Jan Simon Karstens Gauri Parasher (Sektionsleitung)

Rumors, Secrets, Fake News: Evaluating Political Information in the Seventeenth and Eighteenth Century

Download iCal

Abstract

Discussions about "fake news" are not new since the advent of the internet. Secrecy, rumors, and disinformation have always been part of political communication. With the intensification of correspondence and the emergence of periodical printed newspapers in the 17th century, political decision-makers faced new challenges. Information could now spread across the entire European continent within a few weeks. In addition, a large number of agents in the service of competing powers were active, uncovering secrets but also spreading false news. Impostors and project makers, who appeared with supposed insider knowledge, made the situation even more confusing. With the daily arrival of news and offers, the question always arose as to whether they were facts, rumors, deceptions, or revealed secrets. The question of the status of the information was often closely linked to the assessment of the reliability of media and individuals who conveyed it.
The contributions of the planned section illuminate, through case studies, the practices of evaluating political information and its carriers in the 17th and early 18th centuries. A particular focus will be on how the problem of temporal and spatial distances was dealt with in evaluation processes and to what extent different political decision-making structures affected the handling of political information. How could secure knowledge of political events in distant China, "East India," the Ottoman Empire, or during a dynamic war be produced? And were collectively governed republics more susceptible to false news than princely cabinets - or did they, on the contrary, have additional resources to verify the truthfulness of information?

Nadine Amsler (Basel)
Ein Hilferuf aus China? Rom und der Brief der letzten Kaiserin der Ming-Dynastie

Im Jahr 1653 traf in Rom ein Brief ein, der an der Kurie für Aufregung sorgte. Gemäß dem Überbringer, dem polnischen Jesuiten Michael Boym, handelte es sich dabei um ein Schreiben von niemand Geringerem als der chinesischen Kaiserin. Helena, so Boym, war die Mutter des letzten Kaisers der 1644 gestürzten Ming-Dynastie. Sie war zum Katholizismus übergetreten und bat nun den Papst um militärische Hilfe gegen die die neuen Machthaber in Peking. Wie aber sollte die römische Kurie die Echtheit des Schreibens überprüfen? Der Vortrag zeichnet die Debatten in der Kurie um diese Frage nach und zeigt, wie geographische Entfernung und sprachliche Hürden die Evaluation des Briefes erschwerten.

Susanne Friedrich (München)
Von Rechenschaftspflichten und Geschäftsgeheimnissen. Die Nachrichtenweitergabe der niederländischen Ostindienkompanie (VOC) an die Generalstaaten im 17. Jahrhundert

In den Niederlanden des 17. Jahrhunderts erschien Geheimhaltung in politischen Gremien unmöglich. Die Direktoren der 1602 gegründeten Ostindienkompanie (VOC), die Berichtspflichten gegenüber den Generalstaaten hatten, passten ihr Informationsverhalten daher taktisch den erwarteten politischen und ökonomischen Reaktionen und ihren eigenen Geheimhaltungsinteressen an. Dazu versuchten sie intern ein Klassifikationssystem für Information zu implementieren und bewerteten die Evaluations- und Verarbeitungsprozesse von Mitteilungen in den politischen Gremien. Das Bekanntsein dieser Praktiken beeinflusste seinerseits den Umgang mit den weitergegebenen Nachrichten in diesen Gremien.

Elisabeth Lobenwein (Rom)
Politische Korrespondenz und die Kunst der Beurteilung von Informationen. Kaiserliche Residenten an der Hohen Pforte (1664–1683)

Zu den zentralen Aufgaben frühneuzeitlicher Diplomaten gehörte es, möglichst viele gesicherte, im Idealfall auch geheime Informationen über alle Vorgänge im Gastland zu sammeln. Am Beispiel der kaiserlichen Gesandten, die sich zwischen 1664 und 1683 – einer stabilen Friedensphase zwischen dem Frieden von Eisenburg/Vasvár und der Belagerung Wiens – an der Hohen Pforte aufhielten, werden verschiedene Praktiken der Informationsakquise untersucht. Zudem wird danach gefragt, welche Mittel den Gesandten zur Verfügung standen, um die ihnen aus mehr oder weniger vertrauenswürdigen Quellen herangetragenen Informationen zu verifizieren und evaluieren.

Matthias Pohlig (Berlin)
Unmöglich und notwendig. Die Informationsevaluation der englischen Regierung im Spanischen Erbfolgekrieg und ihre Rahmenbedingungen

Die Evaluation politischer Informationen – aus diplomatischer Korrespondenz, aus Spionageberichten, aus der Presse – stellte für frühneuzeitliche Regierungen eine schwer zu bewältigende Herausforderung dar. Weil die Glaubwürdigkeit spezifischer Informationen je nach Herkunft und Thema schwer einzuschätzen war und weil zudem meist Zeitdruck herrschte, wurde oft, aber nicht immer auf die Vertrauenswürdigkeit der Informanten abgestellt. Am Beispiel der englischen Regierung zu Beginn des 18. Jahrhunderts soll die Frage diskutiert werden, welche Mechanismen der Informationsevaluation es überhaupt gab, und welche Probleme diese lösten, aber auch schufen.

Nadir Weber (Luzern)
Diskrete Nachforschungen. Geheime Räte und obrigkeitliches Informationsmanagement in der Eidgenossenschaft um 1700

Republikanismus und Arkanpolitik schlossen sich in der Frühen Neuzeit keineswegs wechselseitig aus. Staatsgeheimnisse wurden in kollektiv regierten Gemeinwesen vielmehr besonders früh durch eigene Institutionen bearbeitet, dokumentiert und archiviert. Wohl inspiriert vom Rat der Zehn in Venedig bildeten sich auch in mehreren Orten der Eidgenossenschaft ab dem späten 16. Jahrhundert engere Ratsausschüsse aus, die als „geheime Cammern“ oder „geheime Räte“ bezeichnet wurden. Ein genauerer Blick auf Orte wie Zürich und Bern zeigt, dass diese diskreten Gremien kontinuierlich mit der Sammlung, Evaluation und selektiven Streuung von politischen Informationen beschäftigt waren.

Ihr Feedback