred Teschner. Die Studie, die mit den Methoden des im Gruppenexperiment entwickelten Gruppendiskussionsverfahrens durchgeführt wurde, zeigte in Inhaltsanalysen das Nachwirken nazistischer Einstellungsmuster bei den Spätheimkehrern und damit, dass es sich keineswegs um Musterdemokraten aus totalitärer Erfahrung handelte. Dieses Ergebnis führte zu heftigen Kontroversen zwischen IfS, VdH und BzH um die Möglichkeit der Publikation der Studie. Das Paper zeigt auf, wie schnell kritische Sozialforschung an ihre Grenzen gelangte, wenn sie dem gesellschaftlichen Grundkonsens widersprechende Ergebnisse vorlegte.

Der Vortrag gliedert sich in vier Teile. In einem ersten einführenden Teil wird die Zusammenarbeit der BzH mit dem VdH im Feld der politischen Bildung beleuchtet. Die Kontaktaufnahme der BzH und die Rezeption des Gruppenexperiments in der BzH bilden den zweiten Teil des Papers. Im dritten Teil wird die Durchführung des Forschungsprojekts, das Forschungsdesign und die konkrete Erhebungsarbeit rekonstruiert. Im abschließenden vierten Teil werden die Ergebnisse und ihre Aufnahme beim  VdH sowie der anschließende wissenschaftspolitische Konflikt um die Publikation der Ergebnisse analysiert.