Infrastrukturen der Macht

(01. Oktober 2010 - 9.15 bis 13 Uhr - HS 3075)

Leitung: Prof. Dr. Jens Ivo Engels, Darmstadt / Prof. Dr. Gerrit Schenk, Darmstadt


1. Infrastrukturen der Macht – Macht der Infrastrukturen. Konzeptionelle Überlegungen

Referent/in: Prof. Dr. Jens Ivo Engels, Darmstadt


2. Zwischen politischer Herrschaft und Wohlfahrt: Die Infrastruktur des Imperium Romanum

Referent/in: Prof. Dr. Helmuth Schneider, Kassel


3. „Infrastruktur“ im Mittelalter? Wasserbauten am Oberrhein und in der Toskana zwischen gemeinem nutz und felice stato

Referent/in: Prof. Dr. Gerrit Schenk, Darmstadt


4. Höfische Repräsentation, soziale Exklusion und die (symbolische) Beherrschung des Landes. Zur Funktion von Infrastrukturen in der Frühen Neuzeit

Referent/in: PD Dr. Christian Wieland, Freiburg / Düsseldorf


5. Infrastrukturen in der Sowjetunion: Integrationsmechanismen, Grenzüber­schreitungen und Ohnmachtserfahrungen

Referent/in: Prof. Dr. Klaus Gestwa, Tübingen


6. Infrastrukturen als Medien der materiellen und funktionalen Grenzüberschreitung

Referent/in: Prof. Dr. Dirk van Laak, Gießen


7. Postkoloniale Machtspeicher. Britische und französische Infrastrukturprojekte in Afrika nach 1945

Referent/in: Dr. Birte Förster, Darmstadt


Abstract

In der Technik- und auch der Wirtschaftsgeschichte – vornehmlich des 19. und 20. Jahrhunderts – sind technische Infrastrukturen schon lange ein eingeführtes Thema. Insbesondere über die Entstehungsbedingungen und Auswirkungen „großtechnischer Systeme“ liegt eine umfangreiche Forschung vor. In jüngster Zeit mehren sich jedoch die Anzeichen für ein Interesse von Allgemeinhistorikern an diesem Thema. Dazu trägt bei, dass Infrastrukturen vermehrt mit Debatten der Politik- und Gesellschaftsgeschichte verbunden werden. So werden grenzüberschreitende Infrastrukturen zunehmend als Vorläufer oder Faktoren europäischer Integration verstanden oder die Zusammenhänge von (Gesellschafts-) Planung, Sozialpolitik und Infrastrukturausbau seit der Industrialisierung hervorgehoben. Die geplante Sektion soll diese Perspektiverweiterung der Infrastrukturforschung noch ein Stück vorantreiben. Im Zentrum steht das Verhältnis von Infrastrukturen und Machtausübung. Dabei soll auch die bislang vorherrschende Konzentration auf die industrialisierte Moderne insofern ergänzt werden, als Beiträge von der Antike bis ins 20. Jahrhundert geplant sind. Infrastrukturen sind Faktoren von Dominanz. Dieser evidente aber bislang kaum systematisch untersuchte Umstand eröffnet einen innovativen Zugang zu einem zentralen Thema der Geschichtswissenschaft: der Machtfrage. Die geplante Sektion soll den Zusammenhang von technisch-materiellen Infrastrukturen und Ausübung von Macht Epochen übergreifend untersuchen. Ziel ist ein substanzieller Beitrag zur empirischen Untersuchung von Machtausübung sowie zur gesellschaftlich-politischen Bedeutung von Infrastrukturen. Es geht also um eine doppelte Blickrichtung: 

Anhand des Objekts „Infrastrukturen“ lässt sich das immaterielle und abstrakte Phänomen der Macht auf einem konkreten Handlungsfeld multiperspektivisch untersuchen. 

Unter dem Aspekt der Machtfrage tritt das Wesen von Infrastrukturen als Ergebnis und Instrument sozialer und politischer Beherrschung zutage. Alle Beitragenden sollen sich mit folgenden Problemstellungen auseinandersetzen, um auf diese Weise einen Epochen und Kulturen übergreifenden Zugang zu „Infrastrukturen der Macht“ zu gewährleisten: 

Infrastrukturen der Macht: Welchen technischen Infrastrukturen gebührt mit Blick auf die Frage der Macht in der jeweiligen Epoche besondere Aufmerksamkeit – welche epochentypischen Merkmale lassen sich daran aufzeigen?

Vorgängigkeit der Macht: Welche – ggf innovativen – Formen der Machtausübung sind erforderlich, um Planung und Bau der Infrastrukturen zu ermöglichen? 

Konstituierung von Macht: Welche Formen der Machtausübung werden durch die betreffenden Infrastrukturen erst in spezifischer Weise möglich? Welche sozialen Gruppen profitieren von den neuen Gelegenheiten – und welche gehören zu den Verlierern?

Repräsentation von Macht: In vielen Fällen dienen technische Infrastrukturen der Selbstdarstellung der Herrschenden. Welche Botschaften über die Legitimität von Herrschaft und zur Begründung von Eingriffen (in Eigentumsverhältnisse, Landschaften, Siedlungsmuster, …) werden dabei transportiert? Inwiefern gleichen oder unterscheiden sich diese Selbstdarstellungen von anderen Formen der Repräsentation? 

Kaschierung von Macht: Gibt es umgekehrt den Versuch, unter Verweis auf den „technischen“ Charakter der Infrastruktur die Ausübung von Macht zu kaschieren? Das Thema des Historikertags „Über Grenzen“ wird in der geplanten Sektion in mehrfacher Hinsicht adressiert: 

Infrastrukturen sind Schnittstellen zwischen Gesellschaft und natürlicher Umwelt. Indem sie vitale Ressourcen zur Verfügung stellen, überwinden sie die Grenzen zwischen Natur und Mensch einerseits, ermöglichen dem Menschen andererseits aber auch, sich unabhängiger von naturräder umlichen Gegebenheiten zu machen. Daher repräsentieren sie zugleich die Grenzziehung zwischen Gesellschaft und Umwelt.

Das Verhältnis von Infrastrukturen zu politischen Grenzen ist ambivalent: Großflächige Netze wie Verkehrssysteme tendieren dazu, Grenzen zu überschreiten. Andererseits bewirken politische Grenzen die Existenz unterschiedlicher Stile in Planung und Betrieb von Infrastrukturen.

Eine einflussreiche These besagt, dass moderne Infrastrukturen sozial integrierend wirken (Dirk v. Laak), also gesellschaftliche Grenzen abmildern – oder zumindest diese Aufgabe haben. Dies gilt es kritisch zu überprüfen. Soziale, politische und kulturelle Segregationsabsichten und -mechanismen technischer Infrastrukturen sollen ebenfalls betrachtet werden.

Die üblichen Epochengrenzen werden durch die diachrone Perspektive überschritten. Die Sektion strebt eine Überschreitung der innerdisziplinären Grenzen zwischen Technik-, Kultur- und Machtgeschichte an.

Vorträge Epoche
Infrastrukturen der Macht – Macht der Infrastrukturen. Konzeptionelle Überlegungen Neuere/Neueste Geschichte
Zwischen politischer Herrschaft und Wohlfahrt: Die Infrastruktur des Imperium Romanum Neuere/Neueste Geschichte
Infrastruktur im Mittelalter? Wasserbauten am Oberrhein und in der Toskana Neuere/Neueste Geschichte
Höfische Repräsentation, soziale Exklusion und die (symbolische) Beherrschung des Landes Neuere/Neueste Geschichte
Infrastrukturen in der Sowjetunion Neuere/Neueste Geschichte
Infrastrukturen als Medien der materiellen und funktionalen Grenzüberschreitung Neuere/Neueste Geschichte
Postkoloniale Machtspeicher. Britische und französische Infrastrukturprojekte in Afrika nach 1945 Neuere/Neueste Geschichte