„Außenseiter“. Geschichten Schwarzer Menschen in Deutschland
In den letzten Jahren hat die Schwarze Geschichte Deutschlands mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, wie durch Ausstellungen, Veranstaltungen im Rahmen des „Black History Month“ und Debatten um „Black Lives Matter“ sichtbar wird. Trotz des wachsenden Forschungsinteresses an der Geschichte von „Black Germany“ führt das Thema in der Geschichtswissenschaft weitgehend ein Nischendasein. Die amerikanische Kulturwissenschaftlerin Michelle M. Wright beschreibt Schwarze Menschen in Deutschland als in „einem Raum außerhalb der Nation“ verortet (Wright, Becoming Black, 189), was ihre Einbindung in eine nationale Geschichtsschreibung erschwert. Diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt dieser Sektion: Ziel ist es nicht nur, Schwarze Geschichte ins Zentrum zu rücken, sondern auch die vermeintliche Stellung Schwarzer Menschen als „Außenseiter“ – sei es der Nation, der „Volksgemeinschaft“ oder der Gesellschaft – als methodischen Ansatz zu nutzen, um ihre Geschichte sowie die daraus resultierenden Machtverhältnisse zu analysieren.
Als „Außenseiter“ besaßen Schwarze Menschen in Deutschland stets eine prekäre Machtposition, die jederzeit aberkannt werden konnte und somit eine existenzielle Bedrohung darstellte. Die Beiträge dieser Sektion untersuchen, wie Schwarze Menschen – ob als Adlige an europäischen Höfen, als „koloniale Subjekte“ in der Metropole oder als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung – sich trotz dieser prekären Lage in den jeweiligen Aushandlungsprozessen betätigen und behaupten konnten. Zudem widmet sich die Sektion methodischen Herausforderungen der Erforschung Schwarzer Geschichte in Deutschland. Die oft unzureichende Quellenlage erfordert innovative methodische Ansätze und kreative Herangehensweisen, auch durch Anleihen aus Nachbardisziplinen wie der Anthropologie, Kunstgeschichte und den Subaltern Studies, um diese Geschichte zu rekonstruieren.
Die Sektion ist für 90 Minuten angesetzt und umfasst 3 Vorträge von jeweils 15 Minuten. Am Ende der einzelnen Präsentationen stehen 5 Minuten für kurze Nachfragen bereit. Nach den Vorträgen folgt eine offene Diskussion über zentrale Fragen und Thesen der Beiträge (30 Minuten).
The 1935 Nuremberg Race Laws were one of the cornerstones of Nazi racial policy, among other things, prohibiting marriages and sexual relationships between German Jews and so-called Aryans. As the proposed paper demonstrates, their extension to cover men and women of African heritage was representative of a more general assault on Black-European partnerships which ultimately aimed at preventing the development of future generations of Back Germans. Academic and public knowledge of Black experiences of the Nazi’s racial state remains, however, limited, constricted in part by the seemingly scarce source base. The paper, therefore, further considers the methodological challenges of accessing this history.
Kwasi Boachi (ca. 1827–1904) kam 1837 als 10-Jähriger von Kumasi (heutiges Ghana) nach Europa. Der Aschantiprinz, der in adligen Kreisen in Europa verkehrte, so beim König der Niederlande und beim Herzog zu Sachsen, studierte u. a. an der Bergakademie Freiberg und arbeitete später im Auftrag der Niederländer als Bergbauingenieur im heutigen Indonesien. Während Kwasi Boachi bisher nur im Rahmen nationaler Erinnerungskulturen – entweder in Deutschland, den Niederlanden oder in Ghana – betrachtet wurde, fehlt es bislang an einer translokalen Perspektive auf das Leben und die Erinnerung an den afrikanischen Adeligen. Der Beitrag fragt aus einer migrantischen Perspektive (v. a. Borga) nach den methodischen Herausforderungen einer solchen globalen Geschichte Boachis und greift dabei auf interdisziplinäre Ansätze aus der Philosophie und Kunstgeschichte zurück.
Mit dem Beginn des deutschen Kolonialreichs am Ende des 19. Jahrhunderts zogen vermehrt Menschen aus den Kolonialgebieten (teilweise freiwillig, teilweise unfreiwillig) ins Deutsche Reich. Ein wesentlicher Kristallisationspunkt von Macht-Verhältnissen vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus waren die Einbürgerungsverfahren dieser Personen. Nur sehr wenigen von ihnen gelang es, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Der Beitrag fragt anhand der konträren Geschichten von Kwassi Bruce und Johannes Kohl (beide aus Togo) – ersterer erhielt 1926 die deutsche Staatsbürgerschaft, letzterer kämpfte vergebens um seine Einbürgerung – nach den administrativen und persönlichen Macht- und Ohnmachts-Verhältnissen und adressiert die methodischen Zugriffe, um solche Verhältnisse und Verfahren zu dekodieren.