Selbstbewusst und selbstbestimmt. Frauen im Kampf um politische Teilhabe im Spanischen Bürgerkrieg
Gemäß dem Stereotyp, dass Krieg „Männersache“ sei, spielen Frauen in der Geschichte der Kriege des 20. Jahrhudert häufig eine beigeordnete Rolle: Sie wurden v.a. als Ermöglicherinnen, Opfer, Ausnahmen beforscht. Dieser Sektionsvorschlag fragt stattdessen danach, wie sich Frauen im Spanischen Bürgerkrieg als selbstständige politische Akteurinnen und stellvertretend für ihre Parteien oder gesellschaftlichen Gruppen neue politische Machtpositionen erkämpft bzw. verteidigt haben. Ausgehend von den biographischen Skizzen einer Faschistin, Pilar Primo de Rivera, einer Krankenwagenfahrerin, Evelyn Hutchins, und einer Krankenschwester, Mercedes Milá Nolla, wird gezeigt, wie Frauen aus unterschiedlichen sozialen sowie politischen Milieus Räume für ihre eigene gesellschaftspolitische Agenda einnahmen und damit die Dynamiken der Macht mitbestimmten. Zur Erreichung ihrer Ziele erforderte es die Ausbildung und Nutzung verfügbarer oder mobilisierbarer Allianzen und Netzwerke, die bisher in der Forschung kaum Beachtung gefunden haben, wie etwa Frauen- und Jugendorganisationen (Pilar Primo de Rivera), humanitäre Organisationen (Mercedes Milá Nolla) oder aktiver Kriegseinsatz (Evelyn Hutchins). In ihrem jeweiligen Handlungsraum wurden sie zu Repräsentantinnen aufstrebender politischer Kräfte, Verteidigerinnen bedrohter Machtkonstellationen oder Mitglieder transnationaler Massenbewegungen. Diese Case Studies dienen somit als Analysewerkzeuge, um größere politische Entwicklungen und Zusammenhänge der Zwischenkriegszeit nachzuvollziehen. Der Spanische Bürgerkrieg wird so zu einem Schauplatz, wo internationale und nationalstaatliche Entwicklungen überlappten und sich verschränkten. Die Beiträge dieses Panels zeigen, wie Frauen daran Anteil hatten, dass der Spanische Bürgerkrieg zu einem Kristallisationsmoment für eine Internationalisierung politischer Kräfte sowohl nach innen als auch über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg wurde. Der Bürgerkrieg ist somit auch eine Case Studie, die es uns erlaubt internationale Faschismus-, Kommunismus- und Elitenforschung miteinander in Dialog zu bringen. Die Vorträge sollen je 20 Minuten umfassen mit einer 30-minütigen Diskussionszeit.
1937 meldete sich die US-Amerikanerin Evelyn Hutchins freiwillig als Krankenwagenfahrerin für den Fronteinsatz im Spanischen Bürgerkrieg. Sie wollte auf Seiten der Republik für den Erhalt der Frauenrechte und Demokratie eintreten. Als Frau verweigerte man ihr jedoch die Teilnahme und sie musste mehrere Monate gegen Widerstände ankämpfen, bis man sie nach Spanien gehen ließ, wo sie den Kampf gegen Geschlechternormierungen weiterführte. Der Beitrag untersucht, wie sich Evelyn als einzige internationale Krankenwagenfahrerin ihren Raum erkämpfte, um für ihre Überzeugungen sowie Ziele einzutreten und eine Stimme in der der Schaffung neuer politischer und gesellschaftlicher Ordnungen in einem Krieg mit internationaler Dimension zu erhalten.
Die Führerin Spaniens Nationalsyndikalistinnen wurde vergleichsweise spät politisch aktiv. Erst drei Jahre nach der Gründung der Zweiten Republik – ein Moment, der viele neue politische Kräfte gestärkt oder hervorgebracht hatte – begann sie ihr politisches Projekt: die Sección Femenina der Falange. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich diese Gruppe militanter Faschistinnen zu einer Massenorganisation innerhalb der faschistischen Partei und konnte sich Schlüsselpositionen in der franquistischen Frauenpolitik aneignen. Während sich Primo de Rivera nach innen etablierte, verfolgte sie von Anfang das Ziel, sich grenzüberschreitenden mit anderen Faschistinnen zu vernetzen. Ihre politische Biographie ist beispielhaft dafür, wie Frauen als Brokerinnen zwischen nationalstaatlichen Faschismen und dem „Neuen Europa“ wirksam wurden.
Mercedes Milá Nolla gehörte zu den Frauen Spaniens Oberschicht, die in den 1920er Jahren Karrieren im Roten Kreuz und in internationalen humanitären Netzwerken des Völkerbunds und der Rockefeller Foundation begonnen hatten. Die Welt des Humanitarismus bot ihnen Wissenserwerb und Karrierechancen. Milá gehörte aber auch zu den gesellschaftlichen Eliten Spaniens, die sich von der organisierten Arbeiter:innenschaft bedroht sahen, aber auch den Aufstieg der Falange mit Misstrauen beobachten. Der Bürgerkrieg wurde zu ihrem Sprungbrett ihre international anerkannte Expertise dafür zu nutzen, sich eine einflussreiche Position in Francos Armee zu sichern. Am Krankenbett kämpfte sie für eine hierarchische, bürgerliche Klassengesellschaft und für den Erhalt ihrer eigenen Privilegien.