Gewinner und Verlierer in Wirtschaftskrisen der Neuzeit (16. – 19. Jahrhundert)

PHILIP HOFFMANN-REHNITZ (Münster)
Einführung

WOLFGANG BEHRINGER (Saarbrücken)
Verreckt auf dem Misthaufen der Fugger. Gewinner und Verlierer in den Krisenjahren um 1600

JUSTUS NIPPERDEY (Saarbrücken)
Paradoxa monetaria. Der Diskurs um Finanzkrisen in Deutschland, England und den Niederlanden im 17. Jahrhundert

JAN BEHNSTEDT (Konstanz)
Staatsschulden und Geldvermehrung. Zur Genealogie der politischen Ökonomie zwischen Kriegsgewinn und Vertrauensverlust (1700-1770)

DOMINIK COLLET (Heidelberg)
„Kornjuden“, Patrioten, Menschenfreunde. Inklusion durch Exklusion in Hungerkrisen um 1800

CORNELIA AUST (Mainz)
Der Aufstieg jüdischer Bankiers und Unternehmer und deren Wahrnehmung in Wirtschaftskrisen in Mittel- und Ostmitteleuropa während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

ULRICH PFISTER (Münster)
Kommentar

Abstract:
In der Sektion wird am Beispiel von Wirtschaftskrisen danach gefragt, welche Bedeutung der Unterscheidung von Verlierern und Gewinnern in Krisen und für deren Wahrnehmung zukommt. Dies erfolgt in einer historischen Langzeitperspektive, die vom Ende des 16. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reicht. Die Beiträge thematisieren zwei Ausprägungen bzw. Typen von Wirtschaftskrisen: Hunger- bzw. Subsistenzkrisen zum einen, Handels-, Finanz- und Kreditkrisen zum anderen. Beide Krisentypen zogen im untersuchten Zeitraum ein hohes Maß an Aufmerksamkeit innerhalb der öffentlichen Kommunikation auf sich und waren in ausgeprägter Weise moralisch aufgeladen. Zugleich unterscheiden sie sich deutlich in ihren jeweiligen ökonomischen und sozialen Bedingungen und Auswirkungen und repräsentieren zwei Pole gesellschaftlicher Gefährdung.
Wir gehen davon aus, dass Krisen, zumal Wirtschaftskrisen, die Frage nach Gewinnern und Verlierern in einer besonderen Weise evozieren, die sich von „normalen Zeiten“ markant unterscheidet. Im Mittelpunkt der Sektion steht dabei weniger die Identifikation objektiver Gewinner oder Verlierer von Wirtschaftskrisen, sondern die unterschiedlichen Möglichkeiten und Formen, wie Gewinner und Verlierer innerhalb der Krisenkommunikation konstruiert wurden, und wie sich dies zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert wandelte. Zu fragen ist dann, wer solche Konstruktionen in welcher Weise vornahm und welche Interessen damit verbunden waren, inwieweit sich hier konkurrierende Sichtweisen finden lassen und welche Bedeutung und Funktion solchen Gewinner/Verlierer-Konstruktionen für die Krisenkommunikation und -wahrnehmung zukam. Zudem kann das Verhältnis zwischen der Kommunikation während der Krise und ihrer nachträglichen Wahrnehmung in den Blick genommen werden: inwieweit, so lässt sich fragen, präfigurierten die während der Krisen entwickelten Deutungen gerade auch von Gewinnern und Verlierern die Art und Weise, wie Krisen im Nachhinein (nicht zuletzt auch durch die Geschichtsschreibung) wahrgenommen und bewertet wurden?

English Version:
Winners and Losers in Economic Crises (16th–19th century)

The panel deals with the implications of the differentiation between winners and losers for the perception of economic crises from the 16th to the middle of the 19th century. The papers cover two types of economic crisis: on the one hand, hunger- or subsistence-crises, and on the other hand commercial, financial or credit-crises. Both types of crises generated much public attention during the time under consideration. In addition, both were deeply morally charged. At the same time their economic and social preconditions and consequences differed conspicuously, thus representing two opposing types of social hazard.
In our panel, we assume that economic crises evoke the question of winners and losers in a specific way, which clearly differs from ‘normal times’. Therefore, the panel does not so much focus on objective winners and losers, but on the diverse forms and possibilities of constructing winners and losers in the course of communicating about a crisis. Considering the long period spanning the 16th–19th centuries, the aim is to identify changes in this process of construction. Moreover, we ask who embarked on such constructing efforts, in what way, and what kind of interests were involved in the process. How far can competing views as to the allocation of the roles of winner and loser be ascertained and what function did these constructions assume regarding the general perception of the crisis? Furthermore, it will be worth looking at the relationship of the communication about an ongoing crisis to its subsequent perception: how did the interpretations concerning winners and losers that were developed during a crisis prefigure the way it was subsequently perceived and assessed (not least by historians)?